TE Vfgh Erkenntnis 2008/9/23 B1858/07

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2008
beobachten
merken

Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
  1. B-VG Art. 144 heute
  2. B-VG Art. 144 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  5. B-VG Art. 144 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  6. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 296/1984
  7. B-VG Art. 144 gültig von 01.08.1981 bis 31.07.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 350/1981
  8. B-VG Art. 144 gültig von 01.07.1976 bis 31.07.1981 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  9. B-VG Art. 144 gültig von 25.12.1946 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 144 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 144 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein 1960 geborener türkischer Staatsangehöriger, beantragte am 20. Oktober 2005 die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Jeglicher Aufenthaltszweck, §13 Abs2 FrG". Da der Antrag Ausführungen zum Vorliegen humanitärer Gründe enthielt, wurde er als Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" aus humanitären Gründen gemäß §73 Abs2 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (im Folgenden: NAG) gewertet. Dieser Antrag wurde mit im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich erlassenen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 22. November 2007 zurückgewiesen. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen nur von Amts wegen erteilt werden können.römisch eins. 1. Der Beschwerdeführer, ein 1960 geborener türkischer Staatsangehöriger, beantragte am 20. Oktober 2005 die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Jeglicher Aufenthaltszweck, §13 Abs2 FrG". Da der Antrag Ausführungen zum Vorliegen humanitärer Gründe enthielt, wurde er als Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" aus humanitären Gründen gemäß §73 Abs2 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (im Folgenden: NAG) gewertet. Dieser Antrag wurde mit im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich erlassenen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 22. November 2007 zurückgewiesen. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen nur von Amts wegen erteilt werden können.

2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. August 2007 abgewiesen, weil die Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß dem Wortlaut des §73 Abs2 NAG gesetzlich nicht vorgesehen sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des verfassungswidrigen §73 NAG sowie die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassicher Diskriminierung, BGBl. 390/1973, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird. 3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des verfassungswidrigen §73 NAG sowie die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassicher Diskriminierung, Bundesgesetzblatt 390 aus 1973,, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattet jedoch keine Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2008 - mit Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G246,247/07 ua., unter anderem die Wortfolge "von Amts wegen" in §73 Abs2 NAG als verfassungswidrig aufgehoben. Der dieses Verfahren einleitende Prüfungsbeschluss wurde am 30. Oktober 2007 im Internet bekannt gemacht.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986); darüber hinaus muss der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes gestellt worden sein (VfGH 15.10.2005, B844/05). Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren vergleiche VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986); darüber hinaus muss der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. römisch II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes gestellt worden sein (VfGH 15.10.2005, B844/05).

3. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 9. Oktober 2007 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren schon anhängig. Da auch das ihr vorausgegangene Verwaltungsverfahren vor Bekanntmachung des Prüfungsbeschlusses, nämlich am 20. Oktober 2005, angestrengt worden ist, ist der ihr zugrunde liegende Fall somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesstelle an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflusst wurde. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.römisch III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B1858.2007

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2008
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten