RS Vfgh 2006/10/13 B293/05

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 13.10.2006
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
RAO §2, §5a, §15, §21b, §30

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung der Anträge eines Rechtsanwaltes auf Eintragung eines pensionierten Richters in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter und Erteilung einer Substitutionsberechtigung mangels Hauptberuflichkeit der Tätigkeit; keine gleichheitswidrige bzw gegen die Erwerbsfreiheit verstoßende Auslegung der belangten Behörde durch Annahme der Erforderlichkeit der Hauptberuflichkeit der Tätigkeit als Berufsausübungsvoraussetzung des Rechtsanwaltsanwärters; keine Bedenken gegen die Koppelung der Substitutionsbefugnis an die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter; Zurückweisung der Beschwerde des zweitbeschwerdeführenden Richters wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges mangels Beteiligung am Rechtsmittelverfahren

Rechtssatz

Der Erstbeschwerdeführer hat mittels eines Formulars einen Antrag auf Eintragung des Zweitbeschwerdeführers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter und einen Antrag auf Ausstellung einer großen Legitimationsurkunde (LU) gestellt. Der "zum Zeichen des Einverständnisses" erfolgten "Mitfertigung" des Gesuchs durch den Zweitbeschwerdeführer ist daher zumindest die Bedeutung einer Antragstellung auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter auch durch diesen beizumessen. Aufgrund des klaren Wortlautes des §30 Abs4 RAO ist der Zweitbeschwerdeführer jedenfalls (Mit-)Antragsteller und Partei des Verfahrens auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter gewesen.

Da sich der Zweitbeschwerdeführer jedoch am Rechtsmittelverfahren auch insofern nicht mehr beteiligt hat, als es um seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter ging (keine Erhebung einer Vorstellung bzw Berufung), ist seine Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges als unzulässig zurückzuweisen.

Die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter ist nach dem Gesetz auch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Tätigkeit als Zeit der "praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt" iSd §2 RAO für eine spätere Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte berücksichtigt werden kann.

Im Falle der Eintragung in die Liste kann für den betreffenden Rechtsanwaltsanwärter ohne weitere Voraussetzungen eine kleine LU gemäß §15 Abs3 RAO ausgestellt werden. Mit dem erstmals in der Vorstellung des Erstbeschwerdeführers ausdrücklich gestellten Eventualantrag, "bei Versagung einer 'großen Legitimationsurkunde' zumindest eine 'kleine Legitimationsurkunde' auszustellen", wurde daher kein neuer, über das im Antrag an den Kammerausschuss gestellte Begehren auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter hinausgehender Verfahrensgegenstand in das Verfahren eingeführt.

Die gesetzliche Anforderung der Hauptberuflichkeit der Tätigkeit - die neben dem eigenständigen Erfordernis, nicht durch eine andere berufliche Tätigkeit beeinträchtigt zu sein, erfüllt sein muss - ist zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes nur eine Voraussetzung für die Zulassung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft (vgl §2 RAO) bzw für die Nachsicht von der vorherigen Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung im Falle der Erteilung einer Substitutionsberechtigung gemäß §15 Abs2 RAO; es ist aber vertretbar, anzunehmen, dass der Gesetzgeber in der RAO hinsichtlich der Berufsausübungsvoraussetzung der praktischen Verwendung für Rechtsanwaltsanwärter ein einheitliches System vorsehen wollte, das eine hauptberufliche Tätigkeit zur Grundvoraussetzung hat (she auch §21b RAO idF BGBl I 93/2003).

Diese Auslegung der belangten Behörde führt weder zu einem gleichheitswidrigen noch zu einem gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit verstoßenden Ergebnis: Es kann dem Gesetzgeber nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn er die mit der Ausübung des Berufes eines Rechtsanwaltsanwärters verbundenen Befugnisse zur Vertretung des Rechtsanwaltes (zB aus Gründen der Qualitätssicherung einschließlich der Sicherstellung einer ausreichenden Vertrautheit mit den spezifischen Vorgängen in einer Rechtsanwaltskanzlei) nur jenen zugestehen wollte, deren Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt "hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit" erfolgt.

Der Gesetzgeber war nicht gehalten, Ausnahmen für jene Fälle vorzusehen, in denen Juristen zwar eine Tätigkeit anstreben, welche mit der Befugnis zur Vertretung des Rechtsanwaltes verbunden ist (und nicht bloß eine juristische Tätigkeit als Angestellte, wie sie ihnen ohnedies freistünde), die das nach dem Gesetz dafür vorgeschriebene zeitliche Ausmaß der Verwendung aber aus welchen Gründen immer nicht erbringen wollen.

Dies gilt im Besonderen für jene Fälle, in denen die Betreffenden weder die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung noch die Ausübung des Berufes eines Rechtsanwaltes in Erwägung ziehen. Denn die Tätigkeit des Rechtsanwaltsanwärters ist wesensmäßig als Ausbildungszeit für jene gedacht, die den Beruf eines Rechtsanwaltes tatsächlich anstreben.

Schließlich begegnet es auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die belangte Behörde die beabsichtigte Betätigung des Zweitbeschwerdeführers im Ausmaß von nur 15 Wochenstunden als nicht dem Erfordernis der Hauptberuflichkeit entsprechend beurteilt hat.

Keine Bedenken gegen die Koppelung der Erteilung einer Substitutionsbefugnis an die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte Berufsrecht, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Parteistellung, Auslegung verfassungskonforme, Berufungsgegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B293.2005

Dokumentnummer

JFR_09938987_05B00293_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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