RS Vfgh 2007/6/14 G14/07 ua

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Veröffentlicht am 14.06.2007
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK Art5 Abs1 litf
AsylG 2005 §5, §10, §19, §27, §29, §44, §45
FremdenpolizeiG 2005 §39, §76 Abs2 Z4
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7

Leitsatz

Kein Verstoß gegen das Recht auf persönliche Freiheit durch eineBestimmung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 über die Ermächtigung zurAnordnung der Schubhaft aufgrund begründeter Annahme derZurückweisung des Asylantrags bzw des Antrags eines Fremden aufinternationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs;Prognoseentscheidung der Fremdenpolizeibehörde als Teil desschwebenden Ausweisungsverfahrens; Entziehung der persönlichenFreiheit zur Sicherung einer Ausweisung zulässig

Rechtssatz

Die Fremdenpolizeibehörde hat gemäß §76 Abs2 Z4 FremdenpolizeiG 2005 aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung des Asylwerbers, also zum frühest möglichen Zeitpunkt, eine Prognose über die zu erwartende Entscheidung der zuständigen Asylbehörde anzustellen, welche - abgesehen von der stets im Einzelfall zu prüfenden Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft - die grundlegende Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung bildet.

Der verfassungsrechtliche Begriff der Ausweisung iSd Art2 Abs1 Z7 PersFrSchG 1988 und Art5 Abs1 litf EMRK geht von einer materiellen Betrachtungsweise aus und ist nicht mit dem im formellen Ausweisungsverfahren (wie es der einfache Gesetzgeber im AsylG 2005 und im FremdenpolizeiG geregelt hat) verwendeten Begriff gleichzusetzen. Denn der Ausdruck "Ausweisung" in den zitierten Verfassungsbestimmungen umfasst "vom Wortsinn her alle fremdenpolizeilichen Maßnahmen, die darauf abzielen, daß der Fremde das Land verlasse" (vgl VfSlg 13300/1992).

Die - mit der Entscheidung der Asylbehörde über die Frage, welcher Staat zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, systematisch und zeitlich in engem Zusammenhang stehende - Prognoseentscheidung der Fremdenpolizeibehörde ist mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende Ausweisung bzw Verfahrenseinleitung (§29 Abs3 Z4 iVm §27 Abs1 Z1 AsylG 2005) von einer derartigen "rechtlichen Verdichtung" geprägt, dass dieser Verfahrensschritt durchaus vom verfassungsrechtlichen Begriff "schwebendes Ausweisungsverfahren" iSd Art5 Abs1 litf EMRK umfasst ist.

Von Verfassungs wegen ist es auch nicht erforderlich, dass diejenige Behörde, die letztlich für die Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zuständig ist, (selbst) einen nach außen erkennbaren Willensakt artikuliert. Um dem Erfordernis eines "schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahrens" zu entsprechen, genügt es demnach, dass die für die Verhängung der Schubhaft zuständige Fremdenpolizeibehörde - auf Basis eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und im Lichte der daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen - mit guten Gründen davon ausgehen kann, dass die Asylbehörde einen Bescheid gemäß §5 AsylG 2005 erlassen wird.

Abweisung des Gesetzesprüfungsantrags des VwGH; Zurückweisung des Antrags des UVS Steiermark:

Der UVS Steiermark hat die - seinem Gesetzesprüfungsantrag zugrunde liegende - Schubhaftbeschwerde bereits mit Bescheid vom 30.03.07 abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die Bestimmung des §76 Abs2 Z4 FremdenpolizeiG 2005 ist vom antragstellenden UVS - mangels Vorliegens eines Anlassfalles - sohin nicht (mehr) anzuwenden.

Entscheidungstexte

  • G 14/07 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 14.06.2007 G 14/07 ua

Schlagworte

Fremdenrecht, Schubhaft, Asylrecht, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:G14.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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