RS Vfgh 2003/12/11 V39/00

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Veröffentlicht am 11.12.2003
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs3
B-VG Art139 Abs4
B-VG Art139 Abs6 zweiter Satz
ElWOG §66 Abs6
ElWOG §66a Abs6 idF EnergieliberalisierungsG, BGBl I 121/2000
ElWOG §33
ElWOG §47, §49
PreisG 1992
Verordnung des Landeshauptmanns der Steiermark vom 18.10.99 betr die Änderung der Verordnung über die Regelung der Strompreise für die kleinen und mittleren Elektrizitätsversorgungsunternehmen in der Steiermark §2

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung einer bereits außer Kraft getretenen Strompreisverordnung; Zulässigkeit der Abänderung einer gemäß dem ElWOG als Bundesgesetz in Geltung gesetzten Verordnung durch die angefochtene Verordnung; Weitergeltung auch dieser Verordnung als Gesetz; Zulässigkeit der Anfechtung als Verordnung daher nur bis zum Zeitpunkt des Beginns der gesetzlichen Weitergeltung; keine ausreichende Erkennbarkeit der Entscheidungsgrundlagen für die angeordnete lineare Strompreissenkung

Rechtssatz

Teilweise Zulässigkeit des Individualantrags einer Gemeinde auf Aufhebung der Verordnung des Landeshauptmanns der Steiermark vom 18.10.99 betr die Änderung der Verordnung über die Regelung der Strompreise für die kleinen und mittleren Elektrizitätsversorgungsunternehmen in der Steiermark zur Gänze; zu weiter Anfechtungsumfang hinsichtlich der ganzen Verordnung.

Es kann nämlich nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes sein, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so - gleichsam stellvertretend - das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (vgl VfSlg 16507/2002).

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass §2 Abs4 erster Satz der Verordnung auf frühere Sachverhalte noch anzuwenden und die antragstellende Gemeinde daher noch aktuell in ihrer Rechtssphäre betroffen ist, ist der Individualantrag insoweit zulässig.

Zur Rechtsqualität der Verordnung des Landeshauptmanns der Steiermark vom 18.10.99:

Die angefochtene Verordnung ändert nach ihrem Wortlaut die Verordnung des Landeshauptmannes der Steiermark vom 15.04.94 über die Regelung der Strompreise für die kleinen und mittleren Elektrizitätsversorgungsunternehmen in der Steiermark.

Da es sich bei der Verordnung des Landeshauptmannes der Steiermark vom 15.04.94 als einer auf Grund von §3 Abs2, §6 und §8 Abs2 des PreisG 1992 erlassenen Regelung um eine auf Grund preisrechtlicher Bestimmungen vor Inkrafttreten des §33 ElWOG erlassene Verordnung handelt, wurde sie mit dem Inkrafttreten des §66 Abs6 ElWOG, BGBl I 143/1998, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht des vorliegenden Verfahrens keine Bedenken hegt, am 19.02.99 als Bundesgesetz in Geltung gesetzt.

Gemäß §66 Abs6 ElWOG konnte eine derart als Gesetz übergeleitete Verordnung - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (vgl VfSlg 11632/1988) - durch "Neuregelung der entsprechenden Sachgebiete" durch Verordnungen auf Grund des ElWOG außer Kraft gesetzt werden.

Kein Eingehen auf die Frage der Zulässigkeit einer nur teilweisen Neuregelung der Sachgebiete durch Verordnung iSd §66 Abs6 ElWOG.

Als Verordnung - als solche bekämpft sie der Antrag - blieb die Regelung des §2 Abs4 der angefochtenen Verordnung jedoch nur bis zum 02.12.00 in Kraft. Denn durch das am 02.12.00 in Kraft getretene EnergieliberalisierungsG wurde in das ElWOG die dem §66 Abs6 nachgebildete Regelung des §66a Abs6 eingefügt. Nach dieser Bestimmung bleiben die auf Grund preisrechtlicher Regelungen vor Inkrafttreten der als unmittelbar anwendbares Bundesrecht bezeichneten Bestimmungen des Bundesgesetzes BGBl I 121/2000 erlassenen Verordnungen bis zur Neuregelung der entsprechenden Sachgebiete durch Verordnungen des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, ab 01.10.01 der Elektrizitäts-Control Kommission, als Bundesgesetz in Geltung. Die bekämpfte Verordnung konnte daher Rechtswirkungen nur für den Zeitraum vom 21.10.99 bis zum 02.12.00 entfalten.

Aufhebung des bereits außer Kraft getretenen §2 Abs4 der Verordnung des Landeshauptmanns der Steiermark vom 18.10.99.

Strenge Prüfung der Überprüfbarkeit der Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers bei bloß finaler Determinierung.

Ausreichende Anhörung der Interessenvertretungen iSd §47 iVm §49 ElWOG vor Verordnungserlassung.

Die Entscheidungsgrundlagen, welche zu einer linearen Preissenkung um "3,5 bzw. 7%" geführt haben, sind jedoch nicht in ausreichendem Maß erkennbar und objektiv nachvollziehbar.

Das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten bewertete eine lineare Preissenkung um 15 % für die kleinen und mittleren Elektrizitätsversorgungsunternehmen aus regionalwirtschaftlicher Sicht als negativ. Ein weiteres Gutachten zur Überprüfung der Frage, ob eine Preissenkung in Höhe von "3,5 bzw. 7 %" sowohl den bei der Erzeugung, der Übertragung und der Verteilung jeweils bestehenden volkswirtschaftlichen Verhältnissen als auch der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Verbraucher oder Leistungsempfänger bestmöglich entsprechen würde und die Preissenkung somit volkswirtschaftlich gerechtfertigt wäre, wurde nicht eingeholt. Es wurde im Verfahren auf keinerlei Berechnungen und Kostenaufstellungen Bezug genommen, die einen Schluss darauf zulassen, dass ein volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preis bestimmt wurde. Es kann auch nicht gesagt werden, dass die im Begutachtungsverfahren eingeschalteten Interessenvertretungen (Wirtschaftskammer, Kammer für Arbeiter und Angestellte und Landwirtschaftskammer) sich in einer Weise geäußert hätten, dass der Landeshauptmann davon ausgehen konnte, mit der geplanten Strompreissenkung einen volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preis zu bestimmen.

Keine Kundmachungsmängel.

Aufhebung gemäß Art139 Abs3 B-VG; keine bloße Feststellung der Gesetzwidrigkeit.

Wenngleich der zeitliche Anwendungsbereich der bekämpften Norm mit 02.12.00 im Hinblick auf das Inkrafttreten des §66a Abs6 ElWOG idF des EnergieliberalisierungsG als Verordnung beendet war, ist mangels Anordnung einer Rückwirkung durch das EnergieliberalisierungsG davon auszugehen, dass die Verordnung auf während ihres Geltungszeitraums verwirklichte Sachverhalte weiterhin anzuwenden ist.

Keine weitere Anwendbarkeit der aufgehobenen Bestimmung iSd Art139 Abs6 B-VG.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Geltung Gesetz, Geltung Verordnung, Preisrecht, Preisregelung, Verordnungserlassung, Anhörungsrecht, Verordnung Kundmachung, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Prüfungsgegenstand, Preis volkswirtschaftlich gerechtfertigter, Determinierungsgebot, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V39.2000

Dokumentnummer

JFR_09968789_00V00039_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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