RS Vfgh 2000/6/15 B1751/99

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 15.06.2000
beobachten
merken

Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir NaturschutzG 1997 §43 Abs3 litb
Tir NaturschutzG 1997 §43 Abs10

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Widerruf einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung zur Errichtung eines Kleinkraftwerks infolge zweimaliger Nichteinhaltung der Pflichtwassermenge; fehlende Beurteilung der Auswirkungen der Tat auf den Naturschutz; gleichheitswidrige Auslegung der anzuwendenden Bestimmung des Tir NaturschutzG 1997

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, dass es als überschießende Reaktion auf ein Fehlverhalten eines Bewilligungsinhabers zu werten und unsachlich ist, unabhängig von Art und Ausmaß eines Fehlverhaltens oder von der Intensität oder Qualität der auf Grund des Verhaltens zu befürchtenden Beeinträchtigung des Naturraums, den Widerruf einer Bewilligung allein an die Tatsache der Übertretung naturschutzrechtlicher Vorschriften zu knüpfen.

Ein schwerwiegender Eingriff in Rechte in Form des Widerrufs einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung - hier zum Betrieb eines Kleinkraftwerkes - ist nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Bewilligungsinhaber ein Verhalten gesetzt hat, das den Interessen des Naturschutzes in einer Weise zuwider läuft, dass diesen Interessen nur durch das Verbot der Ausübung der Bewilligung Rechnung getragen werden kann.

Die Bestimmung des §43 Abs10 Tir NaturschutzG 1997 ist aufgrund des primären Zwecks des Naturschutzes und den angeführten Überlegungen zur Sachlichkeit so auszulegen, dass nicht jede zweimalige Bestrafung wegen Übertretung des Tir NaturschutzG 1997 ausnahmslos zum Widerruf der naturschutzrechtlichen Bewilligung führen muss, sondern dass in Fällen eines schwerwiegenden Eingriffs in Rechte in Form des Widerrufs dieser in Verbindung mit den vom Tir NaturschutzG 1997 verfolgten Zielen gebracht werden muss. Das bloße Anknüpfen des Widerrufs, der einen im Hinblick auf den Wert und Nutzen der Anlage zu großen Vermögenseinbußen der Beschwerdeführer führenden Eingriff darstellt, an das Vorliegen zweier Verwaltungsübertretungen ohne Beurteilung der Auswirkungen der Tat auf den Naturschutz ist unsachlich.

§43 Abs10 Tir NaturschutzG 1997 lässt vor dem Hintergrund des §1 leg. cit. einen flexiblen, einzelfallbezogenen Widerruf einer naturschutzrechtlichen Bewilligung zu, zumal die Wortfolge "wiederholt" die genaue Anzahl der Verwaltungsübertretungen nicht festlegt und die Berücksichtigung der einzelfallbezogenen Umstände möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen diese Bestimmung daher keine Bedenken.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Naturschutz, Strafen, Verwaltungsstrafrecht, Strafbemessung, Wasserrecht, Bewilligung, Bedingungen und Auflagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B1751.1999

Dokumentnummer

JFR_09999385_99B01751_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten