TE Vfgh Beschluss 2005/6/13 G172/04

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Veröffentlicht am 13.06.2005
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967, Führerscheingesetz

Norm

KFG 1967 §109 Abs1
VfGG §62 Abs1 erster Satz

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags eines UVS auf Aufhebung einer Bestimmung des KFG 1967 mangels eines ausreichend bestimmten Aufhebungsbegehrens infolge Fehlens der Nennung einer konkreten Fassung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im Folgenden: UVS) stellt aus Anlass eines bei ihm anhängigen Berufungsverfahrens gemäß Art140 Abs1 iVm. Art129a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG den Antrag, "der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge 'nur natürliche Personen und' im §109 Abs1 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, als verfassungswidrig aufheben".

2. §109 Abs1 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, idF des BG BGBl. I Nr. 80/2002, lautet (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§109. Persönliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrschulbewilligung

(1) Eine Fahrschulbewilligung (§108 Abs3) darf nur natürlichen Personen und nur Personen erteilt werden, die

a) österreichische Staatsbürger sind und das 27. Lebensjahr vollendet haben, wobei Angehörige einer Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind,

b) vertrauenswürdig sind,

c) die Leistungsfähigkeit der Fahrschule gewährleisten können,

d) auch im Hinblick auf die Lage ihres Hauptwohnsitzes die unmittelbare persönliche Leitung der Fahrschule erwarten lassen,

e) das Diplom der Fakultät für Maschinenbau oder für Elektrotechnik einer österreichischen Technischen Universität oder das Diplom einer Fachhochschule für Maschinenbau oder für Elektrotechnik besitzen oder die Reifeprüfung an einer österreichischen Höheren technischen Lehranstalt maschinen-oder elektrotechnischer Richtung erfolgreich bestanden haben,

f) eine Fahrschullehrerberechtigung (§116) für die in Betracht kommenden Klassen oder Unterklassen von Kraftfahrzeugen besitzen,

g) seit mindestens drei Jahren eine Lenkberechtigung für die Klassen oder Unterklassen von Kraftfahrzeugen besitzen für die Lenker ausgebildet werden sollen und glaubhaft machen, dass sie mindestens ein Jahr lang Fahrzeuge dieser Klassen tatsächlich gelenkt haben und je ein Lehrplanseminar pro Klasse bei den zur Ausbildung von Fahrschullehrern ermächtigten Einrichtungen absolviert haben. Dieses Lehrplanseminar ist nicht erforderlich bei Personen, die bereits über eine Fahrpraxis von mindestens drei Jahren mit solchen Fahrzeugen verfügen. Sie dürfen nicht wegen schwerer Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften bestraft worden sein. Bei Bewerbern um eine Fahrschulbewilligung für die Klasse D ist jedoch nur eine Lenkpraxis mit Fahrzeugen der Klasse C, sofern sie nicht auch in eine andere Klasse oder Unterklasse fallen, erforderlich,

h) glaubhaft machen, daß sie innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens fünf Jahre, für Besitzer eines in der lite angeführten Diplome drei Jahre lang als Fahrschullehrer die für das Ausbilden von Lenkern erforderlichen Erfahrungen auf dem Gebiete des Kraftfahrwesens erworben haben, und die

i) die erfolgreiche Absolvierung eines Unternehmerseminares im Ausmaß von mindestens 160 Stunden nachweisen; dies gilt jedoch nicht für Personen, die die Reifeprüfung an einer Handelsakademie erfolgreich abgelegt haben, oder die über ein Diplom der Wirtschaftsuniversität verfügen, oder die die Unternehmerprüfung in einem anderen Gewerbebereich erfolgreich abgelegt haben; und die

j) noch keine Fahrschulbewilligung besitzen; dies gilt nicht für die Ausdehnung auf weitere Klassen oder Unterklassen am genehmigten Standort."

3. Dem Verfahren vor dem UVS liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Schreiben vom 2. August 2004 beantragte die C[...] D[...] GmbH beim Bürgermeister der Stadt Wels die Erteilung einer Fahrschulbewilligung. Mit Bescheid vom 23. August 2004 wies dieser den Antrag mit der Begründung, dass eine Fahrschulbewilligung gemäß §109 Abs1 KFG 1967 nur natürlichen Personen erteilt werden dürfe, ab. Da es sich bei der Antragstellerin um eine juristische Person handle, sei die Bewilligung zu versagen.

4. Der UVS äußert in seinem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit "der Wortfolge 'nur natürliche Personen und' im §109 Abs1 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967," im Hinblick auf die Freiheit der Erwerbsausübung gemäß Art6 StGG und auf den Gleichheitssatz gemäß Art7 B-VG. Begründend führt er aus, dass die Beschränkung der Erteilung von Fahrschulbewilligungen ausschließlich auf natürliche Personen den Betrieb einer Fahrschule durch eine juristische Person völlig ausschließe. Die dadurch bewirkte Beschränkung der Erwerbsfreiheit sei nicht geeignet, das öffentliche Interesse an einer hohen Qualität der Führerscheinausbildung zu erreichen. Außerdem sei die Regelung unsachlich, weil sie im Widerspruch zur Liberalisierung des Wirtschaftslebens stehe.

5. Die Bundesregierung erstattete eine Gegenschrift in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge den Gesetzesprüfungsantrag des UVS wegen Fehlens der Voraussetzungen des §62 Abs1 VfGG als unzulässig zurückweisen. In eventu stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge den Gesetzesprüfungsantrag des UVS hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes gegen Art7 B-VG wegen Fehlens der Voraussetzungen des §62 Abs1 VfGG zurückweisen, hinsichtlich der sonstigen Beschwerdepunkte hingegen aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben werde. In eventu stellt die Bundesregierung weiters den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben werde.

II. Der Antrag ist unzulässig:

1. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG muss ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das - nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige - Gesetz seinem gesamten Inhalt oder in bestimmten Stellen aufzuheben.

Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG zu erfüllen, muss - wie der Verfassungsgerichtshof in vielen Beschlüssen (zB VfSlg. 11888/1988, 12062/1989, 12263/1990, 14040/1995, 14634/1996) entschieden hat - die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (VfSlg. 12062/1989, 12487/1990, 14040/1995, 16340/2001). Ein Antrag, der die konkrete Fassung der zur Aufhebung begehrten Norm nicht nennt, erfüllt das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG nicht. Es ist dem Verfassungsgerichtshof nämlich verwehrt, Gesetzesbestimmungen aufgrund bloßer Vermutungen, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird, zu prüfen und im Fall des Zutreffens der geltend gemachten Bedenken aufzuheben (vgl. dazu VfSlg. 11802/1988, 14261/1995, 14634/1996, 15962/2000).

Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, dass die angefochtene Stelle seit 1967 unverändert geblieben ist, jedoch hat sich mit der Novellierung des Gesetzes der Kontext geändert. Der Gerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass die Novellierung eines Gesetzes gleichzeitig auch die Neuerlassung des alten - vom Novellentext nicht erfassten - Gesetzestextes bedeutet (zB VfSlg. 15671/1999); freilich nur insoweit, als die Bestimmungen der Novelle ohne den bestehenden Gesetzestext nicht vollziehbar sind und somit zwischen dem bestehenden Gesetzestext und der Novelle ein untrennbarer Zusammenhang besteht (VfSlg. 3685/1960, 4838/1964, 5996/1969, 15671/1999; vgl. Mayer, Staatsmonopole (1976) 54; vgl. auch die Darstellung bei Grabenwarter, ZfV 1990, 146f.).

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass anderseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 13965/1994 mwN, 16542/2002, 16911/2003).

2. Das Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt:

Der Antrag des UVS enthält keine bestimmte Bezeichnung der Gesetzesstelle, deren Aufhebung begehrt wird. Es bleibt offen, welche Fassung der in Rede stehenden Gesetzesstelle der UVS zu bekämpfen beabsichtigt. Der Antrag enthält lediglich das Begehren, "die Wortfolge 'nur natürliche Personen und' im §109 Abs1 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967," als verfassungswidrig aufzuheben. Der in Rede stehende §109 KFG 1967 steht aber nicht seit 1967 unverändert in Geltung, die geltende Fassung ist jene gemäß des BG BGBl. I Nr. 80/2002. Eine dem Antrag entsprechend formulierte Gesetzesaufhebung kommt angesichts dieser Unbestimmtheit nicht in Betracht.

Das Fehlen eines ausreichend bestimmten Aufhebungsbegehrens ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes einer Verbesserung nicht zugänglich (zB VfSlg. 12487/1990, 15962/2000).

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag nicht auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

3. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Kraftfahrrecht, Ausbildung von Kfz-Lenkern, VfGH / Formerfordernisse, Fahrschulen, Novellierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G172.2004

Dokumentnummer

JFT_09949387_04G00172_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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