TE Vfgh Erkenntnis 2008/9/29 B698/08

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §9

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen nahezu 12-jähriger Untätigkeit nach Übernahme eines einfachen Mandates betreffend die Verbücherung einer Liegenschaft; ausreichendes Ermittlungsverfahren

Spruch

              Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

              Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.              1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 31. Jänner 2007 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

              "trotz mehrmaliger Aufforderung und Verbücherungszusagen einen Kaufvertrag zwischen E M und dem Magistrat der Stadt Wien betreffend die EZ ..., den er im Jahre 1992 im Auftrag von E M verbüchern sollte, trotz mehrmaliger Versprechen, die Verbücherung vorzunehmen, zumindest bis 25.05.2004 nicht verbüchert."

              Der Beschwerdeführer wurde wegen der Vergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zur Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Dauer von einem Monat, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, und zur Tragung der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

              Gleichzeitig wurde der Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers betreffend den gesamten ihm in der Ladung zur mündlichen Verhandlung bekannt gegebenen Senat des Disziplinarrates "mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen als verspätet zurückgewiesen".

              2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit

Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 3. Dezember 2007 im Schuldspruch keine Folge gegeben. Der Strafausspruch wurde dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer unter Bedachtnahme auf seine Vorverurteilungen zu einer Zusatzgeldbuße in Höhe von € 1.250,- verurteilt wurde. Begründend wird unter anderem ausgeführt:

              "Der Rechtsmeinung des Disziplinarrates ist

beizutreten, dass eine nahezu 12-jährige Untätigkeit nach Übernahme eines einfachen Mandates einen krassen Verstoß gegen alle drei gesetzlichen Grundsätze über die Vertretungspflicht eines Rechtsanwaltes, nämlich Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit darstellt (§9 RAO).

              Der Disziplinarbeschuldigte bestreitet das Vorliegen eines Mandats und dessen Nichterfüllung nicht. Das unsubstantiierte Vorbringen in der Schuldberufung, dass finanzielle Probleme der Grund für die jahrelange Verzögerung der Löschung der Baurechtseinlage gewesen seien, ist inhaltlich nicht geeignet, die Feststellungen und die rechtliche Beurteilung des Disziplinarrates im angefochtenen Erkenntnis zu widerlegen. Die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission tritt auch der zutreffenden Meinung des Kammeranwaltes bei, dass es der Beschuldigte bis zu seiner Berufung unterlassen hat, die Urgenzen der - ihm durchaus nicht feindlich gesinnten - Dr. U M entsprechend zu beantworten, d.h. insbesondere auf die behaupteten in der Sphäre ihrer Eltern liegende Verzögerungsgründe hinzuweisen und dass sein jahrelanges Schweigen gegenüber der Mandantin und sein untätiges und unbeteiligtes Verhalten gegenüber seiner Standesbehörde vielmehr signalisieren, dass er nicht in der Lage ist, konkrete Entlastungsbehauptungen aufzustellen, geschweige denn unter Beweis zu stellen. Dies auch deshalb, weil ohne klares Vorbringen nicht ersichtlich ist, inwieweit die behaupteten 'finanziellen Engpässe' die Löschung der Baurechtseinlage zu hindern geeignet gewesen sein konnten."

              3. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

              4. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor,

erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II.              Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

              1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.

              Der Beschwerdeführer wurde daher durch den

angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

              2.1. Der Beschwerdeführer behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Begründend wird unter anderem ausgeführt, die belangte Behörde habe Willkür geübt, weil sie die Rechtslage verkannt und die Ermittlungstätigkeit in entscheidenden Punkten unterlassen habe. Die Feststellungen der belangten Behörde würden auf den Unterstellungen einer nicht informierten Zeugin beruhen. Darüber hinaus sei es unzutreffend, dass der Beschwerdeführer ein "einfaches" Mandat nicht erfüllt habe. Schließlich sei der Vorwurf, ein unsubstantiiertes Vorbringen erstattet zu haben, unrichtig, weil er zur Offenlegung vertraulicher Informationen weder berechtigt noch verpflichtet sei.

              2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

              Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes .

              Die belangte Behörde hat ein - aus verfassungsrechtlicher Sicht - nicht zu beanstandendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, weshalb ihr nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer durch seine jahrelange Untätigkeit gegen §9 Abs1 Rechtsanwaltsordnung verstoßen hat und ihn dieses Verhalten disziplinarrechtlich verantwortlich macht.

              Auch im Übrigen behauptet die Beschwerde nur einfachgesetzliche Rechtsverletzungen sowie Verfahrensmängel, die nicht in die Verfassungssphäre reichen. Willkür oder eine denkunmögliche Gesetzesanwendung sind der belangten Behörde dabei keinesfalls vorzuwerfen, die Entscheidung wurde schlüssig und nachvollziehbar begründet. Ob sie insgesamt rechtsrichtig getroffen wurde, ist eine Frage, die der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen hat.

              Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

              3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

              Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

              Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

              4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

              5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B698.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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