RS Vfgh 2003/12/4 G6/03, V6/03

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Veröffentlicht am 04.12.2003
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Index

83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art129 ff
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Altlastenatlas
AltlastensanierungsG §13 Abs2
AltlastensanierungsG §17 Abs2
AVG §58 ff
BGBlG 1996 §2 Abs2 Z2
UmweltkontrollG §6 Abs2 Z22

Leitsatz

Kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem durch die im Altlastensanierungsgesetz normierte, nicht bescheidmäßig erfolgende Verständigung des Grundeigentümers über Eintragungen von Verdachtsflächen in den Altlastenatlas; Überprüfbarkeit der Gesetzmäßigkeit der Eintragung durch Bekämpfung der darauf gestützten Sanierungsbescheide; Aufhebung des als Verordnung zu qualifizierenden Altlastenatlasses zur Gänze mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt

Rechtssatz

Zulässigkeit der Verfahren zur Prüfung des §13 Abs2 fünfter Satz AltlastensanierungsG betreffend die Verständigungspflicht des Landeshauptmannes über Eintragungen in den Altlastenatlas sowie zur Prüfung der Eintragung einer Deponie in den Altlastenatlas.

Der Verfassungsgerichtshof hat bei Beantwortung der Rechtsfrage, ob die Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde mangels Vorliegens eines anfechtbaren erstinstanzlichen Bescheides rechtens erfolgte, §13 Abs2 fünfter Satz AltlastensanierungsG anzuwenden, eine Bestimmung, die ihrerseits die Frage nach der Rechtsqualität des Altlastenatlasses aufwirft, sodass auch dessen normativer Charakter im vorliegenden Verfahren präjudiziell ist.

Verordnungscharakter des Altlastenatlasses; zuständigkeitsbegründende Wirkung der Eintragung.

Mag auch die Einrichtung und Führung des Altlastenatlasses gemäß §13 Abs2 zweiter Satz AltlastensanierungsG iVm §6 Abs2 Z22 UmweltkontrollG, BGBl I 152/1998, der Umweltbundesamt GmbH obliegen, so bildet die Eintragung festgestellter Altlasten in den Altlastenatlas, die durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erfolgt, dennoch die eigentliche verwaltungsbehördliche Emanation. Ihr kommt in mehrfacher Hinsicht rechtsbegründender bzw -verändernder Charakter zu.

Die Eintragung einer festgestellten Altlast in den Altlastenatlas begründet gemäß §17 Abs2 AltlastensanierungsG eine Zuständigkeitskonzentration für Maßnahmen wasserrechtlicher, gewerberechtlicher und abfallwirtschaftsrechtlicher Art zur Sicherung oder Sanierung der festgestellten und in den Atlas eingetragenen Altlasten beim Landeshauptmann. Zuständigkeitsbegründende Rechtsnormen der Verwaltung besitzen Verordnungsqualität (VfSlg 13578/1993, 14985/1997 mwH).

Nicht zuletzt bewirkt die Eintragung in den Altlastenatlas, dass bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen gemäß §3 Abs2 Z1 litb AltlastensanierungsG eine Beitragsbefreiung eintritt und gemäß den Bestimmungen des UmweltförderungsG Förderungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden können.

Als von einer Verwaltungsbehörde erlassene generelle Rechtsnorm ist jede Eintragung in den Altlastenatlas und somit auch dieser insgesamt als Verordnung im Sinne des Art139 Abs1 B-VG zu qualifizieren.

Kein Verstoß des §13 Abs2 fünfter Satz AltlastensanierungsG idF BGBl 760/1992 gegen das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem.

Dem verfassungsrechtlich in den Art129 ff B-VG geregelten Rechtsschutzsystem genügt es, wenn die rechtsverbindliche Festlegung durch Eintragung der Altlast in den Altlastenatlas überhaupt zum Gegenstand eines Verfahrens vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts gemacht werden kann. Es genügt, wenn der Gesetzgeber den Altlastenatlas als Verordnung und die einzelnen Eintragungen in den Altlastenatlas als Ergänzung (Novellierung) der betreffenden Verordnung bewerten lässt. Denn für die durch Verordnung in den Altlastenatlas eingetragenen Altlasten ist gemäß §17 AltlastensanierungsG der Landeshauptmann kraft Zuständigkeitskonzentration die allein zuständige Behörde zur Durchführung der zur Sicherung oder Sanierung von Altlasten nach WRG 1959, GewO 1994 und AbfallwirtschaftsG 2002 notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Da diese Sanierungsmaßnahmen durch Bescheid vorzuschreiben sind, bildet die Verordnung, mit der die Eintragung in den Altlastenatlas vorgenommen wird, eine Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit des Landeshauptmannes.

Die Frage der Gesetzmäßigkeit der Eintragung einer Altlast in den Altlastenatlas kann sohin jedenfalls auf dem Rechtsweg über die Bekämpfung der darauf gestützten Sanierungsbescheide an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden.

Der Bundesregierung ist somit Recht zu geben, wenn sie die durch §13 Abs2 fünfter Satz AltlastensanierungsG angeordnete Verpflichtung zur Verständigung jener Liegenschaftseigentümer, auf deren Liegenschaft eine Altlast festgestellt und in den Altlastenatlas eingetragen wurde, nicht als Rechtsschutzverweigerung sieht, sondern vielmehr als zusätzliche und besondere Information Betroffener, mit der diesen der Inhalt einer Verordnung über deren Publikation hinaus mitgeteilt wird.

Aufhebung des Altlastenatlasses, geführt von der Umweltbundesamt GmbH, zur Gänze mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt iSd §2 Abs2 Z2 BGBlG 1996; Möglichkeit der Einsichtnahme keine spezielle Kundmachungsform.

Weder die Eintragung einer Altlast in den Altlastenatlas noch die Verständigung der Grundeigentümer von der Eintragung sind anfechtbare Bescheide. Der rechtsstaatlich gebotenen Kundmachung der Verordnung über die Eintragung festgestellter Altlasten im Altlastenatlas kommt daher umso größere Bedeutung zu.

So erreicht die Verständigung keineswegs den gesamten - mit Rücksicht auf die Verordnungsqualität der Eintragung in den Altlastenatlas notwendig unbestimmten - Kreis an Adressaten, der ja weit über die Grundeigentümer hinausgeht. Keinesfalls kann auch die Möglichkeit zur öffentlichen Einsicht bei den genannten Ämtern die aktive Kundmachungsverpflichtung des eine Verordnung erlassenden Organs, di hier der zuständige Bundesminister, ersetzen.

Im Übrigen fehlt der gesetzlichen Verpflichtung, "öffentliche Einsicht zu gewähren", die jeder Kundmachung eigene, wegen der daraus abzuleitenden Rechtsverbindlichkeit notwendige, strikte Festlegung des Beginns des zeitlichen Geltungsbereiches der kundgemachten Norm. Daher genügt die gesetzlich vorgesehene Gewährung öffentlicher Einsicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an den Kundmachungsvorgang nicht.

(Anlassfall B622/01, B v 04.12.03, Ablehnung der Beschwerdebehandlung).

Entscheidungstexte

  • G 6/03,V 6/03
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 04.12.2003 G 6/03,V 6/03

Schlagworte

Abfallbeseitigung, Altlastensanierung, Bescheidbegriff, Rechtsschutz, Verordnungsbegriff, Verordnung Kundmachung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G6.2003

Dokumentnummer

JFR_09968796_03G00006_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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