RS Vfgh 1995/9/28 G296/94

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Veröffentlicht am 28.09.1995
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Index

31 Bundeshaushalt
31/05 Förderungen, Zuschüsse, Fonds

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art15a
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Form u Inhalt des Antrages
B-VG Art140 Abs7
Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 §2 Abs2 Z2 und Z3
F-VG 1948 §4
FAG 1993

Leitsatz

Aufhebung von Regelungen über die Zweckzuschüsse des Bundes zur Wohnbauförderung der Länder wegen Verstoßes gegen das finanzverfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot; keine res iudicata im Hinblick auf das Vorerkenntnis wegen Änderung des rechtlichen Umfeldes; kein Paktum mit den Finanzausgleichspartnern; keine Fixierung der Bundeszuschüsse in der Art15a B-VG-Vereinbarung betreffend die Wohnbauförderung zwischen Bund und Ländern; Unsachlichkeit der Bevorzugung von Ländern mit einwohnerstarken Städten durch Anknüpfen an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel; sachlich nicht gerechtfertigte Verteilung der Mittel aufgrund des Aufkommens bei der Einkommen- und Lohnsteuer

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des §2 Abs2 Z2 und Z3 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG; keine res judicata im Hinblick auf VfSlg 12832/1991.

Die Begründung des seinerzeitigen abweisenden Erkenntnisses beruhte bezüglich der Z2 und 3 des §2 Abs2 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 schwergewichtig darauf, daß im Hinblick auf die Paktierung des damals geltenden FAG 1989 während dessen Laufzeit (1989 bis 1992) diese Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben waren.

Die Steiermärkische Landesregierung ficht nunmehr Gesetzesstellen an, die zwar formal mit jenen ident sind, die bereits Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens waren. Es hat sich jedoch nach ihrer Auffassung "mit dem Auslaufen des von den Finanzausgleichspartnern paktierten Finanzausgleichsgesetzes 1989 per 31.12.92, ab 01.01.93 insoferne eine völlig neue Situation (ergeben), als der Bund das darauf folgende Finanzausgleichsgesetz 1993 (FAG 1993, BGBl 30), erstmalig in der Geschichte der Finanzausgleichs-Regelungen, ohne Paktum mit den übrigen Finanzausgleichspartnern in Kraft gesetzt hat".

Die für die Verfassungswidrigkeit der bekämpften Normen ins Treffen geführten Gründe sind nun vor dem Hintergrund des durch die Umstände der Erlassung des FAG 1993 geänderten rechtlichen Umfeldes zu untersuchen.

Fraglich könnte sein, ob der im Antrag enthaltene Passus, wonach die Aufhebung "... mit Wirksamkeit 01.01.93" begehrt wird, zulässig ist.

Tatsächlich ermächtigt keine Rechtsvorschrift den Verfassungsgerichtshof dazu, das Inkrafttreten einer Gesetzesaufhebung mit einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt festzusetzen.

Das Anliegen der antragstellenden Landesregierung kann aber auch anders - gesetzeskonform - dahin gedeutet werden, daß mit der zitierten Wendung angeregt wird, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art140 Abs7 B-VG erkennen, daß die aufgehobenen Bestimmungen auf ab dem 01.01.93 verwirklichte Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind.

Die Ziffern 2 und 3 des §2 Abs2 des Bundesgesetzes vom 29.11.88, BGBl 691/1988, mit dem den Ländern Zweckzuschüsse des Bundes für die Förderung des Wohnbaues und der Wohnhaussanierung gewährt werden (Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989), werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Das Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 ist zwar formal ein eigenes, außerhalb des FAG 1993 stehendes Gesetz, es hat aber dennoch typisch finanzausgleichsrechtlichen Inhalt.

Über eine Änderung der Verteilung der Wohnbauförderungs-Zweckzuschüsse und insbesondere über die Forderung des Landes Steiermark nach verfassungsrechtlicher Absicherung gleicher Lebensbedingungen in allen Ländern konnte bei den Finanzausgleichsverhandlungen zum FAG 1993 kein Einvernehmen erzielt werden.

Wenngleich eine Minderheit der Finanzausgleichspartner den Abschluß eines Paktes nicht zu hindern vermag, kann in einem solchen Fall nicht mehr ohne weiteres von der Vermutung ausgegangen werden, das Finanzausgleichsgesetz stehe in keinem Widerspruch zu §4 F-VG 1948.

Den Finanzausgleichspartnern waren zwar die gegen §2 Abs2 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 sprechenden Bedenken im Jahre 1989 (als das Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG geschaffen wurde) noch nicht bekannt, wohl aber bei den im Jahre 1992 stattgefundenen Beratungen über den ab 01.01.93 geltenden Finanzausgleich (vgl VfSlg 12832/1991). 1992 war auch seit Schaffung des Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 bereits ein so großer Zeitraum verflossen, daß die tatsächlichen Verhältnisse sowie die Auswirkungen des Gesetzes mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden konnten. Ein Pakt, der dem für 1989 bis 1992 geltenden finanzausgleichsrechtlichen Gesamtsystem zugrundelag und der für die Begründung des Erkenntnisses VfSlg 12832/1991 maßgebend war, kann im vorliegenden Zusammenhang also heute nicht mehr rechtserheblich sein.

Die gemäß Art15a B-VG zwischen dem Bund und allen Ländern abgeschlossene, ua die Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung betreffende Vereinbarung, BGBl 390/1989, ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung des ab 01.01.93 geltenden finanzausgleichsrechtlichen Systems nicht von Belang.

Der Inhalt des Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 ist in der Vereinbarung nicht fixiert, sodaß dieses - einen Bestandteil des jeweils geltenden finanzausgleichsrechtlichen Regelungssystems bildende - Gesetz zur Disposition bei den späteren Finanzausgleichsverhandlungen steht und in die Überlegungen, wie das jeweilige finanzausgleichsrechtliche Paket zu gestalten ist, mit einbezogen werden muß.

§2 Abs2 Z2 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 knüpft an den abgestuften Bevölkerungsschlüssel an und bevorzugt damit jene Länder, in denen viele der Einwohnerzahl nach große Städte liegen; diese Privilegierung ist unsachlich.

Die Gestaltungsfreiheit des Finanzausgleichsgesetzgebers bei der Verteilung von Beträgen, die den Ländern für einen ganz bestimmten Zweck zukommen, ist hier insofern geringer, als an die Angemessenheit jener Kriterien, welche die sachgerechte Verteilung der für einen konkreten Zweck (hier: die Förderung des Wohnbaus) vorgesehenen finanziellen Mittel gewährleisten sollen, erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Daher müßte zumindest plausibel sein, daß - bei einer Durchschnittsbetrachtung - die Errichtung von Wohnraum in einwohnerstarken Gemeinden einen höheren Finanzbedarf erfordert als in einer einwohnerschwachen Gemeinde.

Ebensowenig gibt es eine einleuchtende Erklärung für die Verteilungsregelung des §2 Abs2 Z3 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989: Zwar kann als einer der Grundsätze des Finanzausgleiches angesehen werden, daß jeder der daran beteiligten Gebietskörperschaften ein Ertragsanteil jenes Steueraufkommens zurückerstattet wird, das in ihrem Gebiet erzielt wurde (vgl zB §8 Abs2 FAG 1989 und 1993 - in diesem Sinne schon Pfaundler, Die Finanzausgleichsgesetzgebung 58/1948, Wien 1958, S 95). Dennoch ist nicht erkennbar, weshalb gerade ein hohes Aufkommen an Einkommensteuer und Lohnsteuer ein Indikator für einen besonderen Bedarf an Wohnbauförderungsmitteln (die vor allem der einkommensschwächeren Bevölkerung zugutekommen sollen) sein kann.

Der Finanzausgleichsgesetzgeber hat also mit den Bestimmungen des §2 Abs2 Z2 und 3 Wohnbauförderungs-ZweckzuschußG 1989 den ihm vom F-VG 1948 eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum (vgl zB VfSlg 12832/1991) verlassen und sachlich nicht rechtfertigbare Regelungen getroffen; er hat damit §4 F-VG 1948 verletzt.

Der Verfassungsgerichtshof sah sich nicht veranlaßt, - der Anregung der Steiermärkischen Landesregierung folgend - gemäß Art140 Abs7 B-VG auszusprechen, daß die aufgehobenen Bestimmungen auf ab dem 01.01.93 verwirklichte Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind. Ein derartiger Ausspruch würde nämlich eine äußerst aufwendige Rückabwicklung erfordern, in deren Verlauf Gebietskörperschaften, die an diesem Gesetzesprüfungsverfahren nicht beteiligt waren, zur Rückzahlung bereits gutgläubig verbrauchter Zweckzuschüsse verpflichtet wären.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Wohnbauförderung, res iudicata, Auslegung eines Antrages, Finanzverfassung, Finanzzuweisungen, Zuschüsse (Finanzausgleich), Finanzausgleich, Vereinbarungen nach Art 15a B-VG, VfGH / Fristsetzung, Bevölkerungsschlüssel abgestufter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G296.1994

Dokumentnummer

JFR_10049072_94G00296_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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