RS Vfgh 1996/9/30 G1374/95

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Veröffentlicht am 30.09.1996
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EisenbahnenteignungsG §44
VfGG §62 Abs1
Oö JagdG §77

Leitsatz

Kein Verstoß der Kostenregelung für das gerichtliche Verfahren über Jagd- und Wildschäden gegen den Gleichheitssatz und gegen das durch Art6 Abs1 EMRK gewährleistete Gebot der Waffengleichheit der Verfahrensgegner; Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht durch die Jagdausübungsberechtigten innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsfreiraumes des Gesetzgebers; Annahme der wirtschaftlichen Überlegenheit der Jagdausübungsberechtigten gegenüber dem Grundeigentümer innerhalb einer verfassungsrechtlich zulässigen Durchschnittsbetrachtung; sachliche Rechtfertigung aufgrund der Eröffnung eines tatsächlichen Rechtsschutzes für die wirtschaftlich schwächere Partei

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des §77 Abs1 vierter Satz Oö JagdG; ausreichend bezeichneter Prüfungsgegenstand.

Im Antrag des LG Wels wird der Text der zur Aufhebung beantragten Gesetzesstelle wörtlich zitiert. Dazu kommt, daß §77 Abs1 Oö JagdG id Stammfassung gar keinen vierten Satz enthielt; dieser wurde durch die JagdG-Nov. 1989 angefügt. Damit ist eindeutig zu erkennen, daß das Begehren des LG Wels darauf gerichtet ist, §77 Abs1 vierter Satz Oö JagdG idF der Novelle 1989 aufzuheben.

Abweisung des Antrags auf Aufhebung des §77 Abs1 vierter Satz Oö JagdG.

Aufgrund der Kostenregelung des §77 Oö JagdG haben die Jagdausübungsberechtigten die Kosten des gerichtlichen Verfahrens - sinngemäße Anwendbarkeit des EisenbahnenteignungsG gemäß §77 Abs1 vierter Satz Oö JagdG - (dazu zählen auch die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung und jene des Sachverständigen) selbst zu tragen und dem Grundeigentümer gebührt - unter Ausschluß der Kostenteilung - der Ersatz voller Kosten; dies allerdings mit der Einschränkung, daß diese Regel dann nicht gilt, wenn die Kosten durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten des Grundeigentümers hervorgerufen wurden.

Der Landesgesetzgeber hat sich im Rahmen des ihm von Verfassungs wegen eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsfreiraumes gehalten, wenn er im gerichtlichen Verfahren über einen Anspruch auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden den Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht verankert hat.

Die im §44 EisenbahnenteignungsG enthaltene Regel ist nicht absolut, sodaß sie einen Mißbrauch durch den Grundeigentümer ausschaltet.

Der Sinn der Bestimmung ist es offenkundig, der wirtschaftlich schwächeren Partei die Möglichkeit zu eröffnen, den formal vorgesehenen Rechtsschutz auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen; diese Partei soll davon nicht durch ein für sie unerträgliches Kostenrisiko abgehalten werden. Wenn der Gesetzgeber - ausgehend von einer verfassungsrechtlich zulässigen Durchschnittsbetrachtung - bei Beurteilung des Lebenssachverhaltes zum Ergebnis gelangt ist, daß (in der Regel) der Jagdausübungsberechtigte dem Grundeigentümer oder sonst Nutzungsberechtigten wirtschaftlich überlegen ist, kann ihm zumindest nicht vorgeworfen werden, es sei ihm dabei eine in die Verfassungssphäre reichende Fehleinschätzung der Lage unterlaufen. Dazu kommt, daß die Ausübung der Jagd durch den Berechtigten im genossenschaftlichen Jagdgebiet (§7 leg.cit.) auch gegen den Willen des Grundeigentümers oder Nutzungsbefugten erfolgen kann und daß dieser auf den Eintritt des Jagd- und Wildschadens häufig keinen Einfluß nehmen kann; ist er doch oft nicht in der Lage, etwa die Größe und die Art des Wildbetriebes (mit) zu bestimmen.

Den von den beteiligten Parteien gestellten Anträgen auf Zuspruch der ihnen in diesem verfassungsgerichtlichen Gesetzesprüfungsverfahren für die Erstattung von Stellungnahmen und für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung erwachsenen Kosten war keine Folge zu geben. Der Ersatz dieser Kosten ist vielmehr in dem beim antragstellenden Gericht anhängigen Verfahren geltend zu machen (vgl. zB VfSlg. 10.832/1986, 12.063/1989 und VfGH 10.10.1995 G216/94 u.a.Zlen.).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Formerfordernisse, Auslegung eines Antrages, Jagdrecht, Jagdschaden, Eisenbahnrecht, Rechtspolitik, Rechtsschutz, VfGH / Kosten, VfGH / Beteiligter, Waffengleichheit, Kostentragung (Gericht)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G1374.1995

Dokumentnummer

JFR_10039070_95G01374_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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