RS Vfgh 2007/3/17 G119/06

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Veröffentlicht am 17.03.2007
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art12 Abs1 Z1
B-VG Art21 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
KAKuG §16, §27 Abs4, §44, §45, §46
Wr KAG 1987 §45 Abs3
Wr Stadtverfassung §131a

Leitsatz

Zulässigkeit des Drittelantrags von Mitgliedern des Wiener Landtagesauf Aufhebung einer Bestimmung des Wiener Krankenanstaltengesetzes1987; prozessuale Unwirksamkeit der Zurückziehung der Zustimmungeinzelner Abgeordneter zur Gesetzesanfechtung nach Neuwahlen; keineGrundsatzgesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung betreffend dieBerechtigung der Abteilungs- oder Institutsvorstände vonKrankenanstalten zur Vereinbarung von Honoraren mit Patienten derSonderklasse und die Beteiligung der anderen Ärzte; jedochKompetenzwidrigkeit mangels Kompetenz des Landesgesetzgebers zurRegelung arbeits- und dienstrechtlicher Inhalte im Rahmen desKrankenanstaltenwesens sowie wegen Überschreitung derlandesgesetzlichen Dienstrechtskompetenz

Rechtssatz

Anfechtungsbefugnis iSd Art140 Abs1 zweiter Satz B-VG und des Art131a Wr Stadtverfassung nicht zum Schutz subjektiver Rechte, sondern Recht einer qualifizierten Minderheit zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung.

Das zur Antragstellung legitimierte Drittel der Abgeordneten der gesetzgebenden Körperschaft ist auf der Grundlage der in VfSlg 8644/1979 ausgeführten Rechtsauffassung ab der wirksamen und zulässigen Antragstellung vor dem Verfassungsgerichtshof einer einheitlichen Verfahrenspartei gleichzuhalten, die als solche unabhängig davon fortbesteht (und zufolge der Bestellung einer bevollmächtigten, subsidiär durch die an erster Stelle stehende Person auch unverändert prozessual handlungsfähig ist), ob einzelne ihrer Mitglieder die für die Antragstellung erforderliche Qualifikation als Abgeordneter in weiterer Folge durch Neuwahlen oder auf andere Weise verlieren (oder durch Tod aus dem Parlament ausscheiden).

Mit der nach der bisherigen Rechtsprechung zulässigen Zurückziehung des Antrages kann die "Zurückziehung der Zustimmung" einzelner Abgeordneter nicht gleichgesetzt werden: Die spätere Zurückziehung einer einmal gegebenen, mittlerweile aber zur Grundlage eines anhängigen Verfahrens gewordenen Zustimmung ist prozessual unwirksam und hindert nicht mehr die Durchführung des Gesetzesprüfungsverfahrens.

Keine Grundsatzgesetzwidrigkeit des §45 Abs3 Wr KAG idF LGBl 48/2001.

Einheitlicher Vertrag zwischen Patient und Krankenanstaltenträger bei Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt.

Keine Festlegung von Sondergebühren, keine Verpflichtung der Sonderklassepatienten zum Abschluss einer Honorarvereinbarung in §45 Abs3 Wr KAG 1987.

Kein Rechtsanspruch auf Betreuung durch einen bestimmten Arzt, erst bei zusätzlicher Vereinbarung zwischen Ärzten und Sonderklassepatienten.

Das Grundsatzgesetz stellt es dem Ausführungsgesetzgeber in §27 Abs4 Z1 KAKuG frei, zu bestimmen, ob und welche weiteren Entgelte in der Sonderklasse neben den LKF-Gebühren und den Sondergebühren eingehoben werden können (siehe auch die Regelungen über die Ausnahme von Arzthonoraren iSd §46 Abs1 KAKuG vom Verbot zusätzlicher Entgelte in öffentlichen gemeinnützigen Krankenanstalten - unmittelbar anwendbares Bundesrecht).

Kompetenzwidrigkeit des §45 Abs3 Wr KAG idF LGBl 48/2001.

Grundsätzliche Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Regelung so genannter Ordnungsfragen wie hier der Frage der Honorarvereinbarungen unter dem Kompetenztatbestand "Heil- und Pflegeanstalten" in Art12 Abs1 Z1 B-VG.

Die angefochtene Norm des §45 Abs3 des Wr KAG geht aber über einen solchen, im Rahmen des Kompetenztatbestandes "Heil- und Pflegeanstalten" zulässigen Regelungsinhalt insofern hinaus, als sie sich nicht damit begnügt, solche Vereinbarungen in öffentlichen Krankenanstalten zuzulassen und den Personenkreis zu umschreiben, dem der Abschluss solcher Vereinbarungen gestattet werden darf, sondern es überdies den in dieser Bestimmung genannten Ärzten unter dem Vorbehalt einer Teilnahme auch untergeordneter Ärzte am Honorar im Ausmaß von mindestens 40% allgemein gestattet, solche Vereinbarungen abzuschließen.

Unmittelbarer Eingriff in das rechtliche Verhältnis zwischen dem Krankenanstaltenträger und den angestellten Ärzten.

Ob ein angestellter Arzt neben seinem Dienstverhältnis auch noch privatrechtliche Vereinbarungen mit Patienten über eine persönliche Betreuung abschließen darf, sowie, auf welche Weise und in welchem Umfang er für den Fall der Inanspruchnahme dieser Erlaubnis im Gegenzug andere Bedienstete oder den Krankenanstaltenträger daran zu beteiligen hat, ist eine Frage der (vertraglichen oder gesetzlichen) Ausgestaltung des konkreten Dienstverhältnisses.

Der Landesgesetzgeber hat hier die ihm auf dem Gebiet des Dienstrechtes gemäß Art21 Abs1 B-VG zukommende Kompetenz überschritten: Die angefochtene Norm gilt nämlich mangels einer Beschränkung ihres Geltungsbereiches auf Gemeindebedienstete darüber hinaus sowohl für Bedienstete in Krankenanstalten anderer Rechtsträger, als auch für jene Ärzte des AKH, die dem Dienstrecht des Bundes unterliegen, und zugleich eine der in §45 Abs3 Wr KAG genannten Funktionen innehaben. Hinsichtlich dieser Personenkreise kommt dem Land eine Dienstrechtskompetenz nach Art21 Abs1 B-VG aber nicht zu.

Der Landesgesetzgeber vermag daher seine Gesetzgebungskompetenz betreffend die angefochtene Bestimmung arbeits- und dienstrechtlichen Inhalts angesichts dieser Komplexität weder auf den Kompetenztatbestand des Art12 Abs1 Z1 B-VG "Heil- und Pflegeanstalten", noch auf die Kompetenznorm des Art21 Abs1 B-VG zu stützen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Krankenanstalten, Sondergebühren, Grundsatz- undAusführungsgesetzgebung, Kompetenz Bund - Länder Krankenanstalten,Kompetenz Bund - Länder Dienstrecht, VfGH / Legitimation, VfGH /Zurücknahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:G119.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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