TE Vfgh Erkenntnis 2006/3/2 V82/05

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Veröffentlicht am 02.03.2006
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art103 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
GewO 1994 §125
Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland betr die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe. LGBl 50/2005
VfGG §58

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags eines Rauchfangkehrermeisters auf Aufhebung einer - eine untrennbare Einheit bildenden - Verordnung über die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe; kein Vorliegen einer dem verordnungserlassenden Organ - Landeshauptmannstellvertreter als nach der Geschäftsordnung zuständiges Mitglied der Landesregierung im Namen des Landeshauptmannes - zuzurechnenden Äußerung im verfassungsgerichtlichen Verfahren; Aufhebung der Verordnung mangels zureichenden Ermittlungsverfahrens und mangels Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe; Gesetzwidrigkeit auch der rückwirkenden Inkraftsetzung ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu einer Rückwirkung

Spruch

Die Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland vom 5. Juni 2005 betreffend die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe, LGBl. 50/2005, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seines Vertreters die mit 2.340 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu erstatten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der antragstellende Rauchfangkehrermeister begehrt die Aufhebung der Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland vom 5. Juni 2005 betreffend die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe zur Gänze, in eventu der (die Tarife enthaltenden) Anlage und auf diese hinweisender Wortfolgen in näher genannten Bestimmungen sowie des (das Inkrafttreten regelnden) §7 Abs1, allenfalls anstelle der Anlage auch nur der ziffernmäßigen Eurobeträge der Anlage, dies alles auch ohne §7 Abs1, oder des §7 Abs1 allein.

Die bekämpfte Verordnung wurde vom (gemäß der maßgeblichen Referatseinteilung der Landesregierung zuständigen) Landeshauptmannstellvertreter im Namen des Landeshauptmannes erlassen, stützt sich auf §125 Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2002 und wurde mit dem 34. Stück des Landesgesetzblattes am 15. Juli 2005 kundgemacht. Sie bestimmt, dass für die in der Anlage umschriebenen Leistungen höchstens die dort enthaltenen Tarife verrechnet werden dürfen (§1), enthält die Definitionen der dort verwendeten Begriffe und Berechnungsmethoden (§2), regelt die Voraussetzungen einer Verrechnung zusätzlicher Kosten für verhinderte Kehrung (§3) und von Zuschlägen für bestimmte Zeiten, fremde Kehrgebiete oder außerordentliche Erschwernisse (§4), die Rechnungslegung (§5), die Errichtung einer Schlichtungsstelle für Streitigkeiten aus dem Kehrgesetz (§6) und ihr Inkrafttreten (§7). Nach §7 Abs1 tritt die Verordnung mit Inkrafttreten des (burgenländischen) Kehrgesetzes in Kraft. Das Kehrgesetz vom 31. März 2005 war indessen am 30. Juni 2005 kundgemacht worden und mangels besonderer Anordnung bereits mit 1. Juli 2005 in Kraft getreten.

Der antragstellende Rauchfangkehrermeister erachtet sich als Adressat der Verordnung durch die Festlegung der Höchsttarife unmittelbar (nachteilig) betroffen und sieht keinen anderen Weg, die Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen; das Verlangen eines höheren Entgeltes sei (nach §367 Z31 GewO und §13 Abs1 Z7 Bgld. KehrG) strafbar; es sei ihm unter diesen Umständen nicht zumutbar, einen höheren Betrag (für die jeweils zu erledigende Leistung) einzuklagen, zumal die ins Treffen geführten ruinösen Auswirkungen der Verordnung auch aus dem Zusammenwirken der einzelnen Tarifpositionen folgten.

Gesetzwidrig sei die Verordnung, weil die erforderlichen Ermittlungen zur Gänze unterlassen worden seien. Vielmehr sei sie nach einer Entschließung des burgenländischen Landtags vom 31. März 2005, die bloß den bereits vollständig ausformulierten Text enthalten habe, über Weisung des Landeshauptmannes an das zuständige Regierungsmitglied erlassen worden. Die Interessenvertretung der Rauchfangkehrer sei nicht gehört worden. Ermittlungen über die Leistungsfähigkeit der Betriebe habe es nicht gegeben. Die solcherart festgelegten Tarife seien ruinös (Hervorhebungen im Original):

"a)

Vergleich der neuen Höchsttarif-VO mit der Vorgängerregelung

Vergleicht man die Regelungen und die Tarifansätze der neuen Höchsttarif-VO mit jenen der Vorgängerregelung (dies ist die Verordnung des LH von Bgld vom 22.10.1996 betreffend die Neufestsetzung der Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe, LGBl 65/1997 idF LGBl 18/2003), so zeigt sich, dass ein unmittelbarer Vergleich der Tarifansätze nicht möglich ist. Vielmehr hat eine Umstellung der maßgeblichen Bemessungsgrundlagen für die (höchstens) zu verrechnenden Tarife stattgefunden. So erfolgt die Staffelung des objektbezogenen Tarifes nunmehr etwa in Anknüpfung an die (in kW gemessene) Leistung der Heizung, während zuvor an den (in cm2 gemessenen) Querschnitt des Rauchfanges angeknüpft wurde. Auch wurde die Gliederung der zu erbringenden Leistungen bzw die Gliederung der dafür gebührenden Entgelte geändert. Während zuvor eine Kehr- und Kontrollgebühr, welche sich aus Grundgebühr und Geschoßgebühr zusammensetzte, vorgesehen war, zergliedert die neue Höchsttarif-VO die zu erbringenden Leistungen bzw Entgelte in einen Objekttarif und ein Arbeitsentgelt. Dazu kommen sowohl in der alten als auch in der neuen Regelung verschiedene, heterogene Einzeltarife. Die durch die Höchsttarif-VO bewirkte wirtschaftliche Verschlechterung für den Antragsteller sowie für die übrigen bgld Rauchfangkehrerunternehmen ist daher nur auf Grundlage einer Vergleichsrechnung ersichtlich.

b)

Wirtschaftliche Verschlechterungen für den Antragsteller

Eine solche Vergleichsrechnung ergibt, dass die durch die Höchsttarif-VO eingeführten neuen Höchsttarife für den Antragsteller wirtschaftlich ruinös sind. Beilage 7 enthält ein Gutachten, in dem die maßgebliche wirtschaftliche Vergleichsrechnung angestellt wurde:

Diese[s] Gutachten geht von der realen Gewinn- und Verlustrechnung des Antragstellers für das Wirtschaftsjahr 2004 aus. Diese ist im vorletzten Abschnitt des Gutachtens abgedruckt. Um die genauen Auswirkungen der neuen Höchsttarif-VO zu zeigen, wurden aus dieser Gewinn- und Verlustrechnung alle nicht durch den Kehrtarif beeinflussten außerordentlichen Ertragspositionen ausgeschieden und die Gewinn- und Verlustrechnung auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) reduziert. Das Ergebnis dieser Berechnung des realen EGT des Antragstellers für das Wirtschaftsjahr 2004 findet sich auf den Blättern 3 bis 6 des zweiten Abschnittes des Gutachtens und weist einen Betrag von € 65.045,47 aus.

Zum anderen enthält das Gutachten eine Berechnung jenes EGT, das sich ergeben hätte, wenn den im Wirtschaftsjahr 2004 vom Antragsteller erbrachten Leistungen bereits der neue Höchsttarif zugrunde gelegt worden wäre. Dieser Berechnung liegen die im zweiten Abschnitt des Gutachtens wiedergegebene Betriebsdatenerfassung (Blatt 11), die Arbeitszeitkalkulation (Blatt 12), die Objektgebühr (Blatt 13) sowie die Umsatzkalkulation (Blatt 14) zugrunde. Die Blätter 16 bis 18 enthalten nähere Erläuterungen zur Methode der Berechnung. Der letzte Abschnitt des Gutachtens schließlich enthält die Daten der Lohnkonten des Antragstellers, welche Basis für die Kalkulation der Lohnkosten bildeten. Auf Basis all dieser Berechnungen ergibt sich, unter Zugrundelegung der neuen Höchsttarif-VO, ein fiktives EGT des Antragstellers für das Wirtschaftsjahr 2004 von € - 6.239,64.

Schon dieser Vergleich zeigt, dass [der] mit dem neuen Höchsttarif eine eklatante wirtschaftliche Verschlechterung für den Antragsteller verbunden ist und dem Antragsteller auf Basis der neuen Höchsttarife ein wirtschaftlich vertretbares, geschweige denn kostendeckendes Führen des Rauchfangkehrerbetriebes unmöglich ist.

Dazu kommt, dass das Gutachten naturgemäß nur Veränderungen aufgrund der neuen ziffernmäßigen Tarifansätze errechnen konnte. Nicht berücksichtigt sind daher jene Änderungen, die daraus resultieren, dass sich aufgrund der für die Kunden günstigeren Tarife das Nachfrageverhalten ändern wird. Dies gilt insbesondere für jene tariflichen Positionen, deren zugrunde liegende Leistung auch von anderen Gewerbetreibenden erbracht werden dürfen. Ein Vergleich am Markt zeigt die wirtschaftliche Unangemessenheit der Höchsttarife. So beträgt der Stundensatz der Rauchfangkehrer laut Höchsttarif-VO lediglich € 22,93, ein denselben Leistungen entsprechender Stundensatz bei einem in der selben Region tätigen Gewerbebetrieb (Installationsunternehmen) liegt bei € 55,00 (siehe dazu Beilage 8). Andererseits wird eine Senkung des Höchsttarifes hier zu einem Abwandern der Kunden von anderen Gewerbetreibenden hin zu Rauchfangkehrerbetrieben führen. Dass hierdurch allenfalls eine Umsatzsteigerung der Rauchfangkehrerbetriebe bewirkt wird, vermag Nachteile nicht zu verhindern. Denn die festgesetzten Höchsttarife liegen, wie die Zahlen des Gutachtens belegen, sogar unter den Selbstkosten der Rauchfangkehrerbetriebe, sodass jede auf Basis dieses Höchsttarifes erbrachte Leistung nur zu einem weiteren Verlust führen kann.

Nicht berücksichtigt sind in der Vergleichsrechnung weiters Auswirkungen von Teilen des neuen Kehrgesetzes. Besonders evident ist dies bei jenen Leistungen, die von Rauchfangkehrern überhaupt kostenlos erbracht werden müssen, wie etwa den mit den Reinigungen zu verbindenden brandsicherheitstechnischen Überprüfungen oder die durch Terminverschiebungen seitens des Kunden erforderlichen zusätzlichen Kehrtermine (§3 Abs3 letzter Satz und §9 Abs3 Bgld Kehrgesetz). Dass die Kostenfreiheit hier im Gesetz enthalten ist, kann zwar nicht der Höchsttarif-VO angelastet werden. Dieser Aspekt hätte aber bei Erlassung der Höchsttarif-VO mitberücksichtigt werden müssen und verringert natürlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betriebe. Weiters unberücksichtigt ist der auf 20% reduzierte Höchsttarif bei reinen Überprüfungstätigkeiten (§2 Abs3 der Höchsttarif-VO). Dies wird einen erheblichen Umsatzrückgang bewirken. Aus all den genannten Gründen werden die durch die Höchsttarif-VO bewirkten wirtschaftlichen Verschlechterungen für den Antragsteller die oben genannten ziffernmäßigen Einbußen sogar noch deutlich übertreffen."

Daher verstoße die Verordnung auch inhaltlich gegen das Gesetz:

"Bei einem solchen Ergebnis kann nicht davon gesprochen werden, dass bei Erlassung der Höchsttarif-VO 'auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe' Bedacht genommen wurde. §125 Abs1 zweiter Satz GewO 1994 verlangt dies aber ausdrücklich als gesetzliche Voraussetzung für Höchsttarif-Verordnungen. Die angefochtene Höchsttarif-VO widerspricht daher ihrer gesetzlichen Grundlage. Sie ist somit gesetzwidrig.

Daneben verstößt die Höchsttarif-VO auch gegen §125 Abs1 dritter Satz iVm §123 Abs1 zweiter Satz GewO 1994. Denn die zuletzt genannte Bestimmung verlangt - freilich im Zusammenhang mit der Erlassung der Kehrgebietseinteilungen - unter anderem, dass die Grenzen der Kehrgebiete so festzulegen sind, dass 'innerhalb eines Kehrgebietes die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von mindestens zwei Rauchfangkehrerbetrieben mit mindestens je zwei hauptberuflich beschäftigten Arbeitnehmern gewährleistet ist'. Davon kann nach Erlassung der angefochtenen Höchsttarif-VO, wie oben dargelegt, keine Rede mehr sein. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Ergebnis als Verstoß gegen §123 Abs1 zweiter Satz GewO 1994 oder als Verstoß gegen §125 Abs1 dritter Satz GewO 1994 anzusehen ist: Als Verstoß der Höchsttarif-VO gegen §125 Abs1 dritter Satz GewO 1994 kann man es jedenfalls insoweit ansehen, als diese Bestimmung den Konnex zwischen diesen beiden Verordnungen herstellt und erforderlichenfalls eine Differenzierung des Höchsttarifes nach Kehrgebieten verlangt, was die Höchsttarif-VO nicht tut. Sicherlich unzulässig ist aber auch, dass der Landeshauptmann von Burgenland durch Erlassung der Höchsttarif-VO seine eigene Kehrgebiets-VO materiell in Widerspruch mit §123 Abs1 zweiter Satz GewO 1994 bringt. In jedem Fall hat somit die Höchsttarif-VO bewirkt, dass die geltende Kehrgebiets-VO nicht mehr der gesetzlichen Grundlage entspricht und invalidiert ist. Gesetzmäßig kann dies auf keinen Fall sein."

Die Rückwirkungsanordnung des §7 Abs1 Höchsttarif-VO sei durch das Gesetz nicht gedeckt.

Der Verfassungsgerichtshof hat den Landeshauptmann von Burgenland (in dessen Namen die Verordnung erlassen wurde) eingeladen, eine Äußerung zum Gegenstand zu erstatten und die Akten vorzulegen. Am 16. November 2005 hat die Burgenländische Landesregierung eine solche Äußerung erstattet. Auf diese hat der Antragsteller am 30. November 2005 repliziert. Hierauf legte der Landeshauptmann selbst am 20. Dezember 2005 die Äußerung vor.

Der zur Vertretung der Verordnung als oberste Verwaltungsbehörde des Bundes zuständige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat keine Äußerung abgegeben.

II. Der Antrag ist zulässig.

Der Antragsteller ist als Rauchfangkehrermeister Adressat der Festlegung höchstzulässiger Tarife für seine Leistungen. Die Einnahme höherer Entgelte ist mit Verwaltungsstrafe bedroht (§367 Z31 GewO 1994). Ein anderer Weg, an die Verordnung heranzukommen, ist ihm nicht zumutbar.

Die Verordnung bildet insgesamt ein geschlossenes System für die Rauchfangkehrerentgelte und insoweit eine nicht trennbare Einheit. Dass der Antragsteller von irgendeiner Verordnungsstelle nicht unmittelbar betroffen wäre, ist nicht zu sehen. Jede Tarifpost und jede Begriffsbestimmung oder Berechnungsmethode kann im Zuge seiner gewöhnlichen Leistungen jederzeit wirksam werden.

III. Der Antrag ist auch begründet.

1. §125 GewO 1994 idF BGBl. 111/2002 bestimmt:

"§125. (1) Der Landeshauptmann hat durch Verordnung auch Höchsttarife festzulegen. Hiebei ist auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe und auf die Interessen der Leistungsempfänger Bedacht zu nehmen. Die Höchsttarife können für das gesamte Bundesland, für einzelne Kehrgebiete oder auch für einzelne Gemeinden festgelegt werden.

(2) Vor der Festlegung der Höchsttarife sind die zuständige Landesinnung der Rauchfangkehrer, die zuständige Kammer für Arbeiter und Angestellte, die zuständige Landwirtschaftskammer und die berührten Gemeinden zu hören. Die Anhörung der berührten Gemeinden kann entfallen, wenn vor der Festlegung der Höchsttarife eine Anhörung der bestehenden Interessenvertretungen der Gemeinden erfolgt ist und jede der berührten Gemeinden Mitglied einer der angehörten Interessenvertretungen ist.

(3) - (6) (hier nicht von Bedeutung)."

2. Aus den vorgelegten Verordnungsakten ergibt sich: Am 18. Februar 2005 brachten die Abgeordneten C I und M K im Burgenländischen Landtag einen Antrag

"auf Fassung einer Entschließung betreffend dringend notwendige, klare und transparente Neuregelungen im Bereich der Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe, die auch eine Anpassung an die technische Entwicklung sowie eine spürbare finanzielle Entlastung für die Haushalte im Burgenland sicherstellen",

ein, der im Wesentlichen den Text und den Tarif der später erlassenen Verordnung enthielt.

Am 9. März 2005 wurde der den Entschließungsentwurf einleitende Satz wie folgt abgeändert:

"Die Burgenländische Landesregierung wird aufgefordert, auf das im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zuständige Regierungsmitglied dahingehend einzuwirken, dringend notwendige, klare und transparente Neuregelungen im Bereich der Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe zu schaffen, die auch eine Anpassung an die technische Entwicklung sowie eine spürbare finanzielle Entlastung für die Haushalte im Burgenland sicherstellen, wie folgt:".

Der ressortzuständige Landeshauptmannstellvertreter übermittelte am 17. März 2005 den Entwurf der Verordnung samt Erläuterungen zur Begutachtung an Abteilungen der Landesregierung und das Bundeskanzleramt sowie an folgende Stellen (Frist bis 25. April 2005):

"5. das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, ...,

6.

die Vereinigung Österreichischer Industrieller, Landesgruppe Burgenland,

7.

den Österreichischen Gewerkschaftsbund-Landesexekutive Burgenland, ...,

8.

den Verband sozialdemokratischer Gemeindevertreter im Burgenland, ...,

9.

den Burgenländischen Gemeindebund, ...,

10.

den Verband freiheitlicher und unabhängiger Gemeindevertreter Burgenland, ...,

11.

den Österreichischen Städtebund, Landesgruppe Burgenland, ...,

12.

die Wirtschaftskammer Burgenland, ...,

13.

die Kammer für Arbeiter und Angestellte für das Burgenland, ...,

14.

die Burgenländische Landwirtschaftskammer, ...,

15.

den Burgenländischen Landes-Rechnungshof, ...,

16.

den Landes-Seniorenbeirat."

Am 31. März 2005 fasste der Burgenländische Landtag in seiner 55. Sitzung die beantragte Entschließung mit Abänderungen.

Im Begutachtungsverfahren äußerte sich der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wie folgt:

"Nach ho. Dafürhalten erscheint die vom Gesetz angestrebte Ausgewogenheit der Interessen durch den vorliegenden Entwurf nicht gewährleistet. Wie ein Vergleich mit den Stundensätzen (Netto-Sätzen) der anderen Bundesländer ergibt, liegt der für das Burgenland vorgesehene Stundensatz (€ 22,92) erheblich unter den nächsthöheren Stundensätzen der Bundesländer Salzburg (€ 31) und Oberösterreich (€ 32) und dem durchschnittlichen Stundensatz von € 36,68. Es erhebt sich sohin die Frage, ob dem Erfordernis des §125 Abs1 GewO 1994 im Hinblick auf die Bedachtnahmepflicht auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe ausreichend Rechnung getragen wurde.

..........

Gemäß §120 Abs1 GewO 1994 zählt das Reinigen, Kehren und Überprüfen von Rauch- und Abgasfängen, von Rauch- und Abgasleitungen sowie von den dazu gehörigen Feuerstätten zu den dem Rauchfangkehrergewerbe vorbehaltenen Tätigkeiten, hinsichtlich derer ein Wettbewerb mit anderen Gewerbebetrieben ausgeschlossen ist. Obgleich vom Arbeitsaufwand her gesehen das bloße Überprüfen sicherlich nicht mit tatsächlich vorgenommenen Reinigungs- und Kehrtätigkeiten vergleichbar ist und daher auch eine unterschiedliche Festsetzung der Leistungsentgelte gerechtfertigt erscheint, ist dennoch zu bedenken, dass auch die bloße Überprüfungstätigkeit zu den für das Rauchfangkehrergewerbe typischen Kerntätigkeiten zählt, die nur von qualifizierten und berechtigten Personen durchgeführt werden können. Insofern erscheint die im Entwurf vorgenommene Wertung, die dem Rauchfangkehrer im Einzelfall nur eine Leistungsabgeltung von € 1,13 einbringen würde, nicht nachvollziehbar und erscheint auch hier der Bedachtnahmepflicht auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe nicht in ausreichendem Ausmaß Rechnung getragen zu sein."

Die Landesorganisation des Österreichischen Gewerkschaftsbundes begrüßte den Entwurf mit der Einschränkung:

"Nicht ganz einsichtig und rechnerisch nachvollziehbar erscheint uns die Höhe des Objekttarifes, der je nach KW-Wert der Heizungsanlage gestaffelt zwischen € 10,-- und € 60,-- ausgewiesen ist. Die soziale Symmetrie scheint uns bei den Objekttarifen für kleine Heizungsanlagen nicht unbedingt gegeben und ist daher eine entsprechende Reduzierung erforderlich.

Ausdrücklich begrüßt wird das nunmehrige Tarifsplitting und die Tatsache, dass für Überprüfung und Kontrolle nur mehr 20 % des Arbeitsentgeltes zu berechnen sind. Diese Tarifierung wird dem Grundsatz der Kostenwahrheit sehr nahe kommen und auch von den burgenländischen Konsumenten mit ziemlicher Sicherheit akzeptiert werden."

Der sozialdemokratische Gemeindevertreterverband vermisste unter Hinweis auf den inzwischen gefassten Landtagsbeschluss eine näher bezeichnete Tarifpost.

Die Landesgruppe des Österreichischen Städtebundes hatte keine Einwände, vermisste aber eine gesetzliche Deckung für die geplante Schlichtungsstelle.

Die Wirtschaftskammer Burgenland schlug unter anderem vor, für die Überprüfung ohne Kehrung statt 20 % (§2 Abs3) des Arbeitsentgelts 100 % verrechnen zu lassen und statt des Kilometergeldes für Leistungen in fremdem Kehrgebiet (§4 Abs2) die tatsächlichen Reisekosten, und hielt zu den Tarifen fest,

"dass diese nicht geeignet sind, die Existenz der Rauchfangkehrerbetriebe sicherzustellen. Mit der Existenzgefährdung der Unternehmen ist auch eine Gefährdung vieler Arbeitsplätze im Rauchfangkehrergewerbe untrennbar verbunden.

Nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 ist bei der Festlegung der Kehrgebiete unter anderem zu berücksichtigen, dass innerhalb eines Kehrgebietes die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von mindestens 2 Rauchfangkehrerbetrieben mit mindestens je 2 hauptberuflich beschäftigten Arbeitnehmern gewährleistet ist. Diesem gesetzlichen Anspruch wurde durch die Burgenländische Kehrgebietseinteilungs-Verordnung 1991 entsprochen.

Der vorliegende Entwurf einer Höchsttarifverordnung steht aber in krassem Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers, die Existenz der Rauchfangkehrerbetriebe sicherzustellen.

Mit dem Kehrgesetz 2005 wurden die Kehrtermine den Erkenntnissen und Bedürfnissen der heutigen Zeit angepasst. Durch diese Anpassung ist die Anzahl der vorgeschriebenen Kehrtermine geringer geworden.

Allein durch den Entfall von Kehrterminen werden die Betriebe Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.

Die im Verordnungsentwurf enthaltenen Gebührensätze sind die der geltenden Höchsttarifordnung zuzüglich der Indexsteigerung. Dabei wurden jedoch Nebenleistungen die bei jeder Kehrung zur Verrechnung gekommen sind, nicht berücksichtigt. Die Betriebe hätten Umsatzeinbußen bis zu 62,5 % zu erwarten, im Durchschnitt betragen die Einbußen 43 %.

Wir schlagen daher im Interesse eines gesicherten Fortbestandes der Rauchfangkehrerbetriebe und der Erhaltung und Sicherung ihrer Arbeitsplätze folgende Höchsttarife für Leistungen des Rauchfangkehrergewerbes vor." (Wird im Einzelnen ausgeführt.)

Die Stellungnahme der Arbeiterkammer Burgenland entspricht wörtlich jener der Landesorganisation des ÖGB.

Mit 19. Mai 2005 ist eine vom Landeshauptmannstellvertreter gefertigte Verordnung datiert, die vom Textverfasser als "Überarbeitung lt. WK-Stellungnahme im Begutachtungsverfahren" bezeichnet ist und unter anderem für die Überprüfung ohne Kehrung (§2 Abs3) 80 % des Arbeitsentgelts und für Leistungen in fremdem Kehrgebiet (§4 Abs2) die tatsächlichen Reisekosten vorsieht und in der Tarifgestaltung zwischen dem begutachteten Entwurf und dem Gegenvorschlag der Wirtschaftskammer Burgenland liegt. Diese Verordnung wurde allerdings nicht kundgemacht. Eine Gleichschrift enthält den handschriftlichen Vermerk "Achtung: durch LH-Weisung überholt".

Am 1. Juni 2005 hatte nämlich der Landeshauptmann an den Landeshauptmannstellvertreter folgendes Schreiben gerichtet:

"Schon seit längerer Zeit wird diskutiert, die Verordnung über die Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe zu überarbeiten. Das neue Kehrgesetz wurde im Landtag vom 31.3.2005 beschlossen und wird in Kürze verlautbart werden. In derselben Landtagssitzung wurde auch der Beschluss über eine Entschließung gefasst, welche die Neuregelung der Höchsttarife für das Rauchfangkehrergewerbe beinhaltet.

In Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, welche wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind, sind die betreffenden Mitglieder an die Weisungen des Landeshauptmannes gebunden.

Gemäß Art103 Abs2 B-VG erteile ich dir die Weisung, eine Verordnung betr. die Festsetzung von Höchsttarifen für das Rauchfangkehrergewerbe zu erlassen, welche voll inhaltlich den Vorgaben des Landtagsbeschlusses vom 31. März 2005, Zahl: 18-642, entspricht.

Die Verordnung ist vorzubereiten und umgehend nach Verlautbarung des Kehrgesetzes zu erlassen."

3. Festzuhalten ist zunächst, dass die an den Landeshauptmann von Burgenland (als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung) gerichtete Aufforderung zur Äußerung im Verfahren zur Prüfung der in seinem Namen erlassenen Verordnung weder - wie zunächst geschehen - von der Landesregierung (als Organ des Landes) noch vom Landeshauptmann selbst, sondern durch den Landeshauptmannstellvertreter als nach der Geschäftsordnung zuständiges Mitglied der Landesregierung (Art103 Abs2 B-VG) in seinem Namen abzugeben gewesen wäre.

Eine dem verordnungserlassenden Organ zuzurechnende Äußerung liegt daher nicht vor.

Es ergibt sich aber schon aus den Akten, dass die Behauptungen des Antragstellers zutreffen:

a) Nach §125 Abs2 GewO 1994 ist vor der Festlegung der Höchsttarife unter anderem die zuständige Landesinnung der Rauchfangkehrer zu hören. Das ist nicht geschehen. Die Beiziehung der Wirtschaftskammer Burgenland genügt angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes nicht.

b) Nach §125 Abs1 GewO 1994 sind die Höchsttarife unter anderem so festzusetzen, dass die Betriebe leistungsfähig bleiben. In den Akten fehlt jeder Anhaltspunkt darüber, wie der Verordnungsgeber zu den verordneten Tarifpositionen gekommen ist und wie sich die Änderung des Tarifsystems im Zusammenwirken mit den Tarifsätzen insgesamt für die Gewerbetreibenden auswirkt. Weder der zur Begutachtung versendete Entwurf noch die Entschließung des Landtages, der die Verordnung ohne weitere Begründung folgt, enthalten irgendwelche Überlegungen (Rechenwerke), aus denen sich die Angemessenheit des Tarifs ergäbe. Es ist daher offenkundig und bedarf keiner weiteren Darlegung, dass die nach §125 Abs1 GewO maßgebliche Leistungsfähigkeit der Betriebe nicht erhoben wurde. Dazu war aber spätestens nach dem Ergebnis des Begutachtungsverfahrens Anlass:

Sowohl der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wie die Wirtschaftskammer Burgenland haben konkrete Einwendungen in Bezug auf die zu erwartenden Auswirkungen erhoben. Eine Auseinandersetzung mit den im Begutachtungsverfahren erhobenen Einwendungen hat nicht stattgefunden. Setzt sich die Behörde mit den Ergebnissen der Anhörung nicht auseinander, wird aber der Zweck der Anhörung nicht erfüllt. Die Entschließung des für die Angelegenheit in der Sache selbst unzuständigen Landtags, deren Zustandekommen sich jeder Beurteilung entzieht, kann die notwendigen Ermittlungen nicht ersetzen.

Unter diesen Umständen kann von einem zureichenden Ermittlungsverfahren und der Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Betriebe nicht gesprochen werden.

c) Die am 15. Juli 2005 kundgemachte Verordnung ist nach ihrem §7 Abs1 im Zusammenhalt mit dem Inkrafttreten des Kehrgesetzes mit Wirkung vom 1. Juli 2005 in Kraft gesetzt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 15.675/1999) ist ein rückwirkendes Inkrafttreten von Verordnungen nur zulässig, wenn das Gesetz dazu ausdrücklich ermächtigt. Das ist nicht der Fall. §7 Abs1 der Verordnung ist daher auch aus diesem Grund gesetzwidrig.

Die Verordnung ist folglich insgesamt als gesetzwidrig aufzuheben.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 Satz 1 VfGG).

IV. Die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG. Der Kostenzuspruch auf §61a VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von 360 € enthalten.

Schlagworte

Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verfahren, Verordnungserlassung, Bundesverwaltung mittelbare, Rückwirkung, Anhörungsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V82.2005

Dokumentnummer

JFT_09939698_05V00082_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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