RS Vfgh 2004/12/1 V124/03

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Veröffentlicht am 01.12.2004
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8240 Abfall, Müll

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
AbfallwirtschaftsG §29
Krnt AbfallwirtschaftsO §13 Abs2, §43
UVP-G 2000 §3, §17, §19 Abs4
Verordnung der Kärntner Landesregierung über den Entsorgungsbereich und den Standort der thermischen Abfallbehandlungsanlage, LGBl 11/1999 - Krnt StandortV

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Standortverordnung der Kärntner Landesregierung über den Entsorgungsbereich und den Standort der thermischen Abfallbehandlungsanlage im Hinblick auf die Krnt Abfallwirtschaftsordnung; Zulässigkeit der Erlassung einer einzigen Standortverordnung bei Errichtung einer einzigen thermischen Abfallbehandlungsanlage für das gesamte Landesgebiet; Mitwirkung der Abfallwirtschaftsverbände im Verordnungserlassungsverfahren durch eine gemeinsam begründete GesmbH nicht gesetzwidrig; ausreichende Gründe für die Standortwahl aufgrund der besonderen Eigenschaften von Arnoldstein; Beschwerdelegitimation einer Bürgerinitiative gemäß dem insoweit unbedenklichen Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 im Anlassverfahren gegeben; Rechtsverletzungsmöglichkeit in subjektiven Rechten auch einer Bürgerinitiative

Rechtssatz

Legitimation der im Anlassfall erstbeschwerdeführenden Bürgerinitiative gegeben; keine Bedenken gegen §19 Abs4 UVP-G 2000.

Anders als bei der im E v 16.06.04, G4/04 ua, als verfassungswidrig erkannten Beschwerdelegitimation des Landeshauptmannes und einer Umweltanwaltschaft handelt es sich bei der als "Bürgerinitiative" vom Gesetzgeber bezeichneten Personengruppe gemäß §19 Abs4 UVP-G 2000 um kein staatliches Organ.

Zur Beschwerdeführung ist zwar nur eine Person im Rechtssinn - sei es eine physische oder juristische Person - ermächtigt. Davon ausgehend, dass als juristische Person aber jeder von der Rechtsordnung anerkannte Träger von Rechten und Pflichten außer dem Menschen anzusehen ist, ergibt sich die Qualität und die Rechtsfähigkeit als juristische Person aus den Einzelbestimmungen der Rechtsordnung (vgl VfSlg 3193/1957).

Eine besondere Rechtsstellung hat der Gesetzgeber den Personengruppen (Bürgerinitiativen) gemäß §19 Abs4 UVP-G 2000 eingeräumt und sie damit als Träger entsprechender - begrenzter - subjektiver öffentlicher Rechte, gerichtet auf die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften anerkannt.

Nicht jede beliebige Personengruppe darf vom Gesetzgeber - folgt dieser dem aus dem Gleichheitssatz resultierenden Sachlichkeitsgebot - mit aus konkreten Verwaltungsvorschriften (zB Umweltschutzgesetzen) abzuleitenden subjektiven öffentlichen Rechten und damit mit der Beschwerdeberechtigung vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG bedacht werden. Vielmehr ist es für die Beschwerdelegitimation notwendig, dass vom Gesetzgeber "echte subjektive Rechte" (so VfSlg 3193/1957) begründet werden, deren Durchsetzung der Gesetzgeber Personengruppen zu deren rechtlichem Schutz gewährleistet. Die Personengruppe muss sohin durch die betreffende Verwaltungsvorschrift in ihren Interessen geschützt werden.

Dies hat der Gesetzgeber in §19 Abs4 UVP-G 2000 ausreichend berücksichtigt: Der Bürgerinitiative dürfen lediglich Personen angehören, die das Gemeinderatswahlrecht - und damit den Hauptwohnsitz - in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde besitzen, sodass der Gesetzgeber mit gutem Grund von möglichen Einwirkungen des umweltverträglichkeitsprüfungspflichtigen Vorhabens auf jene Personen ausgehen konnte.

Präjudizialität der Krnt StandortV bei der Entscheidung im Anlassverfahren betreffend eine Beschwerde gegen die der beteiligten Gesellschaft erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer thermischen Restmüllbehandlungsanlage (TBA).

Zulässigkeit der Erlassung einer einzigen Standortverordnung (gestützt sowohl auf §43 Abs1 als auch auf §43 Abs4 Krnt AbfallwirtschaftsO), wenn eine einzige thermische Abfallbehandlungsanlage für das gesamte Landesgebiet als Entsorgungsbereich auf einem bestimmten Standort grundstücksbezogen errichtet werden soll.

Dass die Abfallwirtschaftsverbände ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung an der Standortsuche vor Erlassung der Verordnung nach §43 Abs4 Krnt AbfallwirtschaftsO mit Hilfe der Kärntner Entsorgungsvermittlungs GmbH nachgekommen sind, schadet schon deswegen nicht, weil sich die Abfallwirtschaftsverbände gemäß §13 Abs2 Krnt AbfallwirtschaftsO zur Durchführung ihrer Aufgaben eines derartigen, gemeinsam begründeten, Rechtsträgers bedienen dürfen. Dass ferner die Kärntner Entsorgungsvermittlungs GmbH ihrerseits zum Zwecke der Standortsuche einen sachverständigen Berater damit betraute, durch eine EU-weite Ausschreibung die notwendige Standortermittlung und Bieterbewertung durchzuführen (- aus der Arnoldstein als der bestgeeignete Standort hervorging -), begegnet keinen rechtlichen Bedenken, zumal der Standortsuche im Rahmen der Ausschreibung Standortwahlkriterien zugrunde gelegt wurden, die insgesamt über die demonstrative Aufzählung des §43 Abs2 Krnt AbfallwirtschaftsO noch hinausgingen.

Der Verordnungsgeber durfte (im Hinblick auf die für die TBA Arnoldstein vorgesehenen Hausmüllmengen) davon ausgehen, dass mit der Errichtung einer einzigen thermischen Abfallbehandlungsanlage das Auslangen gefunden werden könne.

Der Standort Arnoldstein weist für eine thermische Abfallbehandlungsanlage auch besondere Eigenschaften auf, die keinen anderen der in Frage kommenden Standorte in Kärnten auszeichnen. Diese Vorteile bestehen u.a. in der Integration in ein vorhandenes Industriegebiet, in die Einbindung in das vorhandene Infrastruktursystem einschließlich einer guten Straßen- als auch direkten Bahnanbindung, ferner in einer optimalen Energienutzung sowohl durch Stromerzeugung als auch durch Wärmeverwertung am Standort, sodass eine Verbesserung der Emissions- und Immissionssituation erwartet werden kann, weil der Verbrennungskapazität der thermischen Abfallbehandlungsanlage ein erhebliches Reduktionspotential für Depotgas-, Hausbrand- und Industrieemissionen entspricht.

Feststellung, dass die Krnt StandortV nicht gesetzwidrig war, im Hinblick auf ihr Außer-Kraft-Treten gemäß §4 Abs2 litb der Krnt Entsorgungsbereichs- und StandortV, LGBl 65/2003.

Anlassfall B894/04, B v 01.12.04, Ablehnung der Behandlung der Beschwerde.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Abfallwirtschaft, Person juristische, Rechte subjektive öffentliche, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Verordnungserlassung, Parteien, Formalpartei, Amtspartei, Parteistellung Umweltschutz, VfGH / Legitimation, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Anlaßverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V124.2003

Dokumentnummer

JFR_09958799_03V00124_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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