TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/6 A1/80

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Veröffentlicht am 06.06.1980
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
ABGB §1431
ABGB §1435
VfGG §20 Abs2
VfGG §41
Vollzugs- und WegegebührenG §4

Leitsatz

Art137 B-VG; Klage auf Rückzahlung einer exekutiv hereingebrachten Geldstrafe sowie der gerichtlich bestimmten Exekutionskosten und Vollzugsgebühren

Spruch

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 539,30 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit der auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt der Kläger von der beklagten Partei die Zahlung eines Betrages von 559,30 S. Zur Begründung seines Begehrens führt er aus, daß er vor dem 1. März 1979 von dem für seine Anwaltskanzlei in Wien örtlich zuständigen Bezirkspolizeikommissariat davon in Kenntnis gesetzt worden sei, daß dieses bei ihm eine Geldstrafe in Höhe von 500 S einzuheben habe. Nachdem ihm mitgeteilt worden sei, daß dieser Aufforderung eine Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Graz zugrunde läge, habe er dieser am 1. März 1979 mitgeteilt, daß ihm die in Frage stehende Strafverfügung nie zugestellt worden sei; er habe gleichzeitig den Hinweis gegeben, daß er als Rechtsanwalt in Wien tätig und damit von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Graz (§23 Abs7 AVG) ortsabwesend gewesen sei.

Auf diese Eingabe habe die beklagte Partei, vertreten durch das Polizeistrafamt der Bundespolizeidirektion Graz, gegen ihn eine Fahrnisexekution durch das Exekutionsgericht Wien eingeleitet. Am 2. Mai 1979 sei im Zuge derselben ein Vollstrecker in seiner Kanzlei erschienen und habe einen Betrag von 500 S zuzüglich 20 S an Kosten und 39,30 S an Vollstreckergebühren zwangsweise eingehoben.

Der Kläger habe hierauf am 7. Mai 1979 von der Bundespolizeidirektion Graz unter Hinweis darauf, daß die betriebene Strafverfügung nicht rechtswirksam erlassen worden sei, die Rückzahlung des Betrages von 559,30 S begehrt. Da Zahlung nicht geleistet worden sei, sei er zur Klagsführung gezwungen.

Die von ihm vorerst gegen das Bundesland Stmk. erhobene Klage sei vom VfGH abgewiesen worden, weil nicht das Land Stmk., sondern der Bund passiv klagslegitimiert sei, gegen welchen sich nunmehr die vorliegende Klage richtet.

2. Die beklagte Partei nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, legte den Akt des Exekutionsgerichtes Wien, 18 E2861/79, vor und gab gleichzeitig bekannt, daß der Akt der Bundespolizeidirektion Graz, Z Pst 2401/78, laut Mitteilung des Amtes der Stmk. Landesregierung in Verstoß geraten sei.

3. Aus dem Akt des Exekutionsgerichtes Wien, 18 E2861/79, geht hervor, daß der betreibenden Partei Republik Österreich, vertreten durch das Polizeistrafamt der Bundespolizeidirektion Graz, gegen die verpflichtete Partei Dr. P. Sch. am 19. März 1979 aufgrund einer Strafverfügung vom 21. April 1978 die Fahrnisexekution durch Pfändung und Verkauf der in der Gewahrsame der verpflichteten Partei befindlichen Fahrnisse bewilligt wurde. Für den Antrag wurden der betreibenden Partei im Bewilligungsbeschluß 20 S an Kosten zugesprochen.

Aus der Zahlungsbestätigung des Gerichtsvollziehers vom 2. Mai 1979 geht hervor, daß das genannte Gerichtsorgan anläßlich des Vollzuges die betriebene Forderung von 500 S samt Kosten im Betrage von 20 S und Vollzugsgebühren in Höhe von 39,30 S, somit zusammen 559,30 S in Empfang genommen hat.

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit erwogen:

1. Nach Art137 B-VG erkennt der VfGH ua. über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

2. Mit der vorliegenden Klage wird (insb.) die Rückerstattung eines Betrages von 500 S begehrt, der beim Kläger vom Bund aufgrund einer nach Ansicht des Klägers rechtsunwirksamen Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Graz vom 21. April 1978 mittels Fahrnisexekution durch das Exekutionsgericht Wien hereingebracht worden sei.

Der Kläger bestreitet, daß ihm die Strafverfügung am 21. April 1978 rechtswirksam zugestellt wurde. Er sei infolge seiner anwaltlichen Tätigkeit in Wien von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Graz ortsabwesend gewesen. Die beklagte Partei vermag dieser Behauptung nicht entgegenzutreten, da der Verwaltungsstrafakt in Verstoß geraten ist. Da die Verwaltungsakten dem VfGH nicht vorgelegt werden konnten, hat der VfGH gem. §20 Abs2 VerfGG die unwiderlegten Behauptungen des Klägers, daß er infolge seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in Wien von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Graz vorübergehend ortsabwesend gewesen sei und daß ihm eine von der Bundespolizeidirektion Graz ausgefertigte Strafverfügung vom 21. April 1978 nie zugestellt wurde, seiner Beurteilung zugrunde gelegt.

Der klagsweise geltend gemachten Forderung liegt das Begehren auf Rückzahlung einer Geldstrafe zugrunde, die aufgrund einer an den Kläger nicht zugestellten Strafverfügung bei ihm exekutiv eingetrieben wurde.

3. Die klagsweise geltend gemachte Rückforderung wird demnach aus einem Titel erhoben, dessen Rechtsgrund im öffentlichen Recht liegt.

Daß die Klage zulässig ist, da der geltend gemachte Rückforderungsanspruch weder durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen ist, noch in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt, ergibt sich aus den gleichen Gründen, die für die Zulässigkeit der seinerzeit vom Kläger gegen das Land Stmk. geführte Klage A6/79 maßgeblich waren. Sollte hiezu die im Erk. VfSlg. 2046/1950 in nicht tragender Weise generell geäußerte Ansicht, daß die ordentlichen Gerichte allgemein zuständig sind, wenn sich die Reaktion auf ein festgestelltes Unrecht Kategorien wie nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechtes oder etwa der Kondiktionen nach §1435 ABGB bedienen muß, im Widerspruch stehen, kann sie vom VfGH nicht aufrecht erhalten werden.

Die Klageführung ist somit zulässig.

III. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:

1. a) Mit der vorliegenden Klage wird ein vermögensrechtlicher Rückforderungsanspruch hinsichtlich einer exekutiv hereingebrachten Geldstrafe sowie die Rückzahlung von gerichtlich bestimmten Exekutionskosten und von Vollzugsgebühren begehrt. Da die Strafverfügung vom 21. April 1978, aufgrund welcher die Fahrnisexekution betrieben wurde, dem Kläger nicht zugestellt wurde, ist sie nicht rechtswirksam erlassen worden. Für die Vermögensverschiebung, die durch die exekutive Hereinbringung der Geldstrafe im Betrage von 500 S eingetreten ist, fehlt somit die rechtliche Deckung. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Österreichische Bürgerliche Recht eine allgemeine Bereicherungsklage kennt. Aus §§1431 und 1435 ABGB resultiert aber jedenfalls das subjektive Recht einer betroffenen Partei auf Rückforderung von Leistungen, auf die der Leistungsempfänger kein Recht hat, wenn die Leistung nur aufgrund eines Irrtums erbracht wurde, bzw. wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat. Wie nämlich vom OGH in ständiger Rechtsprechung ausgesagt wird, steht auch eine Vermögensverschiebung, die durch eine Zwangsvollstreckung bewirkt wird, der Unfreiwilligkeit einer Leistung gleich (EvBl. 1979/171, S 462). Die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck einer Vollstreckung gewährt damit ohne Rücksicht auf einen Irrtum des Leistenden einen Kondiktionsanspruch (SZ 43/60, vgl. aber auch EvBl. 1972/158, S 298). Daß die privatrechtlichen Bestimmungen über Bereicherung auch im öffentlichen Recht direkt oder analog Anwendung finden, um vorhandene Lücken des öffentlichen Vermögensrechtes zu schließen, hat der VfGH wiederholt bejaht (VfSlg. 10/1919, 991/1928, 5386/1966). Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß die genannten Bestimmungen über Bereicherung die Rückerstattung des zu Unrecht exekutiv eingebrachten Strafbetrages gebieten, denn diese Erstattung ist das mindeste, was zur Herstellung des Rechtszustandes vor dem rechtswidrigen Eingriff notwendig ist.

Das Klagebegehren ist daher hinsichtlich des Betrages von 500 S begründet.

Dies gilt auch für die anläßlich des Vollzuges der gerichtlichen Fahrnisexekution vom Vollstrecker eingehobenen Vollzugsgebühren im Betrage von 39,30 S. Gem. §4 des Vollzugs- und Wegegebührengesetzes, BGBl. 413/1974, haften die betreibende und die verpflichtete Partei für Vollzugsgebühren zur ungeteilten Hand. Wird aber eine Exekution zur Hereinbringung einer Forderung betrieben, die nicht oder nicht mehr besteht, und werden im Zuge einer solchen Exekution vom Verpflichteten Vollzugsgebühren entrichtet, so hat der Verpflichtete auch insofern unfreiwillig eine Nichtschuld bezahlt und gleichzeitig eine Schuld der betreibenden Partei getilgt. Eine derartig rechtlich nicht gedeckte Vermögensverschiebung zugunsten der betreibenden Partei teilt das rechtliche Schicksal der exekutiv zu Unrecht betriebenen Hauptforderung. Auch hinsichtlich des Betrages von 39,30 S ist die Klage somit begründet.

b) Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich des Klagsteilbetrages von 20 S, der als Exekutionskosten gerichtlich bewilligt und aufgrund dieses Titels zugunsten der beklagten Partei hereingebracht wurde.

Die Rückforderung der gerichtlich bestimmten Kosten betrifft weder eine Zahlung, die ohne Rechtsgrundlage erbracht wurde, noch ist der Rechtsgrund, der der Leistung zugrunde lag, weggefallen. Der Kostenbestimmungsbeschluß gehört dem Rechtsbestand vielmehr auch heute noch an und steht damit einer Rückforderung, solange er nicht beseitigt ist, entgegen. Das Klagebegehren war daher insoweit abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Zivilrecht, Bereicherung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:A1.1980

Dokumentnummer

JFT_10199394_80A00001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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