RS Vfgh 2002/11/27 G215/01 ua

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Veröffentlicht am 27.11.2002
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z11
B-VG Art21 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art140 Abs1 dritter Satz
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
B-VG Art140 Abs4
B-VG Art140 Abs6 erster Satz
ArbVG §34 Abs1
ArbVG §110
ArbVG §113 Abs4 Z1
ASGG §50 Abs2
Krnt Krankenanstalten-BetriebsG §2
Krnt Krankenanstalten-BetriebsG §14 Abs1, Abs2 idF LGBl 18/2001
Krnt Landesverfassung Art8
Krnt Landesverfassung Art36 Abs1
Krnt Landtags-GeschäftsO §47
Krnt LG LGBl 18/2001 betr Änderung des Krnt Krankenanstalten-BetriebsG
VfGG §62 Abs1 zweiter Satz
VfGG §65a

Leitsatz

Verstoß der Regelung des Entsendungsrechts der Arbeitnehmervertretung in den Aufsichtsrat der Kärntner Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft gegen die Kompetenz des Bundes zur Regelung des Personalvertretungsrechtes der in Betrieben tätigen Landesbediensteten; Krankenanstalten-Betriebsgesellschaft "Betrieb" im Sinne des B-VG und des Arbeitsverfassungsgesetzes; personalvertretungsrechtliche Natur einer Regelung über ein Entsendungsrecht von Dienstnehmervertretern in ein nach dem Vorbild des Aktienrechtes gestaltetes Organ; kein Verstoß gegen die Vorschriften der Geschäftsordnung des Kärntner Landtages beim Beschluß über eine Änderung des Krankenanstalten-BetriebsG; Zulässigkeit des Individualantrags des Zentralbetriebrates, jedoch nicht des Vorsitzenden des Zentralbetriebsrates; (teilweise) Zulässigkeit eines Drittelantrags von Landtagsabgeordneten

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags des zu G215/01 erstantragstellenden Zentralbetriebsrates der Kärntner Krankenanstalten-Betriebsgesellschaft auf Aufhebung jeweils des letzten Satzes des §14 Abs1 und Abs2 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG idF LGBl 18/2001 betreffend eine Entsendungsregelung in den Aufsichtsrat der Gesellschaft.

Die Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft ist als "Unternehmen" iSd §113 Abs4 Z1 ArbVG zu qualifizieren. Die Legitimation, Arbeitnehmervertreter entsprechend der - dem §110 ArbVG offenkundig nachgebildeten - Bestimmung des §14 Abs1 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG in den Aufsichtsrat zu entsenden, kommt somit dem Zentralbetriebsrat zu.

Dem Zentralbetriebsrat - als dem in §14 Abs1 letzter Satz Krnt Krankenanstalten-BetriebsG angesprochenen "zuständigen Organ der betrieblichen Arbeitnehmervertretung" - wird durch das Gesetz nicht bloß eine Kompetenz, sondern auch eine Rechtssphäre hinsichtlich seiner Befugnisse zur Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten zuerkannt.

Das Landesgesetz, mit dem das Krnt Krankenanstalten-BetriebsG geändert wird, LGBl 18/2001, ist mit Wirkung vom 01.01.01 - ohne Übergangsbestimmung - in Kraft gesetzt worden. Der Aufsichtsrat der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft hat demnach seit diesem Tag in jener Weise zusammengesetzt zu sein, die sich aus §14 Abs1 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG idF des genannten Gesetzes ergibt. Der Erstantragsteller ist daher durch die von ihm bekämpfte Änderung seines Entsendungsrechtes aktuell betroffen.

Kein zumutbarer Umweg über eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht.

Die Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft unterliegt zwar - als "Unternehmen" iSd ArbVG - dessen II. Teil, das strittige Entsendungsrecht des Zentralbetriebsrates ergibt sich indes nicht aus dem ArbVG, sondern allein aus §14 Abs1 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG, sodaß §50 Abs2 ASGG nicht zum Zug kommen kann.

Zurückweisung des Antrags, soweit er gegen §14 Abs1 zur Gänze gerichtet ist, mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen.

Zurückweisung des Antrags hinsichtlich des zweitantragstellenden Vorsitzenden des Zentralbetriebsrates; kein Eingriff der Regelung in die Rechtssphäre eines einzelnen Dienstnehmers bzw des Vorsitzenden des Zentralbetriebsrates.

Teilweise Zulässigkeit des zu G289/01 gestellten "Drittelantrags" von Landtagsabgeordneten (12 Mitglieder des Kärntner Landtages) auf Aufhebung des Krnt LG, LGBl 18/2001, mit dem das Krnt Krankenstalten-BetriebsG geändert wird.

Zurückweisung des Antrags hinsichtlich ArtI Z1, Z4, Z7, Z19, Z22 sowie Z24 - Z28 infolge Abänderung der Bestimmungen durch LGBl 66/2001 und LGBl 16/2002.

Ein von Mitgliedern eines Landtags eingebrachter Antrag ist als Fall einer abstrakten Normenkontrolle nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig.

Zulässigkeit des hilfsweise gestellten Antrags auf Aufhebung des §14 Abs1 und Abs2 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG idF LGBl 18/2001 bzw von Teilen davon.

Das Krnt Landesgesetz vom 21.12.00, mit dem das Krankenanstalten-BetriebsG geändert wird, LGBl 18/2001, wurde nicht unter Verstoß gegen die Vorschriften der Geschäftsordnung des Kärntner Landtags beschlossen.

Wie der vorliegenden Tonbandaufnahme entnommen werden kann, ist das genannte Gesetz dem hier einschlägigen §55 und §60 ff Krnt Landtags-GeschäftsO (betreffend die Zweite und Dritte Lesung sowie die Abstimmung) gemäß vom Kärntner Landtag angenommen worden.

Das Landesgesetz entspricht auch dem Inhalt der - dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten - Amtlichen Niederschrift über die betreffende Sitzung des Kärntner Landtags.

Grundsätzlich bildet auch die Geschäftsordnung des Kärntner Landtags einen Maßstab der dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG obliegenden Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Kärntner Landesgesetzen.

Bei der Bestimmung des §47 Krnt Landtags-GeschäftsO betreffend die Anfertigung von Niederschriften über die Verhandlungen des Kärntner Landtags handelt es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift, die eine ordnungsgemäße Dokumentierung des Geschehens im Landtag sicherstellen soll. Allfällige Verstöße dagegen vermögen für sich allein nicht zu bewirken, daß das beschlossene Gesetz als nicht verfassungsmäßig zustande gekommen anzusehen wäre. Der tatsächliche Ablauf der Sitzung und der Abstimmungen zwischen den Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ist letztlich nicht strittig.

Bei den in den Landeskrankenanstalten sowie in der Anstalt beschäftigten Dienstnehmern handelt es sich in jedem Fall um solche des Landes, die zu diesem in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen. Für die Beurteilung des Umfangs der Bundeskompetenz ist es gleichgültig, ob die Kärntner Landeskrankenanstalten als Betriebe einer Anstalt öffentlichen Rechts mit Rechtspersönlichkeit (nämlich der Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft) oder unmittelbar als Betriebe des Landes Kärnten anzusehen sind. Die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Bundes ist nämlich nicht bloß für das Personalvertretungsrecht der in Betrieben tätigen Landesbediensteten - wie sich aus Art21 Abs2 B-VG ergibt und durch die Gesetzesmaterialien weiter verdeutlicht wird - gegeben, sondern auch für das Betriebsverfassungsrecht von Rechtsträgern, die nicht Gebietskörperschaften iSd Art21 B-VG sind.

Die Kärntner Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft ist als Betrieb iSd Art21 Abs2 B-VG zu qualifizieren.

Da der - im Kompetenztatbestand des Art21 Abs2 B-VG vorkommende - Begriff "Betrieb" im B-VG nicht näher umschrieben ist, ist er iS der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Auslegung von Kompetenztatbeständen ("Versteinerungstheorie"; s etwa VfSlg 10292/1984) in jenem Sinn zu verstehen, der ihm im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art21 Abs2 B-VG nach dem damaligen Stand und der Systematik der Rechtsordnung zugekommen ist.

Art21 Abs2 B-VG wurde in der ihm durch die B-VG-Novelle 1974 gegebenen Fassung mit Wirkung vom 01.01.75 in Kraft gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits das ArbVG in Kraft. Es ist deshalb anzunehmen, daß der in Art21 Abs2 B-VG vorkommende Ausdruck "Betrieb" in jener Bedeutung zu verstehen ist, die ihm nach dem ArbVG zukommt (siehe §34 Abs1 ArbVG).

Die Funktion des Art21 Abs2 B-VG besteht darin, unter Vermeidung von Überschneidungen die Bund und Ländern auf dem Gebiet des Personalvertretungsrechtes je zukommenden Gesetzgebungskompetenzen klar abzugrenzen. Der gesamte Bereich des Personalvertretungsrechtes der in Betrieben tätigen Landesbediensteten (also sowohl die Ausgestaltung der Personalvertretung, als auch deren innere Einrichtung), der ohne Bestehen des Art21 Abs2 B-VG in die Kompetenz des Landes fallen würde, wird dabei ausdrücklich in die Kompetenz des Bundes übertragen. Eine Kompetenz des Landesgesetzgebers, die Personalvertretung der in Betrieben tätigen Landesbediensteten zu regeln, ist somit in keinem Fall gegeben, auch dann nicht, wenn solche Regelungen in organisationsrechtliche Vorschriften eingebettet würden.

Dem Landesgesetzgeber ist es daher zwar nicht verwehrt, die zum Betrieb landeseigener Krankenanstalten errichteten Rechtsträger mit Organen auszustatten, die nach dem Vorbild des Aktienrechtes gestaltet sind, und die Zusammensetzung dieser Organe zu regeln, also auch jenes Organs, das funktionell dem Aufsichtsrat entspricht. Die personelle Zusammensetzung eines solchen Aufsichtsrates darf aber nicht (auch nicht teilweise) als Mitbestimmungsrecht der Belegschaft (insbesondere als autonomes Recht, Dienstnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Anstalt zu entsenden) gestaltet sein, weil insoweit eine Regelung personalvertretungsrechtlicher Natur vorläge.

Teilweise Aufhebung des §14 Abs1 und Abs2 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG idF LGBl 18/2001.

§14 Abs1 (sowie der damit zusammenhängende Abs2) Krnt Krankenanstalten-BetriebsG räumen der betrieblichen Arbeitnehmervertretung in den Kärntner Landeskrankenanstalten Mitwirkungsrechte in Form einer Befugnis zur Entsendung eines Mitgliedes in den Aufsichtsrat ein.

Durch das Entsendungsrecht des zuständigen Organs der betrieblichen Arbeitnehmervertretung wird dieser ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt, dessen Regelung dem Kompetenztatbestand des Personalvertretungsrechts für Bedienstete der Länder in Betrieben iSd Art21 Abs2 B-VG, (bzw - soweit es sich nicht um Bedienstete iSd Art21 Abs1 B-VG handelte - jenem des Arbeitsrechtes iSd Art10 Abs1 Z11 B-VG) zugehört; eine solche Erweiterung der wirtschaftlichen Mitbestimmung iSd §110 ArbVG über den Kreis der im ArbVG genannten juristischen Personen hinaus kann daher ausschließlich im Weg eines Bundesgesetzes geschaffen werden.

Keine "suppletorische" Kompetenz des Landesgesetzgebers im Fall der Nichtausübung der dem Bundesgesetzgeber vorbehaltenen Kompetenz bzw keine bloße Bedarfskompetenz des Bundesgesetzgebers auf dem Gebiet des Personalvertretungsrechts.

Aufhebung lediglich der Wortfolge "durch das zuständige Organ der betrieblichen Arbeitnehmervertretung" im letzten Satz des §14 Abs1 sowie des damit untrennbar zusammenhängenden letzten Satzes des §14 Abs2 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG idF LGBl 18/2001.

Hiedurch wird die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nicht weiter verändert als unbedingt erforderlich. Der nach Aufhebung der genannten Wortfolge verbleibende Teil des letzten Satzes des §14 Abs1 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG gestattet eine verfassungskonforme Auslegung dahin, daß das dem Kreis der Dienstnehmer zu entnehmende Aufsichtsratsmitglied künftig von der Landesregierung zu entsenden ist.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, erwies sich deshalb als notwendig, weil der andernfalls ex constitutione wieder in Kraft gesetzten Fassung des §14 Abs1 Krnt Krankenanstalten-BetriebsG idF vor dem Landesgesetz LGBl 18/2001 dieselbe Verfassungswidrigkeit anhaften würde wie jene, aus deren Grund im vorliegenden Fall auf Aufhebung zu erkennen war.

Da der antragstellende Zentralbetriebsrat mit seinem Begehren im wesentlichen obsiegt hat, war ihm der Pauschalsatz in voller Höhe zuzusprechen.

In Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen ist ein Kostenersatz jedoch nur im Fall des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG vorgesehen (s §65a VfGG), nicht dagegen auch im Fall eines Antrags gem Art140 Abs1 dritter Satz B-VG (s VfSlg 12466/1990, 15686/1999). Den zu G289/01 antragstellenden Abgeordneten zum Krnt Landtag war aus diesem Grund kein Kostenersatz zuzusprechen.

Entscheidungstexte

  • G 215/01 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 27.11.2002 G 215/01 ua

Schlagworte

Arbeitsverfassung, Betriebsratsmitglieder, Betriebsverfassung, Betriebsrat, Auslegung verfassungskonforme, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Gesetz Erlassung, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Versteinerungstheorie, Kompetenz Bund - Länder Arbeitsrecht, Kompetenz Bund - Länder Dienstrecht, Krankenanstalten, Landesverfassung, Landtag, Personalvertretung, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag, VfGH / Kosten, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Verwerfungsumfang, Arbeits- u Sozialgerichtsbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G215.2001

Dokumentnummer

JFR_09978873_01G00215_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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