RS Vfgh 1998/3/11 B2429/97

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Veröffentlicht am 11.03.1998
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art6 Abs1 / Allgemeines
RundfunkG §2
RundfunkG §27
AVG §7
AVG §37
AVG §45 Abs2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung einer Beschwerde der Freiheitlichen an die Rundfunkkommission wegen behaupteter Verletzung des Objektivitätsgebotes durch Ausstrahlung eines Filmausschnittes in der Sendung "Treffpunkt Kultur" samt Berichterstattung durch den ORF; keine Willkür durch Nichteinräumung der Möglichkeit einer Stellungnahme an die beschwerdeführende Partei; keine in die Verfassungssphäre reichenden Verfahrensfehler infolge Nichtbekanntgabe der Zusammensetzung des entscheidenden Senats der Rundfunkkommission und infolge Beweisaufnahme ohne nachfolgende Möglichkeit einer Stellungnahme durch die Parteien

Rechtssatz

Keine Verletzung der beschwerdeführenden Partei in dem gemäß Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.

Im Administrativverfahren vor der Rundfunkkommission (RFK) geht es weder um "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" noch um die Stichhaltigkeit einer "strafrechtlichen Anklage" iSd Art6 EMRK, sondern ausschließlich um die der RFK (als der die Rechtsaufsicht über den ORF ausübenden Behörde) gesetzlich übertragenen Nachprüfung über behauptete Verletzungen des Objektivitätsgebots des RundfunkG (vgl §27 Abs1 RundfunkG; vgl VfSlg 13513/1993, 12022/1989, 14221/1995). Auch im vorliegenden Fall wurde vor der RFK (bloß) eine Verletzung des Objektivitätsgebots des §2 Abs2 RundfunkG geltend gemacht.

Der Inhalt eines Filmes, über den im ORF berichtet wurde, unterliegt nicht dem Objektivitätsgebot des RundfunkG.

Die Auswahl der im ORF ausgestrahlten Teile des Filmes "Der See" ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Die eigenen Kommentare des ORF enthalten keinerlei Angriff auf die beschwerdeführende Partei, im Gegenteil: Es wird - zutreffend - berichtet, daß sich diese durch den Film provoziert gefühlt und diesen kritisiert habe. Im Anschluß daran wurde dem Buchautor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, was dem Objektivitätsgebot nicht widerspricht.

Der Verfassungsgerichtshof kann der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie ausführt: "Insgesamt kann den Kommentaren der Beschwerdegegner zu dem Film nicht entnommen werden, daß sie sich einem Aufruf zur Gewalt gegen die Beschwerdeführerin anschließen oder derartiges auch nur andeutungsweise gutheißen."

Aus der Tatsache, daß, wie der angefochtene Bescheid ausführt, "ein nicht unerheblicher Teil der Zuseher" wegen der Art und Weise der Behandlung bestimmter politischer Fragen einen Zusammenhang mit der beschwerdeführenden Partei erblickt, ist unter den gegebenen konkreten Umständen nicht abzuleiten, daß die Entscheidung der RFK, die die Nichteinräumung der Möglichkeit der Stellungnahme an die beschwerdeführende Partei durch den ORF nicht aufgriff, mit Willkür belastet wäre. Nicht jeder nur mögliche Bezug auf eine natürliche oder juristische Person räumt dieser die Möglichkeit ein, zu allem und jedem im ORF Stellung zu nehmen.

Die beschwerdeführende Partei hat spätestens mit Zustellung des angefochtenen Bescheides zu Handen ihrer Rechtsvertreter von der Zusammensetzung des konkret eingeschrittenen Senates der RFK Kenntnis. Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist nichts Konkretes gegen die einzelnen Senatsmitglieder vorgetragen worden.

Insoweit nicht hinlänglich konkretisierte besondere Umstände bestehen, die es zweifelhaft erscheinen ließen, daß ein Kommissionsmitglied zu der ihm gesetzlich aufgetragenen objektiven Entscheidung des Rechtsfalles der beschwerdeführenden Partei in der Lage sei und die nach den Umständen des Falles tatsächlich den Anschein einer Befangenheit dieses Organwalters begründen könnte, ist das Vorliegen von Befangenheit im Sinne eines den Gleichheitssatz verletzenden Vollzugsfehlers nicht anzunehmen.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es nicht entscheidungswesentlich, ob im ausgestrahlten Film das Plakat eines Politikers sichtbar wurde, für das möglicherweise ein Portrait des Obmannes der beschwerdeführenden Partei verwendet wurde. Unter den gegebenen Umständen nämlich, daß für den durchschnittlichen Zuseher überhaupt nicht erkennbar ist, um welche Person es sich hier handelt, erwiese sich der angefochtene Bescheid auch dann nicht als verfassungswidrig, wenn für das ausgestrahlte Bild tatsächlich ein Portrait des Obmannes der beschwerdeführenden Partei verwendet worden wäre.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rundfunk, Befangenheit, Parteiengehör, Kollegialbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2429.1997

Dokumentnummer

JFR_10019689_97B02429_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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