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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Widerruf einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung zur Errichtung eines Kleinkraftwerks infolge zweimaliger Nichteinhaltung der Pflichtwassermenge; fehlende Beurteilung der Auswirkungen der Tat auf den Naturschutz; gleichheitswidrige Auslegung der anzuwendenden Bestimmung des Tir NaturschutzG 1997Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 32.200,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Aus den von der Behörde vorgelegten Akten und den eingebrachten Schriftsätzen ergibt sich folgender Sachverhalt:
1. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. September 1981 wurde den Beschwerdeführern die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung zur Errichtung und zum Betrieb eines Kleinkraftwerks am Niklasbach u.a. unter folgenden Nebenbestimmungen erteilt:
"1. Es ist eine Pflichtwassermenge von 30 Liter pro Sekunde jahresdurchgängig in die Entnahmestrecke abzugeben.
2. Mindestens die genannte Pflichtwassermenge muß als Oberflächenabfluß jederzeit und auf der gesamten Länge der Entnahmestrecke vorhanden und meßbar sein."
Dieselbe Pflichtwassermenge wurde mit wasserrechtlichem Bewilligungsbescheid vom 19. Juni 1981 vom Landeshauptmann von Tirol unter Spruchpunkt I., Bedingung 20, festgelegt.
Da schon kurze Zeit nach Aufnahme des Betriebes des Kleinkraftwerks die vorgeschriebene Pflichtwassermenge nicht jahresdurchgängig ordnungsgemäß abgegeben wurde und die Beschwerdeführer der schriftlichen Aufforderung der Landesregierung (Umweltabteilung) vom 14. November 1984 zur Installation etwaiger Einrichtungen zur Sicherstellung der Abgabe der Pflichtwassermenge keine Folge geleistet haben, wurde ihnen mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 16. April 1985 vorgeschrieben, eine unverschließbare Öffnung in einer näher bezeichneten Größe im oberen Bereich der Schützentafel des Kleinkraftwerks anzubringen. Erst nach Androhung einer Ersatzvornahme durch die Bezirkshauptmannschaft Schwaz wurde die oben beschriebene Öffnung durch die Beschwerdeführer angebracht. In weiterer Folge kam es auf Grund von Hinweisen einer Anrainerin zu einigen Beanstandungen wegen mangelhafter Abgabe der Pflichtwassermenge. Am 23. April 1998 beantragten die Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz die Herabsetzung der Pflichtwassermenge. Die Behörde forderte nach Einholung einer Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Limnologie die Beschwerdeführer auf, weitere Unterlagen zur Beurteilung der Auswirkungen der Herabsetzung der Pflichtwassermenge auf die Gewässerökologie einzureichen, insbesondere eine limnologische Bestandsaufnahme entlang der Entnahmestrecke über den Zeitraum von zwei Jahren. Erst auf Grund dieser Ergebnisse könne ein gewässerökologisches Gutachten eingeholt werden. Dieser Aufforderung sind die Beschwerdeführer nicht nachgekommen.
Am 11. Februar 1998 erließ die Bezirkshauptmannschaft Schwaz gegen beide Beschwerdeführer je ein Straferkenntnis, mit dem sie die Beschwerdeführer schuldig erkannte, Verwaltungsübertretungen gemäß §137 Abs3 litj Wasserrechtsgesetz 1959 (Höchststrafe S 100.000,-) und gemäß §43 Abs3 litb Tiroler Naturschutzgesetz 1997 (im Folgenden TNSchG 1997) (Höchststrafe: S 50.000,-) wegen Nichteinhaltung der Pflichtwassermenge (Abgabe einer Pflichtwassermenge von 22 l/s statt 30 l/s) begangen zu haben und eine Geldstrafe von je S 1.000,-
verhängte. Zu den Angaben der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren, dass auf Grund der Wasserentnahme der Beschneiungsanlage Eggalm und eines Niederwasserstandes - bei einem vom Sachverständigen festgestellten vollen Betrieb der Dotierungseinrichtung - die Wasserschüttung stark beeinträchtigt sei, führte die Behörde aus, dass "ein niedriger Wasserstand bzw. eine niedrige Wasserschüttung den Beschuldigten nicht dazu berechtigt, die Pflichtwassermenge herabzumindern". Mit Strafverfügungen vom 15. April 1999 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Schwaz gegen die Beschwerdeführer weitere Geldstrafen von je S 2.000,- wegen Nichteinhaltung der Pflichtwassermenge (Abgabe von 3 l/s). Die genannten Strafbescheide wurden rechtskräftig.
Auf Grund dieser zweimaligen Bestrafungen wegen Übertretung naturschutzrechtlicher Vorschriften widerrief die Bezirkshauptmannschaft Schwaz mit Bescheid vom 23. Juni 1999 die mit Bescheid vom 15. September 1981 erteilte naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung zur Errichtung eines Kleinkraftwerks am Niklasbach gemäß §43 Abs10 TNSchG 1997, LGBl. Nr. 33/1997 idF LGBl. Nr. 8/1999.
2. Die Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. September 1999 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer zwei Mal und somit wiederholt im Sinne des §43 Abs10 TNSchG 1997 rechtskräftig wegen Nichteinhaltung der Nebenbestimmung 1 des naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungsbescheids bestraft worden seien.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gegründete Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§43 Abs10 Tiroler Naturschutzgesetz) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Der Widerruf der naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung sei als Strafsanktion unter den konkreten Umständen absolut unverhältnismäßig. Sowohl die Übertretungen als auch der Schaden für die Natur seien geringfügig. Die Beschwerdeführer seien zu den Messungen in den Strafverfahren nicht beigezogen worden. Es sei nicht bewiesen, dass die Beschwerdeführer die nicht ausreichende Pflichtwassermengenabgabe verursacht hätten, vielmehr habe die Beschneiungsanlage der Tuxer Bergbahnen AG, die mit Bescheiden vom 18. Februar 1993 und 30. Mai 1995 wasserrechtlich bewilligt worden sei, den niedrigen Wasserstand mitverursacht. Bei einer verfassungskonformen Interpretation müsste die Wortfolge "wiederholt" des §43 Abs10 TNSchG 1997 dahingehend verstanden werden, dass ein Widerruf der naturschutzrechtlichen Bewilligung erst ab der dritten Übertretung naturschutzrechtlicher Vorschriften überhaupt möglich sei. Der Widerruf käme einer entschädigungslosen Enteignung hinsichtlich einer Stromversorgungsanlage, deren Errichtung und Instandhaltung bereits Anfang der 80-iger Jahre ca. S 5 Mio gekostet habe, gleich.
4. Die Tiroler Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung bzw. Ablehnung der Beschwerde beantragt und unter anderem vorbringt, dass es bereits in den Erläuternden Bemerkungen zum Tiroler Naturschutzgesetz 1975 zu §38 Abs9, der eine ähnlich lautende Widerrufsbestimmung enthalten habe, heiße, dass der Widerruf einer Bewilligung keine Strafe sei, sondern nur verhindern solle, dass naturschutzrechtliche Bewilligungen in einer nicht dem Gesetz entsprechenden Weise von Personen ausgeübt würden. Weiters sei unter "wiederholt", im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführer, mindestens zweimal zu verstehen (vgl. VwGH vom 12. März 1991, 90/07/0127, zu §27 Abs4 WRG). Derartige Regelungen, die parallel zu den entsprechenden Strafbestimmungen auch den Verlust von Berechtigungen vorsehen, seien auch in anderen Bereichen der österreichischen Rechtsordnung enthalten (§§24 ff Führerscheingesetz, §27 Abs4 WRG). Sie seien als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden.
5. Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz legte nach Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof die Akten zu den Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der §§43 Abs3 litb TNSchG 1997 und 137 Abs3 litj Wasserrechtsgesetz 1959 vor.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
2. Die §§1 und 43 Abs10 TNSchG 1997, LGBl. Nr. 33/1997 idF LGBl. Nr. 8/1999 lauten:
"§1
Allgemeine Grundsätze
(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, daß
a)
ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
b)
ihr Erholungswert,
c)
der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und
d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt
bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet oder durch den Menschen gestaltet wurde. Der ökologisch orientierten land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, daß ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.
(2) Sofern Vorhaben, die sich auf die Interessen des Naturschutzes im Sinne des Abs1 nachteilig auswirken, nach den naturschutzrechtlichen Vorschriften zulässig sind, müssen sie so ausgeführt werden, daß die Natur möglichst wenig beeinträchtigt wird.
(3) Die Behörden haben bei der Besorgung von Aufgaben, die ihnen nach landesrechtlichen Vorschriften obliegen, auf die Erhaltung und Pflege der Natur Bedacht zu nehmen.
(...)
§43
Strafbestimmungen
(...)
(10) Naturschutzrechtliche Bewilligungen sind zu widerrufen, wenn der Inhaber einer solchen Bewilligung wiederholt wegen einer Übertretung naturschutzrechtlicher Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist oder eine Bestrafung nur nach §45 Abs1 Z. 3 VStG unterblieben ist und die Ausübung der Bewilligung die Begehung dieser Verwaltungsübertretungen ermöglicht oder erleichtert hat."
3. Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, dass es als überschießende Reaktion auf ein Fehlverhalten eines Bewilligungsinhabers zu werten und unsachlich ist, unabhängig von Art und Ausmaß eines Fehlverhaltens oder von der Intensität oder Qualität der auf Grund des Verhaltens zu befürchtenden Beeinträchtigung des Naturraums, den Widerruf einer Bewilligung allein an die Tatsache der Übertretung naturschutzrechtlicher Vorschriften zu knüpfen, also auch an ein Fehlverhaltens geringen Ausmaßes (vgl. §19 Abs1 VStG - Grundlage für die Strafbemessung ist unter anderem das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung) oder ein Verhalten, das zu keiner Beeinträchtigung des schützenswerten Naturraums geführt hat. Der Verfassungsgerichtshof geht angesichts des dem §43 Abs10 TNSchG 1997 zugrundeliegenden Zwecks der Sicherung der Erhaltung und Pflege der Natur davon aus, dass ein schwerwiegender Eingriff in Rechte in Form des Widerrufs einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung - hier zum Betrieb eines Kleinkraftwerkes - nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn der Bewilligungsinhaber ein Verhalten gesetzt hat, das den Interessen des Naturschutzes in einer Weise zuwider läuft, dass diesen Interessen nur durch das Verbot der Ausübung der Bewilligung Rechnung getragen werden kann.
Denn §43 Abs10 TNSchG 1997 ist im Zusammenhang mit den im §1 leg. cit. normierten Allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes zu betrachten. Gemäß §1 Abs2 leg. cit. müssen Vorhaben, die sich auf Interessen des Naturschutzes nachteilig auswirken, sofern sie nach den naturschutzrechtlichen Vorschriften zulässig sind, so ausgeführt werden, dass die Natur möglichst wenig beeinträchtigt wird. Vor dem Hintergrund dieser Bestimmung erhellt, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine Bewilligung zu widerrufen ist, die einem Bewilligungsinhaber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen einerseits mit dem Betrieb der naturschutzbehördlich bewilligten Anlage und andererseits mit den durch die Verwaltungsübertretungen bewirkten Auswirkungen auf die Natur in Beziehung zu setzen sind. Daher berechtigt die wiederholte Bestrafung wegen der Übertretung einer naturschutzrechtlichen Vorschrift die Behörde nur dann zum Widerruf der Bewilligung, wenn die dem Bewilligungsinhaber zur Last gelegten Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung der Bewilligung begangen wurden und zu einer (gegenüber dem Bewilligungsmaß) höheren Beeinträchtigung der Natur geführt haben, wobei die Intensität des Eingriffs in die Rechte des Bewilligungsinhabers gegen jene der Beeinträchtigung der Natur abzuwägen ist.
4. In diesem Zusammenhang verweist der Verfassungsgerichtshof auf das Erkenntnis VfSlg. 15.216/1998, in dem er eine Wortfolge des §28b Abs2 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975, idF des ArtI Z6 des Antimißbrauchsgesetzes, BGBl. Nr. 895/1995, aufgehoben hat, da er es als gleichheitswidrig erachtete, dass eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für öffentliche Aufträge infolge zweimaliger Bestrafung des Unternehmensinhabers bzw. Vertretungsbefugten oder Beauftragten wegen illegaler Ausländerbeschäftigung aufgrund des damit verbundenen zwingenden Ausscheidens des Unternehmens als unzuverlässig im Verfahren der Zuschlagserteilung nach dem Bundesvergabegesetz versagt wurde, ohne dass dem betroffenen Unternehmen im Verfahren zur Erlangung der Unbedenklichkeitsbescheinigung die Möglichkeit eingeräumt wurde, seine Zuverlässigkeit trotz der Bestrafungen darzutun.
Im vorliegenden Fall knüpft weder die Erteilung der Bewilligung noch der Widerruf an das Vorliegen der Zuverlässigkeit des Inhabers einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung an. Der Widerruf dient jedoch - wie oben ausgeführt - dem dahinter liegenden Zweck des Naturschutzes.
5. Die Beschwerdeführer bringen vor, dass keine Beeinträchtigung der Natur oder des Menschen festgestellt worden sei - es handle sich bei der Entnahmestelle um ein steingemauertes Bachbett. Dem tritt die belangte Behörde - abgesehen von Aussagen zur Vernichtung der "Gewässerlebewelt" bei mangelhafter Abgabe der Pflichtwassermenge im allgemeinen, die sie verabsäumt, fallbezogen zu konkretisieren - nicht entgegen. Bei den Verwaltungsübertretungen, die zum Widerruf geführt haben, handelt es sich um Ungehorsamsdelikte, bei denen es lediglich auf die Verwirklichung eines Tatbildes und nicht auf den Erfolg, nämlich die Beeinträchtigung der Natur, ankommt. Auch die Höhe der Geldstrafen bringt den geringen Unrechtsgehalt zum Ausdruck. Wenn sich die belangte Behörde darauf beruft, dass das auf Antrag der Beschwerdeführer eingeleitete Verfahren auf Herabsetzung der Pflichtwassermenge nicht weiter geführt wurde, da die Beschwerdeführer die von der Behörde geforderten Unterlagen nicht beigebracht haben, so ist ihr zu entgegnen, dass im Hinblick auf den auch das Verwaltungsverfahren nach dem Tiroler Naturschutzgesetz beherrschenden Grundsatz der Amtswegigkeit, es Aufgabe der Behörde gewesen wäre, zur Durchführung einer limnologisch-chemischen Bestandsaufnahme entlang der Entnahmestrecke über einen Zeitraum von zwei Jahren ein Sachverständigengutachten einzuholen, vor allem dann, wenn die von der Behörde geforderten Unterlagen keine projektbezogenen Unterlagen, zu deren Vorlage die Beschwerdeführer herangezogen werden könnten (vgl. VwGH vom 20. Dezember 1999, 99/10/0229, betreffend den Umfang, in dem ein Antragsteller auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung sein Ansuchen mit Unterlagen ausstatten muss, §41 Abs2 TNSchG 1997), darstellen.
Die Behörde ist auch nicht der Frage nachgegangen, ob Bewilligungen zur Wasserentnahme vom Niklasbach (z.B. der Beschneiungsanlage Eggalm) die jahresdurchgängige, bescheidkonforme Abgabe der Pflichtwassermenge nahezu unmöglich machen. Auch in den Straferkenntnissen wurde festgestellt, dass die Dotierungseinrichtung voll im Betrieb und nicht verstopft gewesen sei. Nachdem die Art der Dotierungseinrichtung naturschutzbehördlich in dieser Größe mit Bescheid vom 16. April 1985 vorgeschrieben worden ist - in der Annahme, dass sie zur Abgabe der vorgeschriebenen Pflichtwassermenge ausreichend sei - scheint es nicht ausgeschlossen, dass sich der Wasserstand des Niklasbaches seit der Erteilung der Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb eines Kleinkraftwerks durch später zusätzlich bewilligte Entnahmen geändert hat. Zumindest hätte sich die Behörde mit diesem Vorbringen in ihrem Bescheid näher auseinandersetzen müssen.
Dem Argument der Landesregierung, dass auch parallel zu anderen Strafbestimmungen der Verlust von Berechtigungen vorgesehen sei, ist zu entgegnen, dass diese Bestimmungen mit §43 Abs10 TNSchG 1997 deshalb nicht vergleichbar sind, weil sie nicht bloß an die Tatsache der Begehung einer Verwaltungsübertretung, sondern an weitere Voraussetzungen (etwa §24 Führerscheingesetz: "..entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ..."; §27 Abs4 WRG: "die Behörde hat eine Bewilligung zu entziehen, wenn ungeachtet wiederholter Mahnung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen ...") anknüpfen.
6. Erlaubt eine Regelung mehrere Interpretationen, dann ist jener Interpretation der Vorzug zu geben, die die Bestimmung als verfassungskonform erscheinen lässt (vgl. VfSlg. 11.466/1987, 12.776/1991). Die Bestimmung des §43 Abs10 TNSchG 1997 ist aufgrund des primären Zwecks des Naturschutzes und den angeführten Überlegungen zur Sachlichkeit so auszulegen, dass nicht jede zweimalige Bestrafung wegen Übertretung des TNSchG 1997 ausnahmslos zum Widerruf der naturschutzrechtlichen Bewilligung führen muss, sondern dass in Fällen eines schwerwiegenden Eingriffs in Rechte in Form des Widerrufs dieser in Verbindung mit den vom TNSchG 1997 verfolgten Zielen gebracht werden muss. Das bloße Anknüpfen des Widerrufs, der einen im Hinblick auf den Wert und Nutzen der Anlage zu großen Vermögenseinbußen der Beschwerdeführer führenden Eingriff darstellt, an das Vorliegen zweier Verwaltungsübertretungen ohne Beurteilung der Auswirkungen der Tat auf den Naturschutz ist unsachlich.
Der Wortlaut des §43 Abs10 TNSchG 1997 schließt eine verfassungskonforme Interpretation nicht aus. §43 Abs10 TNSchG 1997 lässt vor dem Hintergrund des §1 leg. cit. einen flexiblen, einzelfallbezogenen Widerruf einer naturschutzrechtlichen Bewilligung zu, zumal die Wortfolge "wiederholt" die genaue Anzahl der Verwaltungsübertretungen nicht festlegt und die Berücksichtigung der einzelfallbezogenen Umstände möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen diese Bestimmung daher keine Bedenken.
7. Da die belangte Behörde von einem sachlich nicht begründbaren und daher auch gleichheitswidrigen Verständnis der zitierten Gesetzesstelle ausgegangen ist, hat sie die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
8. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind Streitgenossenzuschlag in der Höhe von
S 2.250,-, Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.950,- und eine Eingabengebühr in der Höhe von S 2.500,- enthalten.
9. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Naturschutz, Strafen, Verwaltungsstrafrecht, Strafbemessung, Wasserrecht, Bewilligung, Bedingungen und AuflagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B1751.1999Dokumentnummer
JFT_09999385_99B01751_00