RS Vfgh 2003/10/3 G49/03 ua

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Veröffentlicht am 03.10.2003
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
AsylG 1997 §4 Abs3

Leitsatz

Widerspruch der allgemeinen dynamischen Verweisung auf Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft bei der Beurteilung der Drittstaatssicherheit im Asylgesetz; Bindung an das Determinierungsgebot auch bei Verweisungen des innerstaatlichen Gesetzgebers auf Normen des Gemeinschaftsrechts; keine weitere Anwendbarkeit der ohnehin vollzugsuntauglichen Bestimmung

Rechtssatz

Der zweite Satz des §4 Abs3 AsylG 1997, BGBl I 76, idF der AsylG-Novelle 2001, BGBl I 82, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Verweisung des zweiten Satzes des §4 Abs3 AsylG hat dynamischen Charakter; die verwiesenen "Rechtsakte des Rates der Europäischen Union" sind nicht bezeichnet und der bloß im Ausschussbericht genannte EU-Asylacquis ist in hohen Maße unbestimmt.

§4 Abs3 zweiter Satz AsylG enthält nicht bloß einen Hinweis auf ohnehin vorrangig geltende Normen des Gemeinschaftsrechts und auch keine Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, sondern macht Akte einer anderen Rechtsetzungsautorität zu innerstaatlichen Vorschriften. Aus diesem Grund ist die geprüfte Norm unzweifelhaft als dynamische Verweisung und nicht als bloße Anknüpfung an das Gemeinschaftsrecht zu bewerten. Der Gesetzgeber bedient sich in §4 Abs3 zweiter Satz AsylG einer Rechtstechnik, bei der er nicht den vollständigen Inhalt der Regelung, die zu vollziehen ist, sprachlich zum Ausdruck bringt, sondern Akte einer anderen Rechtsetzungsautorität in die von ihm zu treffende Regelung inkorporiert.

Keine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung.

Verweist der innerstaatliche Gesetzgeber auf Normen des Gemeinschaftsrechts, die weder unmittelbar anzuwenden sind noch der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in innerstaatliches Recht bedürfen, macht er also gemeinschaftsrechtliche Normen, die ohne Verweisung nicht anzuwenden wären, durch die Verweisung zum Inhalt des innerstaatlichen Rechts, so ist der Gesetzgeber an das Bestimmtheitsgebot in jener strengen Weise gebunden, die der Verfassungsgerichtshof für Verweisungen auf Normen einer gleichrangigen Rechtsetzungsautorität in seiner langjährigen Judikatur verlangt.

Der Verfassungsgerichtshof sieht auch keine Möglichkeit, den Begriff der "Rechtsakte des Rates" derart restriktiv zu interpretieren, dass darunter nur jene Akte fallen, die unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht beinhalten, sodass die Verweisung bloß wiedergibt, was ohnehin auch ohne sie gelten würde.

Der Verfassungsgerichtshof sah sich des Weiteren veranlasst, von der Ermächtigung nach Art140 Abs7 B-VG Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, da sie ohnehin vollzugsuntauglich ist.

Quasi-Anlassfälle: E v 03.10.03, B1736/02 ua - Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Entscheidungstexte

  • G 49/03 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 03.10.2003 G 49/03 ua

Schlagworte

Asylrecht, EU-Recht, Rechtsstaatsprinzip, Verweisung dynamische, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G49.2003

Dokumentnummer

JFR_09968997_03G00049_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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