TE Vfgh Erkenntnis 1980/10/14 WI-18/80

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Veröffentlicht am 14.10.1980
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Nö GdWO 1974 §46
Nö GdWO 1974 §57 Abs1 idF LGBl 0350-2
Nö GdWO 1974 §57 Abs6 idF LGBl 0350-2
VfGG §71a Abs5

Leitsatz

Nö. Gemeindewahlordnung 1974; zur Gültigkeit von Stimmzetteln gemäß §46; Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens

Spruch

Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.

Das Wahlverfahren betreffend die am 23. März 1980 durchgeführte Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Harbach wird ab dem Beginn des Ermittlungsverfahrens aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Am 23. März 1980 fand in der Gemeinde Harbach (NÖ) die Wahl zum Gemeinderat statt.

Als wahlwerbende Gruppen traten die Österreichische Volkspartei und die Sozialistische Partei Österreichs auf. Von den 502 abgegebenen Stimmen wurden 10 für ungültig erklärt. Die Gemeindewahlbehörde stellte fest, daß von den gültigen Stimmen 308 auf die Österreichische Volkspartei und 184 auf die Sozialistische Partei Österreichs entfielen. Dieses Wahlergebnis hatte zur Folge, daß von den 15 zu vergebenden Mandaten im Gemeinderat 10 auf die Österreichische Volkspartei und 5 auf die Sozialistische Partei Österreichs entfielen.

2. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Sozialistischen Partei Österreichs hat dieses von der Gemeindewahlbehörde festgestellte Ergebnis der Gemeinderatswahl mit der Begründung angefochten, ein Stimmzettel sei zu Unrecht für ungültig erklärt worden. In einem Wahlkuvert habe sich nämlich nicht nur ein auf die Sozialistische Partei Österreichs lautender Stimmzettel befunden, sondern ebenso ein Teil eines auf die Österreichische Volkspartei lautenden Stimmzettels im Ausmaß von 5,5 cm x 10 cm. Der auf die Sozialistische Partei Österreichs lautende Stimmzettel hätte für gültig erklärt werden müssen. Das hätte aber zur Konsequenz gehabt, daß sich die Wahlzahl von 30,80 auf 30,83 verschiebt, wodurch eine Änderung der Mandatsverteilung im Gemeinderat bewirkt worden wäre.

Die Landes-Hauptwahlbehörde beim Amt der Nö. Landesregierung hat diese Anfechtung auf Grund eines Beschlusses vom 12. Mai 1980 mit Bescheid vom 28. Mai 1980 gemäß §57 Abs3 der Nö. Gemeindewahlordnung 1974, LGBl. 0350-2 (künftig: GWO), im Zusammenhalt mit §46 Abs6 GWO abgewiesen.

Die Landes-Hauptwahlbehörde begründet ihre Entscheidung damit, gemäß §46 Abs6 GWO seien, wenn ein Kuvert mehr als einen gültig ausgefüllten Stimmzettel enthält und diese Stimmzettel auf verschiedene Parteilisten lauten, alle ungültig. Gemäß 46 Abs3 GWO könne die Ausfüllung des Stimmzettels durch Schrift, Druck oder andere Vervielfältigung erfolgen. Da im vorliegenden Fall sich in einem Wahlkuvert zwei mittels Druck ausgefüllte Stimmzettel befunden hätten, welche auf verschiedene Parteilisten lauteten, seien diese als ungültig zu erklären, weil der Wille des Wählers, welche Partei er wählen habe wollen, nicht feststellbar sei.

3. Die Wählergruppe Sozialistische Partei Österreichs in der Gemeinde Harbach, vertreten durch den Zustellungsbevollmächtigten, ficht die Wahl zum Gemeinderat am 23. März 1980 wegen der Ungültigerklärung des oben genannten, auf die Sozialistische Partei Österreichs lautenden Stimmzettels als rechtswidrig an. Sie beantragt, der Wahlanfechtung stattzugeben und das Wahlverfahren ab dem Ermittlungsverfahren aufzuheben sowie ihr die Verfahrenskosten zu ersetzen.

4. Die belangte Behörde hat die Wahlakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß §57 Abs1 GWO kann das Wahlergebnis sowohl wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung als auch wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren schriftlich durch Beschwerde bei der Landes-Hauptwahlbehörde angefochten werden. Aus §57 Abs6 GWO ergibt sich, daß gegen die Entscheidung der Landes-Hauptwahlbehörde kein (ordentliches) Rechtsmittel zulässig ist.

Die vorliegende Wahlanfechtung richtet sich also gegen den Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde. Sie ist - da alle Prozeßvoraussetzungen gegeben sind - zulässig.

2. a) Die Anfechtung wird damit begründet, nach dem Wortlaut des §46 Abs6 GWO komme es nur auf die gültig ausgefüllten Stimmzettel an. Die ungültigen Stimmzettel hingegen, seien es auch mehrere, seien belanglos. Nur wenn von mehreren Stimmzetteln zwei gültig ausgefüllte Stimmzettel auf verschiedene Parteien lauteten, seien sie ungültig. Im vorliegenden Fall sei im Wahlkuvert nur ein einziger Stimmzettel gültig ausgefüllt gewesen, nämlich der für die Sozialistische Partei Österreichs. Der andere Teil eines Stimmzettels für die Österreichische Volkspartei habe nicht den Erfordernissen des Gesetzes entsprochen und sei daher als nicht gültig anzusehen.

b) Gemäß §46 Abs2 GWO muß der Stimmzettel das Ausmaß von 16 1/2 bis 17 1/2 cm in der Länge und von 10 bis 11 cm in der Breite aufweisen. In Abs4 Z3 dieses Paragraphen ist festgelegt, daß ein Stimmzettel ua. dann ungültig ist, wenn das Ausmaß den Vorschriften des zweiten Absatzes nicht entspricht. Laut Abs5 sind auch leere und entzweigerissene Stimmzettel ungültig. Nach Abs6 sind alle Stimmzettel ungültig, wenn ein Kuvert mehr als einen gültig ausgefüllten Stimmzettel enthält und diese Stimmzettel auf verschiedene Parteilisten lauten.

Wie aus den Wahlakten festzustellen ist, befanden sich im vorliegenden Fall in dem Kuvert ein - den Erfordernissen der GWO entsprechender - Stimmzettel für die Sozialistische Partei Österreichs sowie ein zweiter Stimmzettel im Ausmaß von 5,5 cm x 10 cm mit den gedruckten Worten: "Stimmzettel Österreichische Volkspartei". Es ist erkennbar, daß von diesem zweiten (kleineren) Stimmzettel ein Teil abgetrennt worden war.

c) Von den beiden im Kuvert befindlichen Stimmzetteln entspricht nur der auf die Sozialistische Partei Österreichs lautende dem in §46 Abs2 GWO festgelegten Ausmaß. Gegen die Gültigkeit dieses Stimmzettels bestehen auch sonst keine Bedenken. Der auf die Österreichische Volkspartei lautende Stimmzettel ist hingegen wegen seines Ausmaßes gemäß §46 Abs4 Z3 GWO ungültig. Es kann daher unerörtert bleiben, ob dieser Stimmzettel als entzweigerissen und damit auch gemäß §46 Abs5 GWO als ungültig anzusehen wäre. Es ist somit unter Berücksichtigung des Zusammenhanges der einzelnen Absätze des §46 GWO davon auszugehen, daß das Kuvert nur einen gültig ausgefüllten Stimmzettel enthalten hat. Das bedeutet aber, daß §46 Abs6 GWO auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, weil sich in dem Kuvert nicht mehr als ein gültig ausgefüllter Stimmzettel befunden hat.

Die Landes-Hauptwahlbehörde hat sich also bei ihrer Entscheidung zu Unrecht auf §46 Abs6 GWO gestützt.

d) Darin, daß die Wahlbehörde den auf die Sozialistische Partei Österreichs lautenden Stimmzettel in unrichtiger Anwendung des §46 Abs6 GWO für ungültig erklärte, liegt eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.

3. Gemäß Art141 Abs1 B-VG und §70 VerfGG hat der VfGH einer Wahlanfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluß war.

Es steht unbestritten fest und ergibt sich auch aus den Wahlakten, daß die Wahlzahl im Hinblick auf die Gültigkeit der auf die Sozialistische Partei Österreichs lautenden Stimme nicht mehr 30,80 sondern 30,83 beträgt, was eine Mandatsverschiebung im Gemeinderat zur Folge hat.

4. Der Wahlanfechtung war somit stattzugeben.

Das Wahlverfahren war ab dem Beginn des Ermittlungsverfahrens aufzuheben.

Kosten konnten nicht zugesprochen werden, da ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71a Abs5 VerfGG vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (siehe VfGH v. 18. 6. 1980 WI-7/79).

Schlagworte

Wahlen, Stimmzettel, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:WI18.1980

Dokumentnummer

JFT_10198986_80WI0018_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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