RS Vfgh 2007/3/16 G40/06

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 16.03.2007
beobachten
merken

Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7050 Schischule

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
VfGG §65a
Vlbg SchischulG §11 Abs4, Abs5

Leitsatz

Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit durch die Verpflichtungzum Angebot bestimmter Mindestleistungen in den Schischulen vonWeihnachten bis Ostern im Vorarlberger Schischulgesetz;unverhältnismäßige Einschränkung der unternehmerischenDispositionsfreiheit im Verhältnis zu öffentlichen Interessen, etwades Tourismus oder der Sicherheit auf Schipisten; Zurückweisung desansonsten zulässigen Individualantrags eines Schischulbetreibershinsichtlich der Verordnungsermächtigung zur Reduzierung desMindestangebotes; kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre desAntragstellers

Rechtssatz

Zulässigkeit des Individualantrags eines Schischulbetreibers auf Aufhebung des §11 Abs4 Vlbg SchischulG, LGBl 55/2002.

Die bekämpfte Bestimmung sieht vor, dass Schischulen in der Zeit zwischen Weihnachten und der Woche nach Ostern (sofern die Schneelage es zulässt) bestimmte Leistungen anzubieten haben. Diese Verpflichtung berührt den Antragsteller als Betreiber einer Schischule nachteilig, unmittelbar und aktuell in seiner Rechtsposition.

Kein zumutbarer Umweg im durchgeführten Bewilligungsverfahren nach §4 Vlbg SchischulG; dem Antrag des Einschreiters auf Erteilung der Bewilligung zur Führung einer Schischule wurde vollinhaltlich entsprochen; Beschwerde nach Art144 B-VG wäre daher mangels Beschwer von vornherein aussichtslos gewesen; Provozierung eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens ebenfalls nicht zumutbar.

Zurückweisung des Individualantrags hins §11 Abs5 Vlbg SchischulG (betr Reduzierung des Leistungsangebotes mittels Verordnung).

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass diese Regelung überhaupt (nachteilig) in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen könnte, würde dieser Eingriff nicht unmittelbar durch §11 Abs5 Vlbg SchischulG bewirkt, sondern erst durch die auf diese Bestimmung gestützte Verordnung.

Aufhebung des §11 Abs4 Vlbg SchischulG, LGBl 55/2002, wegen Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit.

Eingriff in die durch Art6 StGG gewährleistete Grundrechtsposition insoweit, als unabhängig von der konkreten Nachfrage bestimmte Leistungen angeboten werden müssen; Einschränkung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit der Schischulbetreiber.

Ziele eines qualitativ hochwertigen Schiunterrichts bzw der Sicherheit beim Schilauf im öffentlichen Interesse gelegen; Regelung auch geeignet, die Existenz einer breiten und qualitativ hochwertigen Angebotspalette an Schikursen in den Schigebieten zu begünstigen.

§11 Abs4 Vlbg SchischulG ist jedoch der Zielerreichung nicht adäquat.

Dass die Verpflichtung zu einem Mindestangebot für die Förderung von Tourismusinteressen tatsächlich notwendig ist, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Die Anordnung, Gruppenunterricht im klassischen alpinen Schilauf in drei Leistungsklassen, Gruppenunterricht im Snowboardfahren sowie Gruppenunterricht für Kinder im klassischen alpinen Schilauf und im Snowboardfahren anbieten zu müssen, dient dem Ziel des Tourismus nur teilweise.

Die Regelung verhindert eine Spezialisierung hinsichtlich bestimmter Fertigkeiten oder Interessengruppen, die aus der Sicht der Attraktivität des Angebots für Fremdenverkehrsgäste nicht niedriger zu bewerten sein dürfte als die Sicherung des gesamten Angebotes.

Zur Erreichung des Zieles der Sicherheit auf Schipisten trägt die Regelung schon allein deshalb nicht erheblich bei, weil der Gesetzgeber bei Snowboardkursen und bei Kinderschikursen (bei denen schon allein auf Grund des verschiedenen Alters der Teilnehmer an Schikursen unterschiedliches Können der Regelfall ist) auf das Gebot von Leistungsklassen verzichtet, ohne dass erkennbar wäre, warum bei diesen Arten das Sicherheitsrisiko geringer wäre.

Dass während der Haupt- und Zwischensaisonen bei ausreichender Schneelage in den größeren Schigebieten das Kernangebot an Schiunterricht ohne gesetzliche Regelung nicht mehr gegeben wäre, vermochte die Landesregierung nicht darzutun.

Es mag zwar zutreffen, dass die Anordnung eines bestimmten Leistungsangebots verhältnismäßig ist, wenn der Unternehmer die Möglichkeit hat, unter bestimmten Voraussetzungen von diesem (nach unten hin) abzuweichen. Eine solche Regelung ist in einem Wirtschaftsbereich wie dem der Schischulen jedoch dann nicht adäquat, wenn die Entscheidung über das Angebot nicht mehr von diesem selbst getroffen werden kann, sondern einem Verwaltungsorgan (hier: Verordnungsermächtigung der Landesregierung gem §11 Abs5) übertragen wird.

Kostenzuspruch gemäß §65a VfGG unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller nur teilweise obsiegt hat.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Schischulen, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Individualantrag, VfGH/ Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:G40.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten