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66 SozialversicherungNorm
EMRK Art6 Abs1 / TribunalLeitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal durch eine Entscheidung der Landesberufungskommission betreffend einen Einzelvertrag; fehlende Unparteilichkeit der belangten Kollegialbehörde durch von der Ärztekammer entsandte, auch dem Vorstand der Ärztekammer angehörende Beisitzer; Beteiligung dieser Beisitzer bereits an der Verweigerung der Zustimmung zum Abschluß eines unbefristeten VertragesRechtssatz
Keine Bedenken gegen §344 und §345 ASVG.
Tribunalcharakter der Landesberufungskommission (siehe Vorjudikatur).
Nach der Judikatur des EGMR (vgl. grundlegend EGMR 22.10.1984, Z5/1983/61/95, abgedruckt in EuGRZ 1985, 336 ff.) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 10701/1985, 11131/1986 und 11696/1988) ist aus Art6 EMRK abzuleiten, daß Recht nicht nur gesprochen werden muß, sondern daß es auch augenscheinlich zu sein hat, daß Recht gesprochen wird; ein Tribunal müsse daher derart zusammengesetzt sein, daß keine berechtigten Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit seiner Mitglieder bestehen. Bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens ist auch der äußere Anschein von Bedeutung.
Die Zusammensetzung der belangten Behörde vermag diesen Anforderungen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht zu entsprechen. Angesichts des von der Ärztekammer für Kärnten ausdrücklich eingestandenen Umstandes, daß die seitens der Ärztekammer entsandten Beisitzer auch Vorstandsmitglieder der Kärntner Ärztekammer sind, die bereits an dem Zustandekommen des befristeten Vertrages und an der Verweigerung der Zustimmung zum Abschluß eines unbefristeten Vertrages beteiligt waren, ist der Beschwerdeführer in seinem durch Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal iSd Art6 EMRK verletzt worden.
Um auch in Fällen wie dem hier vorliegenden einen den Erfordernissen des Art6 EMRK entsprechenden Gesetzesvollzug zu gewährleisten, werden in die Landesberufungskommissionen auch Beisitzer zu entsenden und dort beizuziehen sein, die nicht dem Vorstand der jeweiligen Ärztekammer angehören.
(ebenso: E v 23.09.96, B4000/95).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Sozialversicherung, Ärzte, Tribunal, Kollegialbehörde, BehördenzusammensetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B4001.1995Dokumentnummer
JFR_10039077_95B04001_01