RS Vfgh 2008/6/26 G12/08

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Veröffentlicht am 26.06.2008
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/04 Apotheken, Arzneimittel

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
ApothekenG §10, §28, §29, §62a Abs4
ASVG §342

Leitsatz

Kein Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit durch die Neuregelungder Konzessionserteilung für öffentliche Apotheken in Hinblick aufdie Existenz ärztlicher Hausapotheken durch Abstellen auf einebestimmte Anzahl von Kassenarzt-Planstellen im Versorgungsgebiet nachAufhebung der Vorgängerregelung durch den Verfassungsgerichtshof;geltende Regelung im öffentlichen Interesse, zur Erreichung der Zieleeiner bestmöglichen Heilmittel- und ärztlichen Versorgung geeignet,nicht unverhältnismäßig

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags eines Unabhängigen Verwaltungssenates auf Aufhebung des §10 Abs2 Z1, Abs3, Abs3a und Abs3b, §28 Abs2, §29 Abs3 Z2 sowie §62a Abs4 ApothekenG idF BGBl I 90/2006 betreffend die Konzessionserteilung für öffentliche Apotheken in Hinblick auf die Existenz ärztlicher Hausapotheken.

Aufhebung der Vorgängerbestimmungen durch VfSlg 17682/2005, Neuregelung durch die Novelle BGBl I 90/2006, Übergangsbestimmung für §10 Abs2 Z1 ApothekenG in §62a Abs4.

Anwendung der Übergangsbestimmung durch den UVS.

§62a Abs4 ApothekenG enthält eine eigenständige normative Regelung, die - für ihren zeitlichen Anwendungsbereich - der Bestimmung des §10 Abs2 Z1 ApothekenG vorgeht. Insofern wird §10 Abs2 Z1 durch §62a Abs4 ApothekenG für die beim UVS anhängigen Anlassfälle von der Übergangsbestimmung inhaltlich zur Gänze überlagert.

Der Verfassungsgerichtshof geht angesichts dessen davon aus, dass der Antrag des UVS, (auch) §10 Abs2 Z1 ApothekenG als verfassungswidrig aufzuheben, nur für den Fall der Aufhebung des §62a Abs4 leg cit gestellt wurde, und zwar aufgrund der Überlegung, dass der UVS diesfalls §10 Abs2 Z1 ApothekenG anzuwenden hätte. Bei diesem Verständnis erweist sich der Antrag auch bezüglich des §10 Abs2 Z1 ApothekenG als zulässig.

Der normative Gehalt des Systems der Bedarfsprüfung - hinsichtlich des hier interessierenden Verhältnisses zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken - ergibt sich zunächst aus den einzelnen Bestimmungen des §10 ApothekenG, aber auch aus einer Zusammenschau dieser Vorschriften mit den in §28 und §29 leg cit enthaltenen Regelungen. Der Verfassungsgerichtshof hält es daher für denkmöglich, dass der UVS in den bei ihm anhängigen Verfahren die von ihm ebenfalls angefochtenen Bestimmungen des §10 Abs3 bis 3b, §28 Abs2 und §29 Abs3 Z2 ApothekenG anzuwenden hätte.

Kein Eingehen auf die Eventualanträge bei diesem Ergebnis.

Keine Verfassungswidrigkeit der Übergangsbestimmung des §62a Abs4 ApothekenG idF BGBl I 90/2006 betreffend die Konzessionserteilung für öffentliche Apotheken in Hinblick auf die Existenz ärztlicher Hausapotheken.

Die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln in sogenannten Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinden - also in Gemeinden, in denen weniger als zwei Kassenvertragsstellen von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind - soll iSd vom Gesetzgeber der ApothekenG-Novelle BGBl I 41/2006 verfolgten Intention (s die Materialien, AA-202 XXII. GP, 4) durch ärztliche Hausapotheken erfolgen; anderes gilt insbesondere dann, wenn eine Apothekenkonzession bereits rechtskräftig erteilt wurde.

Trennung von ärztlicher Tätigkeit und Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln in bestimmten ländlichen Gebieten aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll und gesundheitspolitischen Zielsetzungen abträglich; keine starre zahlenmäßige Festsetzung eines Mindestversorgungspotentials wie in der durch VfSlg 17682/2005 aufgehobenen Vorgängerregelung, sondern Anknüpfen an das im ASVG verankerte System der Vergabe von Kassenplanstellen.

Allein der Umstand, dass im Rahmen des ärztlichen Gesamtvertragssystems gemäß §342 Abs1 ASVG auch auf die - zahlenmäßig nicht festgelegte - Bevölkerungsdichte und -struktur des jeweiligen Gebietes Bedacht zu nehmen ist, kann nicht dartun, dass damit bereits ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit bewirkt würde. Hinweis auf Vergabepraxis der Nö Gebietskrankenkasse unbeachtlich, Ausgehen von Orientierung an den gesetzlich definierten Zielen.

Die angefochtenen Regelungen, die die Erteilung einer Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke (auch) davon abhängig machen, wie viele Vertragsstellen iSd §342 Abs1 ASVG von Ärzten mit Allgemeinmedizin besetzt sind, liegen daher im öffentlichen Interesse, sind zur Zielerreichung - nämlich der Sicherung einer bestmöglichen Heilmittelversorgung einerseits und der Sicherung der ärztlichen Versorgung der ländlichen Bevölkerung andererseits - geeignet und greifen für sich nicht unverhältnismäßig in die Erwerbsfreiheit ein.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Apotheken, Konzessionserteilung, Hausapotheken, Ärzte,Sozialversicherung, Bedarfsprüfung, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH /Präjudizialität, Übergangsbestimmung, VfGH / Aufhebung Wirkung,Eventualantrag, Auslegung eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:G12.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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