RS Vfgh 2000/3/10 G19/99

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 10.03.2000
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art21 Abs3
B-VG Art87 Abs2
B-VG Art129
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
VwGG §18
VwGG §8, §9

Leitsatz

Aufhebung der die Weisungsgebundenheit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes gegenüber dem Bundeskanzler begründenden Vorschrift des VwGG betreffend Personalangelegenheiten wegen Widerspruchs zum verfassungsmäßig festgelegten Kontrollsystem des B-VG bezüglich der gesamten öffentlichen Verwaltung; Präjudizialität der Bestimmung im Anlaßverfahren betreffend eine Beschwerde gegen eine - von der Berufungskommission überprüfte - dienstrechtliche Entscheidung des Präsidenten

Rechtssatz

§18 VwGG im Anlaßbeschwerdeverfahren präjudiziell.

Die im §18 VwGG enthaltene Wendung "Angelegenheiten des nichtrichterlichen Personals" bringt in Verbindung mit der hier umschriebenen Geschäftsführung unter der Verantwortung des Bundeskanzlers zum Ausdruck, daß nicht etwa dieser, sondern der iSd §8 und §9 leg. cit. zur Leitung des VwGH berufene Präsident mit den bezeichneten Personalangelegenheiten betraut ist und der hier genannte Wirkungsbereich einen Teil seiner Leitungsaufgaben bildet. Eine (das Verwaltungspersonal betreffende) dienstrechtliche Entscheidung des Präsidenten des VwGH (die im Anlaßbeschwerdefall (insbesondere) bezüglich der Zuständigkeit des eingeschrittenen Organs der Rechtskontrolle der Berufungskommission und daher auch in weiterer Folge jener des Verfassungsgerichtshofes unterliegt) wird auch von dieser die Kompetenz des Präsidenten des VwGH mitbegründenden Gesetzesvorschrift getragen.

§18 VwGG bildet eine inhaltlich nicht trennbare Einheit; Personal- und Sacherfordernisse können verwaltungsmäßig nicht voneinander losgelöst werden.

§18 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. 10, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

§18 VwGG begründet die Weisungsgebundenheit des Präsidenten des VwGH gegenüber dem Bundeskanzler.

Dem VwGH obliegt ((gemeinsam mit dem Verfassungsgerichtshof) als Träger der "Garantien der Verfassung und Verwaltung") "die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung" (vgl. Art129 B-VG). Damit ist der VwGH auch zur Kontrolle individueller hoheitlicher Rechtsakte sämtlicher Mitglieder der Bundesregierung, mithin auch solcher des Bundeskanzlers sowie der Bundesregierung überhaupt berufen. Ein derartiges verfassungsmäßig (bereits zum Zeitpunkt der (inhaltlichen) Erlassung des §18 VwGG) vorgegebenes Kontrollsystem erlaubt keinen wie immer gearteten effektiven Eingriff des kontrollierten Organs in die Funktion des Kontrollierenden; eine solche Annahme bedeutete nämlich geradezu eine Umkehrung der Kontrollrichtung und erwiese sich als schlechthin systemwidrig; sie kann auch nicht durch historische Ableitungen gerechtfertigt werden.

Dem Verfassungsgesetzgeber kann nicht zugesonnen werden, Art87 Abs2 B-VG in bezug auf den Präsidenten des VwGH anders gemeint zu haben als dahin, ihn bloß als weisungsberechtigtes Organ gegenüber anderen Mitgliedern des VwGH im Bereich der monokratischen Justizverwaltung einzurichten, etwa hinsichtlich seiner Weisungsbefugnis in bezug auf den Präsidialvorstand oder den Leiter des Evidenzbüros; dies trifft sinngemäß aber auch dann zu, wenn er als Dienstbehörde (letzter Instanz) gegenüber dem Personal des Verwaltungsgerichtshofs tätig wird.

Art21 Abs3 B-VG verleiht - gleichsam klarstellend - die Diensthoheit gegenüber den Bediensteten des Bundes den obersten Organen des Bundes ausschließlich unter dem Vorbehalt, daß das B-VG nicht anderes bestimmt; unter den hier bezogenen abweichenden Anordnungen sind nicht bloß vom Einflußbereich eines Ressortministers explizit ausnehmende Vorschriften zu verstehen (vgl. Art30 Abs3 bis Abs6, Art125 sowie Art148h Abs1 und Abs2 B-VG), sondern auch solche Anordnungen, die sich - wie in Ansehung des Präsidenten des VwGH - aus dem verfassungsmäßig festgelegten Kontrollsystem des B-VG bezüglich der gesamten öffentlichen Verwaltung als notwendig vorausgesetzt ergeben.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Dienstrecht, Berufungskommission, Grundprinzipien der Verfassung, Oberste Organe der Vollziehung, Verwaltungsgerichtshof Organisation, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G19.1999

Dokumentnummer

JFR_09999690_99G00019_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten