TE Vfgh Erkenntnis 2008/9/29 B473/08

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §9
StPO §252

Leitsatz

Keine willkürliche Verhängung einer Disziplinarstrafe über einenRechtsanwalt wegen Verrechnung überhöhter Honorare in einemScheidungsverfahren mangels einer Zeugeneinvernahme

Spruch

I. Hinsichtlich des aufhebenden Teiles des angefochtenen Bescheides wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Hinsichtlich des abweisenden Teiles des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Disziplinarrates der Oberösterreichischen

Rechtsanwaltskammer vom 11. September 2006 wurde der Beschwerdeführer der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes für schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldbuße in Höhe von € 3.000,- sowie zum anteiligen Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt, weil er

"in der Zeit von Juli 2002 bis Oktober 2003 als

Rechtsvertreter der R G im Verfahren ... des Bezirksgerichts E wegen

Ehescheidung gemäß §55 Ehegesetz in dem daran anschließenden Grundbuchsverfahren zur bücherlichen Durchführung des vor dem Bezirksgericht E in der Streitverhandlung am 29.08.2002 abgeschlossenen Vergleiches sowie im nachfolgenden Verwaltungsverfahren (Siedlungsverfahren vor der Agrarbezirksbehörde OÖ betreffend den Verkauf von

Liegenschaftsanteilen der EZ ..., Grundbuch ... des Bezirksgerichts E

an die Ehegatten J und C M) seiner Mandantin R G erbrachte Leistungen überhöhte und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderliche Leistungen verrechnete, nämlich die in der Leistungsaufstellung per 3.9.2003 angeführten Interventionen und Kommissionen beim Bezirksgericht E (Grundbuch/Gericht) und ein Rangordnungsgesuch vom 5.7.2002, sowie von den in der Leistungsaufstellung per 2.10.2003 enthaltenen Telefonaten mindestens 10 Telefonate mit der Agrarbezirksbehörde (Frau F) und der Raiffeisenbank Wolfern (Ing. B) und die Zustimmung der R G zur Behebung seines insoweit überhöhten Honorars aus dem bei ihm erliegenden Treuhanderlös ohne hinreichende Aufklärung der R G erwirkte."

2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 10. Dezember 2007 hinsichtlich des Faktums der Kosten für die Vertretung im Siedlungsverfahren vor der Agrarbezirksbehörde für Oberösterreich einschließlich der in der Leistungsaufstellung genannten Tätigkeiten sowie der Kostenpauschalierung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid in diesem Umfang sowie im Strafausspruch aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an den Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer zurückverwiesen.

Hinsichtlich des Faktums der Kosten für die grundbücherliche Durchführung des im Ehescheidungsverfahren vor dem Bezirksgericht E am 29. August 2002 geschlossenen Vergleichs wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.

3. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein faires Verfahren und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides in seinem gesamten Umfang begehrt wird.

4. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Äußerungen in der Beschwerde entgegentritt.

II. Zur Zulässigkeit:

1.1. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides seinem gesamten Inhalt nach.

1.2. Mit dem aufhebenden Teil des angefochtenen Bescheides wurde der Bescheid des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer hinsichtlich des Faktums "Siedlungsverfahren vor der Agrarbehörde für Oberösterreich einschließlich der in der Leistungsfeststellung 'per 2.10.2003' genannten Tätigkeiten und der mit R G getroffenen Kostenpauschalierung" aus dem Rechtsbestand beseitigt. Der Beschwerdeführer kann durch diesen Teil des Bescheides, der einen Eingriff in seine Rechte behebt, nicht beschwert sein (VfSlg. 10.859/1986).

Hinsichtlich des aufhebenden Teiles des angefochtenen Bescheides war die Beschwerde daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

2. Da im Übrigen die Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde hinsichtlich des abweisenden Teiles des angefochtenen Bescheides zulässig.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren. Begründend führt er im Wesentlichen aus, er habe dem Einleitungsbeschluss nicht entnehmen können, worum es im Verfahren gehen werde, weshalb er sich nicht ausreichend verteidigen habe können.

2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, handelt es sich bei einem Einleitungsbeschluss lediglich um eine prozessleitende Verfügung, die der Durchführung eines Disziplinarverfahrens vorauszugehen hat (vgl. VfSlg. 17.505/2005, 17.924/2006). Durch den Einleitungsbeschluss tritt keine Präjudizierung des Disziplinarrates ein (vgl. VfSlg. 12.962/1992).

Der Beschwerdeführer hatte sowohl in seinen Schriftsätzen und in den mündlichen Verhandlungen vor dem Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer - denen er jedoch fern blieb - als auch in der mündlichen Verhandlung vor der OBDK am 10. Dezember 2007 - an der der Beschwerdeführer teilnahm - ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen und sich zu verteidigen. In die Verfassungssphäre reichende Fehler sind dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

3.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil die Aussage einer Zeugin, die im Rechtshilfeweg erfolgt ist, nicht verlesen hätte werden dürfen.

3.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Zeugin war - unbestritten - nicht bereit, zur Disziplinarverhandlung vor dem Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer nach Linz zu reisen. Der belangten Behörde kann daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass der Vernehmung der Zeugin erhebliche Gründe iSd §252 Abs1 Z1 StPO 1975 entgegengestanden sind. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 25. August 2006 selbst mitgeteilt, dass er an die Zeugin keine konkreten Fragen habe.

Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 16.570/2002 und 16.295/2003).

Die Beschwerde war daher hinsichtlich des abweisenden Teils des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite bzw. Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Strafprozessrecht, VfGH /Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B473.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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