RS Vfgh 2006/9/26 B508/06

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 26.09.2006
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

EMRK Art7, Art10
RAO §9
DSt 1990 §1
RL-BA 1977 §2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Mitwirkung an einem nichtigen Schenkungsvertrag und wegen Verfassung eines - unzulässigen Druck ausübenden - Rundschreibens im Zuge eines Baubewilligungsverfahrens

Rechtssatz

Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass schon der Umstand, dass der Geschenknehmer aufgrund des vom Beschwerdeführer errichteten Schenkungsvertrages wegen Vollstreckungsvereitelung strafrechtlich verurteilt wurde, den Beschwerdeführer disziplinarrechtlich verantwortlich macht. Der Beschwerdeführer verkennt, dass nicht der Vorwurf der Erhebung einer aussichtslosen Berufung Gegenstand des Disziplinarverfahrens war. Das standeswidrige Verhalten wurde vielmehr darin erblickt, dass er einen Schenkungsvertrag über eine Liegenschaft errichtete, obwohl er wusste, dass gegen die Geschenkgeberin ein Rückersatzanspruch von bezogenen Sozialleistungen geltend gemacht und für den Fall der Nichtzahlung die grundbücherliche Sicherstellung der Forderung auf dieser Liegenschaft verfügt wurde.

Der Verfassungsgerichtshof kann auch keine willkürliche Vorgangsweise darin erblicken, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertritt, dass die im Rundschreiben des Beschwerdeführers vom 27.10.03 gewählten Formulierungen geeignet waren, zumindest bei einzelnen Adressaten derart begründete Besorgnis wegen allfälliger Schadenersatzansprüche hervorzurufen, dass sie tatsächlich die erhobenen Einwendungen im Baubewilligungsverfahren zurückzuziehen bereit gewesen wären.

Keine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren. Der Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass es zur Erhebung des relevanten Sachverhaltes nicht auch noch der Einvernahme des vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen bedurfte.

Keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit.

Es kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertritt, dass der Beschwerdeführer mit dem inkriminierten Rundschreiben den Zweck verfolgte, die Adressaten zur Rückziehung ihrer Einwendungen zu veranlassen und sie die gewählten Formulierungen als über das iSd §9 RAO bzw §2 RL-BA 1977 zulässige Maß hinausgehend ansieht, zumal der Rechtsanwalt im Hinblick auf sein rechtliches Fachwissen und die Verpflichtung, die Gesetze zu beobachten und übernommene Vertretung dem Gesetz gemäß zu führen, eine besondere Vertrauensstellung in der Öffentlichkeit genießt.

Keine Verletzung des Klarheitsgebotes iSd Art7 EMRK.

Die Verurteilung des Beschwerdeführers stützt sich auf §9 RAO iVm §1 DSt 1990. Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung des Sachverhaltes im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation der Begriffe "Ehre und Ansehen des Standes" für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste, nämlich, dass er sich einer Bestrafung aussetzt, indem er einen Schenkungsvertrag hinsichtlich einer Liegenschaft errichtete, obwohl er wusste, dass gegen die Geschenkgeberin ein Rückersatzanspruch iHv ATS 237.772,20 geltend gemacht und im Falle der Nichtzahlung die grundbücherliche Sicherstellung der Forderung auf dieser Liegenschaft verfügt wurde.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, fair trial, Klarheitsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B508.2006

Dokumentnummer

JFR_09939074_06B00508_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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