RS Vfgh 2008/9/23 B1381/07 - B1382/07

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 23.09.2008
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art83 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK Art6 Abs3 lita, litb
EMRK Art7
DSt 1990 §1, §2 Abs1
RAO §9

Leitsatz

Feststellung einer Verletzung im Recht auf Entscheidung innerhalbangemessener Frist durch überlange Verfahrensdauer in einemDisziplinarverfahren gegen einen Rechtsanwalt wegen Verletzung vonBerufs- und Standespflichten in Zusammenhang mit einerFirmenbucheintragung; im Übrigen Abweisung der Beschwerde; keineVerletzung des Klarheitsgebotes und von Verteidigungsrechten; keineVerjährung

Rechtssatz

Zu beurteilende Verfahrensdauer 4 Jahre, 5 Monate und 7 Tage; mehr als ein Jahr zwischen Zustellung der Aufforderung zur Abgabe einer Äußerung und Einleitungsbeschluss, mehr als ein halbes Jahr zwischen Verkündung der Entscheidung des Disziplinarrates und Zustellung derselben, ebenso verzögerte Zustellung der Entscheidung der belangten Behörde; keine dem Beschwerdeführer zurechenbare Verfahrensverzögerung, keine besonderen Umstände ersichtlich.

Keine Verletzung des Klarheitsgebotes iSd Art7 EMRK.

Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation der Begriffe "Berufspflichtenverletzung" und "Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes" für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste, nämlich, dass er sich einer Bestrafung aussetzt, wenn er die ihm übertragenen Aufgaben langfristig weder schnell noch zielführend erledigt, somit die Interessen seiner Mandantin nicht bestmöglich vertrat, sowie durch die Nichterfüllung von Vorerledigungen des Firmenbuchs die Eintragung von anmeldungspflichtigen Tatsachen ins Firmenbuch vereitelt und damit seine Mandantin der Verhängung einer Zwangsstrafe ausgesetzt hat (vgl §9 Abs1 RAO). Für den Beschwerdeführer war erkennbar, dass sein Verhalten geeignet ist, dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft auf Grund der Vielzahl der durch Jahre befasst gewesenen Gerichtsorgane nicht unbeträchtlich Schaden zuzufügen.

Keine denkunmögliche Gesetzesanwendung, verfassungsrechtlich unbedenkliche Bezugnahme auf den Beschluss OGH v 29.03.01, 6 Ob 57/01b, durch die Feststellung, dass dem Firmenbuch eine Prüfungsberechtigung und -pflicht betreffend der Eintragung eines Gesellschafterwechsels einer GmbH zukomme.

Keine Verletzung im Recht auf ausreichende Vorbereitung der Verteidigung iSd Art6 Abs3 lita und litb EMRK; Einleitungsbeschluss bloß prozessleitende Verfügung.

Kein Eintritt der Verjährung iSd §2 Abs1 DSt 1990, daher kein Entzug des gesetzlichen Richters iSd Art83 Abs2 B-VG.

Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe seine Mandantin der Verhängung von Zwangsstrafen ausgesetzt, ist unter den Tatbestand der "Berufspflichtenverletzung" bzw der "Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes" zu subsumieren, stellt kein Disziplinarvergehen für sich dar und war von der Bestellung des Untersuchungskommissars umfasst.

Siehe auch B1382/07 vom selben Tag betreffend einen Antrag auf Berichtigung bzw Ergänzung der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarrat in diesem Verfahren; keine Verletzung des auf das gesamte Verfahren bezogenen Prinzips des fair trial durch Unterlassung der Einvernahme des Beschwerdeführers.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Verfahrensdauer überlange,Entscheidung in angemessener Zeit, Klarheitsgebot, fair trial,Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B1381.2007

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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