RS Vfgh 2000/10/9 B1824/99

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Veröffentlicht am 09.10.2000
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art20 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
B-VG Art15a
StGG Art5
ABGB §1042
ABGB §1333
Sbg KAG 1975 §40
Sbg KAG 1975 §63
Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art15a Abs1 B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000, BGBl I 111/1997

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verpflichtung des Sbg Krankenanstalten-Finanzierungsfonds (SAKRAF) zum Ersatz der - der Sbg Gebietskrankenkasse für die Behandlung von sozialversicherten Dialysepatienten in einem privaten Ambulatorium entstandenen - Kosten; keine Bedenken gegen die Einrichtung der Schiedskommission gemäß Sbg KAG 1975 als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge Zuständigkeit der Schiedskommission zur Entscheidung über Streitigkeiten zwischen einem Krankenversicherungsträger und dem beschwerdeführenden Fonds über die wechselseitigen Verpflichtungen und Ansprüche; keine unmittelbare Wirksamkeit eines Gliedstaatsvertrages über die Krankenanstaltenfinanzierung; Anspruch der Gebietskrankenkasse auf Aufwandersatz gemäß ABGB sowie auf Zahlung von Verzugszinsen ab Rechtskraft des Bescheides

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §63 Sbg KAG 1975 über die Einrichtung der Schiedskommission.

Gemäß §63 Abs4 zweiter Satz Sbg KAG 1975 unterliegen die Entscheidungen der Schiedskommission "keinem administrativen Rechtszug". Bereits nach herkömmlichem Verständnis kann diese Wendung nur die Bedeutung haben, daß mit der Anrufung der Schiedskommission gemäß §63 Sbg KAG 1975 der administrative Instanzenzug erschöpft ist. Daraus folgt gleichzeitig, daß die Schiedskommission zur Entscheidung "in oberster Instanz" berufen ist.

Bei der Schiedskommission gemäß §63 Sbg KAG 1975 handelt es sich somit um eine verfassungsmäßig eingerichtete weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag. An diesem Ergebnis vermag auch nichts zu ändern, daß es offenkundig für notwendig erachtet worden ist, die Weisungsfreistellung jenes Mitglieds der Schiedskommission, das aus dem Kreis der aktiven Landesbediensteten entnommen ist, durch eine (Landes-)Verfassungsbestimmung zu bekräftigen; im Lichte des Art20 Abs2 B-VG hätte es einer solchen Bestimmung nämlich nicht bedurft, uzw weder für die Weisungsfreistellung dieses Mitglieds - sofern es sich in Ausübung seines Amtes befindet - noch für die der Kollegialbehörde überhaupt (vgl bereits VfSlg 2907/1955, 3506/1959).

Die Schiedskommission gemäß §63 Sbg KAG 1975 ist, anders als die Telekom-Control-Kommission in dem VfSlg 15427/1999 zugrunde liegenden Fall, nicht mit Aufgaben der Verwaltungsführung betraut, sondern sie fungiert als Schiedsinstanz. In dieser quasigerichtlichen Funktion wirft die Einrichtung von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken auf.

Keine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Gemäß §63 Abs1 Z3 Sbg KAG 1975 idF LGBl 46/1998 ist die belangte Schiedskommission ua zur Entscheidung über Streitigkeiten zwischen einem Krankenversicherungsträger und dem beschwerdeführenden Sbg Krankenanstalten-Finanzierungsfonds über die wechselseitigen Verpflichtungen und Ansprüche aus der Art15a B-VG-Vereinbarung berufen.

In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verfahren hatte die belangte Behörde über einen von der Gebietskrankenkasse gegen den beschwerdeführenden Fonds erhobenen Anspruch auf Aufwandersatz zu entscheiden. Anders als der beschwerdeführende Fonds vermeint, ist es völlig unerheblich, daß die von der Gebietskrankenkasse aufgewendeten Beträge nicht dem beschwerdeführenden Fonds, sondern der Feriendialyse Zell am See GmbH, somit einem privatrechtlich organisierten Unternehmen als Rechtsträger einer Nichtfondskrankenanstalt, zugeflossen sind. Es kommt nämlich allein darauf an, daß die Gebietskrankenkasse durch den Abschluß einer Vereinbarung mit der Feriendialyse Zell am See GmbH eine Verpflichtung übernommen hat, zu deren Erfüllung der beschwerdeführende Fonds verpflichtet gewesen wäre, sodaß es diesem obliegt, Aufwandersatz zu leisten.

Gliedstaatsverträge gemäß Art15a B-VG können als solche nur die vertragschließenden Teile berechtigen und verpflichten. Ohne entsprechenden Transformationsakt, der das ausschließlich zwischen dem Bund und den Bundesländern geltende Vertragsrecht in Recht umwandelt, das (auch) den Normunterworfenen berechtigt und verpflichtet, vermag eine solche Vereinbarung für den einzelnen keine Rechtswirkungen zu entfalten (s VfSlg 9581/1982, S 428; ferner VfSlg 14146/1995).

Es begründet keine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, wenn die Behörde es unterläßt, im angefochtenen Bescheid die angewendete Gesetzesbestimmung anzuführen, sofern nur eine gesetzliche Deckung des Bescheides überhaupt vorhanden ist.

Die im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführte Bestimmung des Art11 Abs1 der Art15a B-VG-Vereinbarung findet ihre Entsprechung in jener des §40 Abs1 Sbg KAG 1975 idF LGBl 46/1998, mit der die genannte Gliedstaatsvertragsnorm offenkundig transformiert werden sollte. Gemäß §40 Abs1 Sbg KAG 1975 werden bei Fondskrankenanstalten ua durch die vom beschwerdeführenden Fonds erbrachten Leistungen alle Leistungen der allgemeinen Gebührenklasse für jene Patienten abgegolten, für die ein Sozialversicherungsträger leistungspflichtig ist.

Soweit die Gebietskrankenkasse die für die ambulante Dialysebehandlung durch ein privates Ambulatorium notwendigen Kosten vorbehaltlich einer allfälligen späteren Rückerstattung durch den beschwerdeführenden Fonds selbst getragen hat, ist ihr daher gegen den beschwerdeführenden Fonds ein Anspruch auf Aufwandersatz gemäß §1042 ABGB erwachsen (vgl VfSlg 10933/1986). Die belangte Behörde hat es zwar unterlassen, (auch) diese Bestimmung als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid anzuführen; dies kann jedoch, wie zuvor dargetan, nicht als ein in die Verfassungssphäre eingreifender Mangel gewertet werden.

Dem angefochtenen Bescheid ist sowohl in seinem Spruch als auch in seiner Begründung eindeutig zu entnehmen, daß damit eine Entscheidung über das am 01.07.98 gestellte Zahlungsbegehren gefällt wird. Allein die Höhe dieses Zahlungsbegehrens ist im Verlauf des Verfahrens nachjustiert worden.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Festlegung, es seien vom zuerkannten Betrag 4 vH Zinsen zu entrichten, gründet sich offenkundig auf §1333 ABGB iVm §2 des Gesetzes vom 14.06.68, RGBl 62 (vgl VfSlg 322/1924, 5789/1968). Auch bei einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis sind, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, Verzugszinsen zu entrichten, uzw ab jenem Zeitpunkt, in dem der Schuldner des Aufwandersatzes sich in Verzug befindet (vgl VfSlg 3909/1961, 5079/1965, 12197/1989, 13737/1994 mwN). Der angefochtene Bescheid entbehrt daher auch insoweit nicht der gesetzlichen Grundlage; er ist dahin zu verstehen, daß Zinsen ab Rechtskraft des Bescheides zu entrichten seien.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Bescheid Spruch, Krankenanstalten, Kostenersatz, Aufwandersatz, Sozialversicherung, Vereinbarungen nach Art15a B-VG, Anwendbarkeit Vereinbarung nach Art15a B-VG, VfGH / Prüfungsmaßstab, Zivilrecht, Zinsen, Privatrecht - öffentliches Recht, Kollegialbehörde, Transformation (von Vereinbarungen nach Art15a B-VG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B1824.1999

Dokumentnummer

JFR_09998991_99B01824_2_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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