RS Vfgh 2004/12/14 V35/04

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Veröffentlicht am 14.12.2004
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
ElWOG §25
Systemnutzungstarife-Verordnung 2003 der Energie-Control Kommission (SystemnutzungstarifeV 2003 - SNT-VO 2003)
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Abweisung des Antrags der Burgenländischen Landesregierung auf Aufhebung der Systemnutzungstarife-Verordnung 2003; Zulässigkeit der Wahl der Rechtsform der Verordnung; keine Verletzung des Eigentumsrechtes und der Erwerbsausübungsfreiheit; kein Verstoß der Regelungen betreffend Berücksichtigung der angemessenen Kosten bei Festsetzung des Netzzutrittsentgelts, der allgemeinen Grundsätze der Kostenermittlung und der Finanzierungskosten, der Grundsätze der Kostenzuordnung für integrierte Unternehmen, der Kriterien für die Tarifbestimmungen sowie der Bestimmungen über Modalitäten der Zählerablesung im Zusammenhang mit dem Entgelt für Messleistungen gegen das ElWOG

Rechtssatz

Zulässigkeit des Hauptantrags der Burgenländischen Landesregierung auf Aufhebung der Systemnutzungstarife-Verordnung 2003 der Energie-Control Kommission - SNT-VO 2003 zur Gänze; teilweise Zulässigkeit, teilweise Zurückweisung der Eventualanträge auf Aufhebung von Teilen der SNT-VO 2003.

Zur Verordnungsqualität der SNT-VO 2003 vgl B1567/03 ua, B v 10.12.03.

Soweit den in einem Eventualantrag genannten Bestimmungen im Einzelnen keine Bedenken zugeordnet sind, erweist sich dieser jeweils als unzulässig.

Wenn eine in einem Antrag angefochtene allgemeine Berechnungsvorschrift Auswirkungen auf die Festsetzung der Systemnutzungstarife hat, ist deren Anfechtung nur gemeinsam mit der Anfechtung der jeweiligen Tarife zulässig.

Keine Gesetzwidrigkeit der SNT-VO 2003; Zulässigkeit der Wahl der Rechtsform der Verordnung.

Im B v 10.12.03, B1567/03 ua, hat der Verfassungsgerichtshof die Verordnungsqualität der SNT-VO 2003 ua. mit dem Argument begründet, die Endverbraucher seien zwar von der Festlegung der Preise für die Netznutzung nicht unmittelbar rechtlich betroffen, sie seien dennoch in ihren Interessen in besonderer Weise berührt. Damit hat der Verfassungsgerichtshof dargetan, dass die Endverbraucher durch den allgemein verbindlichen und daher generell abstrakt wirkenden Systemnutzungstarif in ihren Interessen in rechtlich relevanter Weise berührt sind, eine Rechtswirkung, die bei einer Festlegung der Systemnutzungstarife durch Bescheid nicht eintritt.

Die Frage der unmittelbaren Betroffenheit des Stromkunden von einer Strompreisregelung ist von der Frage zu unterscheiden, ob für den Stromkunden durch die Strompreisregelung überhaupt Rechtswirkungen eintreten.

Die potentiellen Stromkunden sind zwar zunächst nur in ihren wirtschaftlichen Interessen betroffen; dies schließt aber nicht aus, dass sie durch die Preisregelung für den Fall der Aktualisierung in ihren rechtlichen Interessen - wenn auch nicht unmittelbar - betroffen werden.

Das im E v 16.10.04, G67/04, dargestellte verfassungsrechtlich unbedenkliche dreistufige Berechnungsmodell, nach dem nicht nur die Kosten eines konkreten Unternehmens zu berücksichtigen sind, spricht für die Festsetzung der Systemnutzungstarife durch Verordnung.

Inwieweit sich aus den Ausführungen der Burgenländischen Landesregierung zum Gemeinschaftsrecht ergeben soll, dass es sich bei der Festsetzung der Systemnutzungstarife in der SNT-VO 2003 um einen unverhältnismäßigen Eingriff und daher um eine Verletzung der Erwerbs- und Eigentumsfreiheit handeln soll, ist für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, zumal das ElWOG - was die Entgelte für die Netznutzung betrifft - das System des geregelten Netzzugangs im Sinne der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie und nicht [staatliche] Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche Dienstleistungen gewählt hat.

Keine Gesetzwidrigkeit der Berücksichtigung der angemessenen Kosten bei Festsetzung des Netzzutrittsentgelts (§2 SNT-VO 2003).

Wie sich aus der für alle Systemnutzungstarife geltenden Bestimmung des §25 Abs2 ElWOG ergibt, dürfen bei der Tarifbestimmung die Kosten eines rationell geführten vergleichbaren Unternehmens berücksichtigt werden. Wenn §2 SNT-VO 2003 im Rahmen der Bestimmung des Netzzutrittsentgelts nicht die Abgeltung aller Aufwendungen sondern nur der angemessenen und den marktüblichen Preisen entsprechenden Aufwendungen vorsieht, so hält sich diese Bestimmung durchaus im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.

Keine Gesetzwidrigkeit der allgemeinen Grundsätze der Kostenermittlung und der Finanzierungskosten (§12, §13 SNT-VO 2003).

Die Behörde muss die Systemnutzungstarife zwar ausgehend von den Kostenstrukturen der Netzbetreiber kostenorientiert bestimmen (vgl E v 16.10.04, G67/04). Darüber hinaus können jedoch die Netzbetreiber dazu angehalten werden, ihre Unternehmen rationell zu führen. Mit dieser Methode der Kostenbestimmung steht die Regelung des §12 Abs1 zweiter Satz SNT-VO 2003, wonach bei der Ermittlung der Kosten nur dem Grunde und der Höhe nach angemessene Kosten zu berücksichtigen sind, die für die Errichtung, den Ausbau, die Instandhaltung und den Betrieb eines Elektrizitätsnetzes erforderlich sind, im Einklang. Die Produktivitätsabschläge stellen keine doppelte Berücksichtigung der Angemessenheit dar, sondern stellen auf die zukünftige Entwicklung der Netzbetreiber ab und sollen erreichen, dass Produktivitätsfortschritte an die Kunden weiter gegeben werden.

Was die Ermittlung der Finanzierungskosten betrifft, so hat die Burgenländische Landesregierung keine Argumente dafür geliefert, dass der Verordnungsgeber im §13 den - im Hinblick auf die Determinierung durch Ziele - weiten Spielraum überschritten habe oder dass die Energie-Control Kommission ihrer Pflicht zur Offenlegung der Parameter für die Bestimmung der Finanzierungskosten nicht nachgekommen ist.

Keine Gesetzwidrigkeit der Grundsätze der Kostenzuordnung für integrierte Unternehmen (§14 SNT-VO 2003).

§14 SNT-VO 2003 trifft keine Regelung über die Rechnungslegung von Elektrizitätsunternehmen, sondern regelt die Ermittlung der Kosten des Netzbetriebs und damit die Voraussetzungen für die Bestimmung der Systemnutzungstarife. Die Regelung soll sicherstellen, dass nur die Kosten des Netzbetriebs in die Bestimmung der Systemnutzungstarife Eingang finden. Die Energie-Control Kommission ist daher zur Regelung zuständig. Im Übrigen beruht das Vorbringen auf der nicht zutreffenden Annahme, dass nur auf die Kosten eines individuellen Unternehmens abzustellen sei.

Keine Gesetzwidrigkeit der Kriterien für die Tarifbestimmungen (§16 SNT-VO 2003).

§25 Abs2 ElWOG sieht drei - abgestufte - Methoden der Kostenbestimmung vor, deren Anwendung nicht im freien Ermessen des Verordnungsgebers liegt (vgl E v 16.10.04, G67/04). Grundsätzlich hat die Behörde die Systemnutzungstarife ausgehend von den Kostenstrukturen der Netzbetreiber kostenorientiert zu bestimmen. Darüber hinaus können die Netzbetreiber dazu angehalten werden, ihre Unternehmen rationell zu führen, indem bei der amtlichen Preisbestimmung nicht auf die tatsächlichen Kosten des Netzbetreibers, sondern auf die typischen Verhältnisse von vergleichbaren Elektrizitätsversorgungsunternehmen abgestellt wird. Die Produktivitätsabschläge berücksichtigen Einsparungspotentiale der Unternehmen und stellen damit auf die zukünftige Entwicklung der Netzbetreiber ab.

Dass die Produktivitätsabschläge nur einer Konkretisierung des Abstellens auf die typischen Verhältnisse von vergleichbaren Elektrizitätsversorgungsunternehmen dienen, trifft nicht zu. Sie verpflichten die Netzbetreiber, die in einem Monopolmarkt tätig sind, erzielbare Produktivitätsfortschritte an die Kunden weiter zu geben.

Der Gesetzgeber stellt beim Produktivitätsabschlag in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise grundsätzlich nicht auf das einzelne Unternehmen und seine derzeitige Situation ab.

Keine Gesetzwidrigkeit der Tarife für das Netzbereitstellungsentgelt, das Netznutzungsentgelt und das Netzverlustentgelt (§18 bis §20 SNT-VO 2003).

Keine Gesetzwidrigkeit der Bestimmungen über Modalitäten der Zählerablesung im Zusammenhang mit dem Entgelt für Messleistungen (§9 Abs2 SNT-VO 2003).

Bei der Bestimmung von Preisen (hier von Höchstpreisen) für eine Leistung ist diese genau zu umschreiben. Die Regelung, wie und in welchen Zeitabständen Messleistungen durchzuführen sind, ist von der Ermächtigung des §25 Abs1 letzter Satz ElWOG mit umfasst, zumal die Höchstpreise in der SNT-VO 2003 für jeden angefangenen Kalendermonat festgesetzt sind.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Bescheidbegriff, Verwaltungsakt genereller, Energierecht, Elektrizitätswesen, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht Richtlinie, Verordnungsbegriff, verschleierte Verfügung, VfGH / Antrag, Eventualantrag, VfGH / Bedenken, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Prüfungsumfang, Preisrecht, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V35.2004

Dokumentnummer

JFR_09958786_04V00035_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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