RS Vfgh 2007/6/28 B1895/06

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Veröffentlicht am 28.06.2007
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs1 Z4
B-VG Art98
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
F-VG 1948 §7 Abs4, §8 Abs3
FAG 2005 §14 Abs1 Z8, §14 Abs2
GlücksspielG §12a, §31a
Wr VergnügungssteuerG 2005 §6, §13

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchVorschreibung von Vergnügungssteuer für den Betrieb vonVideolotterieterminals als Teil einer Elektronischen Lotterie; keinVerstoß der landesgesetzlichen Regelung des WrVergnügungssteuergesetzes 2005 betreffend eine Abgabepflicht fürGeldspielapparate gegen die Kompetenz des Bundes zur Regelung desGlücksspielmonopols; kein Missbrauch der Abgabenform; kein Verstoßgegen das Eigentumsrecht und die Erwerbsausübungsfreiheit im Hinblickauf die Höhe der Abgabenbelastung; kein Verstoß gegen das vomLandesgesetzgeber zu beachtende finanzverfassungsrechtlicheBesteuerungsverbot hinsichtlich gleichartiger Bundesabgaben;Vorliegen einer "Lustbarkeitsabgabe" als ausschließlicheGemeindeabgabe im Sinne des Finanzausgleichsgesetzes 2005; keinVerstoß gegen das grundsätzliche Verbot einer diskriminierendenBesteuerung im Glücksspielgesetz; keine Bedenken gegen die Haftungdes Gebäudeeigentümers

Rechtssatz

Keine Verfassungswidrigkeit des §6 Wr VergnügungssteuerG 2005 betreffend die Abgabepflicht für das Halten von Spielapparaten.

Kompetenzneutralität des Abgabenwesens.

Dass der Betrieb eines Videolotterieterminals als Teil einer Elektronischen Lotterie iSd §12a GlücksspielG materiell dem Glücksspielgesetz und damit nicht der sachlichen Kompetenz des Landesgesetzgebers (etwa zur Regelung im Veranstaltungsgesetz) unterliegt, hindert den Wiener Landesgesetzgeber - soweit er dafür finanzverfassungsrechtlich zuständig ist - grundsätzlich nicht, den insofern durch Bundesgesetz geregelten Sachverhalt zum Gegenstand einer Abgabe zu machen.

Kein Missbrauch der Abgabenform; zulässiger nicht-fiskalischer Zweck der vom Gesetz für Spielapparate geforderten Geldleistung (VfSlg 9750/1983); auch angesichts des Hinzutretens von Abgabenbelastungen des Bundes kein Eingriff in die Sachkompetenz des Bundes.

Die Anhebung der Abgabenbelastung für Geldspielapparate auf € 1.400/Monat (gem §6 Wr VergnügungssteuerG 2005) entspricht der Geldentwertungsrate der vergangenen 25 Jahre und ist daher nicht als unverhältnismäßig zu bezeichnen.

Kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht und die Erwerbsausübungsfreiheit.

Die behauptete fehlende Wirtschaftlichkeit kann mit gleichem Recht den bundesgesetzlich geregelten Abgaben angelastet werden. Vor den Grundrechten kommt Abgabenbelastungen des Bundes und der Länder der gleiche Stellenwert zu.

Keine verfassungsrechtlich verpönte "Erdrosselung" einer bestimmten Erwerbstätigkeit. Der Steuergesetzgeber ist, solange er nicht eine Erwerbstätigkeit vollkommen unterbindet, nicht verpflichtet, die Rentabilität der belasteten Tätigkeiten zu garantieren (vgl VfSlg 9750/1983).

Dass im vorliegenden Fall die Steuerbelastung durch die Kumulation von Steuerzugriffen verschiedener Steuergläubiger bewirkt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Kein Verstoß gegen das vom Landesgesetzgeber zu beachtende Verbot der Erhebung von mit Bundesabgaben gleichartigen Abgaben bzw von Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand (§8 Abs3 F-VG 1948).

§14 Abs1 Z8 iVm Abs2 FAG 2005 qualifiziert Lustbarkeitsabgaben (Vergnügungssteuern) ohne Zweckwidmung des Ertrages als ausschließliche Gemeindeabgaben. Kein Ausschluss einer Besteuerung des Haltens von Geldspielapparaten durch solche Abgaben; Betreiben von Videolotterieterminals grundsätzlich als Lustbarkeit iSd §14 FAG 2005 anzusehen.

Kein Verstoß gegen die Grundsatzbestimmung des §31a GlücksspielG.

§7 Abs4 F-VG 1948 gibt dem Bundesgesetzgeber weitreichende Möglichkeiten, die finanziellen Interessen des Bundes gegenüber den Ländern und Gemeinden im Wege von grundsätzlichen Anordnungen zu artikulieren.

Der Bundesgesetzgeber hat in §31a GlücksspielG nicht eine vollständige Abgabenfreistellung dieser Tatbestände normiert, sondern lediglich Sonderbelastungen untersagt. Dem Landesgesetzgeber ist somit nicht die Besteuerung der Konzessionäre (Spielteilnehmer) schlechthin, sondern ihre diskriminierende Belastung untersagt.

Keine Verletzung des grundsätzlichen Gebots der nicht-diskriminierenden Ausgestaltung der landesgesetzlich geregelten Abgabe in §6 Wr VergnügungssteuerG; keine Differenzierung nach "kleinem Glücksspiel" oder außerhalb dieses Bereichs; keine ausschließliche Belastung der Konzessionäre oder deren Spielteilnehmer, keine Höherbelastung von dem Glücksspielmonopol unterliegenden Spielapparaten.

Im Übrigen hat die Bundesregierung trotz Bedenken gegen die Vorschrift des §6 Wr VergnügungssteuerG 2005 unter dem Aspekt des §31a GlücksspielG keinen Einspruch nach Art98 B-VG erhoben (vgl §9 F-VG 1948). Somit keine Gebrauchnahme von der verfassungsrechtlich vorgezeichneten Möglichkeit der Konfliktaustragung und -bereinigung.

Keine Gleichheitswidrigkeit des §6 im Hinblick auf die höhere Besteuerung von Spielapparaten mit Gewinn(auszahlungs)möglichkeit gegenüber sonstigen Spielapparaten (vgl VfSlg 9750/1983).

Keine Bedenken gegen §13 Wr VergnügungssteuerG 2005 (betr die Haftung des Eigentümers eines Gebäudes).

Diese Bestimmung ist generell auf Spiel- oder Musikapparate anwendbar und bewirkt somit keine besondere Belastung der Konzessionäre nach dem GlücksspielG und ihrer Spielteilnehmer.

Die Regelung dient ersichtlich dem (öffentlichen) Interesse an einer effizienten Abgabeneinhebung und ist angesichts der zwischen den angesprochenen Personen und dem primär Abgabepflichtigen typischerweise bestehenden Beziehung sowie angesichts der dem Eigentümer zukommenden Gewinnerzielungs- und Eingriffsmöglichkeiten als sachlich und nicht unverhältnismäßig anzusehen.

Keine denkunmögliche Gesetzesanwendung.

Dass die beschwerdeführende Gesellschaft selbst nicht Inhaberin der Konzession, sondern nur ein Hilfsunternehmen des Konzessionärs (Österreichische Lotterien GesmbH) ist, ist für die Auslegung des §6 Abs1 Wr VergnügungssteuerG 2005 nicht ausschlaggebend.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Vergnügungssteuer, Glücksspiel, Glücksspielmonopol, Kompetenz Bund -Länder Monopolwesen, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Finanzausgleich,Abgaben Gemeinde-, Finanzverfahren Haftung, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B1895.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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