RS Vfgh 2002/6/27 G93/01

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 27.06.2002
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art137
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
BVG-Rundfunk ArtI Abs2
ORF-G §31 Abs3
RundfunkG §20 Abs3 idF Art1 BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags des ORF auf Aufhebung des Entfalls der Abgeltungsregelung bei Gebührenbefreiung aufgrund rechtlicher Betroffenheit wegen Beseitigung des Rechtsanspruchs des ORF gegen den Bund; zulässiger Anfechtungsumfang; keine Gleichheitswidrigkeit der bekämpften Regelung; Spielraum des ORF bei Besorgung seiner gesetzmäßigen Aufgaben zur Minimierung seines Aufwands; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; keine Verletzung der Unabhängigkeit des ORF

Rechtssatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung bzw (aufgrund des ergänzenden Antrages) Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §20 Abs3 RundfunkG idF Art1 BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000, bzw auf Aufhebung des §31 Abs3 ORF-G.

Ausgehend vom Wortlaut des §20 Abs3 dritter Satz RundfunkG idF BGBl I 159/1999 (arg.: "Der ... dem Österreichischen Rundfunk nachweislich entstehende Entfall des Programmentgeltes ist ihm ... vom Bund abzugelten ...") besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Zweifel, dass dem ORF damit ein Rechtsanspruch auf Abgeltung des durch die einschlägigen Befreiungsbestimmungen entstehenden Entfalles an Programmentgelt eingeräumt wurde. Mit den nunmehr bekämpften gesetzlichen Bestimmungen des Art1 BudgetbegleitG 2001 und des §31 Abs3 ORF-G wurde dieser Rechtsanspruch wiederum beseitigt.

Zulässiger Anfechtungsumfang.

Gegenstand des Antrages und der darin vorgetragenen Bedenken ist eindeutig nicht die Aufhebung der Bestimmungen über die Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung des Programmentgeltes, sondern vielmehr die Aufhebung jener Regelung, die einen Anspruch des ORF auf Abgeltung des hiedurch bedingten Entfalles an Programmentgelt seitens des Bundes vorsah. Dieses Anliegen lässt sich aber nur mit einem auf Art1 des BudgetbegleitG 2001 insgesamt gerichteten Antrag verfolgen; dies wegen der vom Gesetzgeber für die bekämpfte Neuregelung verwendeten Gesetzestechnik, derzufolge nicht etwa bloß die Aufhebung des §20 Abs3 dritter (und allenfalls auch vierter) Satz RundfunkG angeordnet wurde, sondern §20 Abs3 RundfunkG insgesamt - mit einem auf die beiden ersten Sätze der früheren Regelung beschränkten Inhalt - neu gefasst und im Zusammenhang damit in §36 Abs2 RundfunkG das Inkrafttreten dieser neu gefassten Bestimmung geregelt wurde.

Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen als "gesetzwidrig":

Der ausdrücklich auf Art140 B-VG gestützte Antrag bringt mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass es ihm um die Aufhebung einer bundesgesetzlichen Regelung wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit geht, sodass bloß ein Vergreifen im Ausdruck vorliegt, dessetwegen der Antrag nicht als unzulässig zurückzuweisen ist.

Im Hinblick auf den spezifischen (einen auf einzelne Kalenderjahre bezogenen, gesetzlichen Abgeltungsanspruch aufhebenden) Regelungsgehalt der bekämpften bundesgesetzlichen Bestimmungen reicht auch die Begründung des "ergänzenden Antrages" des ORF vom 09.01.02 - es sei "nach der 'Verschiebung' des Inhaltes der mit BGBl I 2000/142 [also des BudgetbegleitG 2001] geschaffenen Fassung des §20 Abs3

RundfunkG in den §31 Abs3 des ... 'ORF-G'" bei der "(nicht mehr verfassungskonformen) Rechtslage ... geblieben" - in Verbindung mit

dem diesbezüglichen Vorbringen im Antrag vom 08.02.01 aus, um darzutun, dass der ORF auch von der behaupteten Verfassungswidrigkeit des Art1 BudgetbegleitG 2001 (die den in Rede stehenden gesetzlichen Abgeltungsanspruch für das Kalenderjahr 2001 beseitigt[e]) weiterhin in seiner Rechtssphäre aktuell betroffen ist.

Keine Zumutbarkeit einer Klagseinbringung nach Art137 B-VG.

Keine Gleichheitswidrigkeit des §20 Abs3 RundfunkG idF Art1 BudgetbegleitG 2001, BGBl I 142/2000, bzw des §31 Abs3 ORF-G.

Der Verfassungsgerichtshof geht in systematischer Auslegung der gesetzlichen Bestimmung sowohl des §20 RundfunkG idF des BudgetbegleitG 2001 als auch des §31 ORF-G - jeweils in ihrer Gesamtheit - davon aus, dass demnach (arg.: "kostendeckend") bei der Festsetzung der Höhe des Programmentgeltes auch der Umstand zu berücksichtigen ist, dass ein Teil der Hörer und Seher der Sendungen des ORF von der Entrichtung des Programmentgeltes von Gesetzes wegen befreit ist und für diesen Entfall von Programmentgelt dem ORF - anders als gemäß §20 Abs3 RundfunkG in der durch die angefochtene Regelung des BudgetbegleitG 2001 aufgehobenen Fassung BGBl I 159/1999 - auch keine Abgeltung seitens des Bundes gewährt (werden) wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem ORF bei der Besorgung seiner "gesetzmäßigen Aufgaben" iSd genannten Bestimmungen, was die hiedurch verursachten Kosten anlangt, jedenfalls ein Spielraum zukommt, von dem erforderlichenfalls aufwandsminimierend Gebrauch gemacht werden kann.

Dass die Regelungen über die Befreiung von der Entrichtung des Programmentgeltes, wie sie die hier angefochtenen Bestimmungen im Wege einer Verweisung auf die für die Rundfunkgebühren geltenden Vorschriften treffen, als solche gleichheitswidrig wären, wird auch vom ORF nicht behauptet.

Schwierigkeiten bei Budget- und Finanzplanung kein Hinweis auf Verfassungswidrigkeit.

Auch wenn man in Rechnung stellt, dass der hiedurch bewirkte Eingriff plötzlich eintrat, so ist er doch nicht als so schwerwiegend zu qualifizieren, dass er die ihn bewirkende Regelung als verfassungswidrig erscheinen lässt; dies schon im Hinblick darauf, dass die gemäß der Regelung für das Jahr 2001 vorgesehene Abgeltung, die dem ORF nach Ablauf dieses Kalenderjahres zugestanden wäre, auch nur 3,1 % der gesamten, dem ORF in diesem Jahr zugeflossenen Erlöse aus den Rundfunk- und Fernsehrundfunkentgelten (EUR 374,6 Mio) - betragen hätte. Ein solcher Eingriff in eine erworbene Rechtsposition widerspricht aber - jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang - dem vom Verfassungsgerichtshof aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Vertrauensschutz nicht (vgl va VfSlg 14888/1997).

Keine Verletzung der Unabhängigkeit des Rundfunks.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung systematische, Auslegung eines Antrages, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rundfunk, Vertrauensschutz, VfGH / Antrag, VfGH / Individualantrag, VfGH / Klagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G93.2001

Dokumentnummer

JFR_09979373_01G00093_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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