TE Vfgh Erkenntnis 2008/9/25 B1605/06

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Veröffentlicht am 25.09.2008
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit € 2.340,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zuhanden ihrer Rechtsvertreter zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit dem angefochtenen (im Hinblick auf die

Rechtsmittelbelehrung berichtigten) Bescheid wies der Landesvorstand der Kärntner Jägerschaft den auf §37 Abs7 litb des Kärntner Jagdgesetzes 2000 - K-JG, LGBl. 21, gestützten Antrag der Beschwerdeführerin auf Anerkennung der Gleichwertigkeit der von ihr an der Universität für Bodenkultur Wien abgelegten Prüfungen im Hinblick auf den nach §37 Abs6 leg.cit. zu erbringenden Nachweis der jagdlichen Eignung ab.

1.2. Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid nach Wiedergabe des §37 Abs6 und 7 litb K-JG und des §5 der "Verordnung des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft vom 4. November 2004, Zahl: JPRG / 75 / 1 / 2004, mit welcher die Prüfungsordnung für die Prüfung zum Nachweis der jagdlichen Eignung (Jagdprüfung) sowie die Formulare für das Ansuchen um Zulassung zur Prüfung, die Prüfungsniederschrift und die Prüfungszeugnisse erlassen werden" im Wesentlichen wie folgt:

"Eine inhaltliche Prüfung der von der Antragswerberin an der Universität für Bodenkultur abgelegten Prüfungsgegenstände ergibt, dass diese im Hinblick auf die nach §36 [gemeint wohl: §37] Abs6 K-JG 2000 geforderten Kenntnisse keine vergleichbare Ausbildung vermitteln und aus den im Folgenden dargelegten Gründen nicht als gleichwertig anzusehen sind:

Zwar hat die Antragswerberin die Vorlesungen 'Forst-, Jagd-, Fischereirecht', 'Recht: Forst, Boden, Jagd, Wasser, Umwelt', 'Jagdbetriebslehre', 'Grundlagen der Ökologie', 'Wildökologie und Jagdwirtschaft' sowie die Übung 'Jagdbetriebslehre', erfolgreich absolviert, es fehlt aber der Nachweis der erfolgreichen Absolvierung der Lehrveranstaltung 'Wildbiologie und Jagdbetrieb', welche als Vorlesung Teil der jagdlichen Ausbildung an der Universität für Bodenkultur und somit eine der Grundlagen für die Anerkennung der Gleichwertigkeit - übrigens auch in anderen österreichischen Bundesländern - darstellt.

...

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass auch die Nachweise der Absolvierung der Lehrveranstaltung 'Wildbestimmungsübung' (Übung und Exkursion), die üblicherweise von Antragstellern zur Anerkennung der Gleichwertigkeit von Prüfungszeugnissen der Universität für Bodenkultur Wien erbracht wird und für eine Anerkennung der Gleichwertigkeit erforderlich ist, fehlen.

Die von der Antragswerberin absolvierten Prüfungsgegenstände vermitteln daher aus oben dargelegten Gründen keine im Hinblick auf die Kenntnisse nach §36 [gemeint wohl: §37] Abs6 K-JG 2000 vergleichbare Ausbildung und machen eine Anerkennung der Gleichwertigkeit unmöglich.

Aufgrund gegebener Sach- und Rechtslage können daher die von der Antragswerberin an der Universität für Bodenkultur absolvierten Prüfungen nicht als gleichwertig anerkannt werden."

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Dieser Bescheid ist im eigenen Wirkungsbereich der Kärntner Jägerschaft ergangen und unterliegt keinem weiteren Rechtszug, weil §91 K-JG nur im übertragenen Wirkungsbereich einen Instanzenzug an die Kärntner Landesregierung vorsieht (siehe dazu auch die Erläuterungen zur Novelle LGBl. 7/2004, Z -2V-LG-543/84-2003, S 6: "In den Angelegenheiten, die von der Kärntner Jägerschaft im übertragenen Wirkungsbereich wahrzunehmen sein sollen, wird ein Berufungsrecht an die Landesregierung vorgesehen.", und aaO, S 48). Die Beschwerdeführerin behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

2.2. Auf das Wesentliche zusammengefasst, sei das K-JG insofern verfassungswidrig, "als es gegen die Entscheidung des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft über die Anerkennung der Gleichwertigkeit von abgelegten Prüfungen an der Universität für Bodenkultur Wien - wie auch an anderen Bildungseinrichtungen - kein Rechtsmittel [vorsehe]."

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstatte eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Über Einladung des Verfassungsgerichtshofes erstattete der Verfassungsdienst des Amtes der Kärntner Landesregierung eine Stellungnahme zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des §81 Abs1 litd iVm §37 Abs7 litb K-JG im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Grenzen der Hoheitsverwaltung im eigenen Wirkungsbereich einer Selbstverwaltungskörperschaft.

II. 1. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", der Landesvorstand der Kärntner Jägerschaft die Gleichwertigkeit der Prüfung anerkannt hat" in §37 Abs7 litb und gegen §81 Abs1a des Kärntner Jagdgesetzes 2000 - K-JG, LGBl. 21 idF LGBl. 7/2004, entstanden. Diese haben ihn veranlasst, diese Vorschriften mit Beschluss vom 9. Oktober 2007 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen in Prüfung zu ziehen.

Mit Erkenntnis vom 25. September 2008, G10/08, wurde ausgesprochen, dass die Wortfolge ", der Landesvorstand der Kärntner Jägerschaft die Gleichwertigkeit der Prüfung anerkannt hat" in §37 Abs7 litb des Kärntner Jagdgesetzes 2000 - K-JG, LGBl. 21 idF LGBl. 7/2004, als verfassungswidrig aufgehoben wird.

2. Die Entscheidung über die Beschwerde hat gemäß Art140 Abs7 B-VG nach der bereinigten Rechtslage zu erfolgen:

2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

2.2. Durch die Aufhebung der zuvor genannten Wortfolge in §37 Abs7 litb K-JG wurde die Zuständigkeit des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft zur Entscheidung über die Anerkennung der Gleichwertigkeit von an der Universität für Bodenkultur Wien abgelegten Prüfungen beseitigt.

Der Landesvorstand hat somit vor dem Hintergrund der bereinigten Rechtslage durch die Erlassung des angefochtenen Bescheides eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen und damit die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B1605.2006

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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