TE Vfgh Erkenntnis 1980/6/18 WI-7/79

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Veröffentlicht am 18.06.1980
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art117 Abs1
B-VG Art118 Abs4
B-VG Art119a Abs5, Art119a Abs8
B-VG Art141 Abs1
B-VG Art141 Abs1 lita
B-VG Art141 Abs1 litb
B-VG Art141 Abs1 vorletzter Satz
Statut für die Landeshauptstadt Linz §67
Oö Statutargemeinden-WahlO 1961 §38 Abs3 lita
Oö Statutargemeinden-WahlO 1961 §40 Abs3
Oö Statutargemeinden-WahlO 1961 §43 Abs4
VereinsG 1951 §4 Abs3 idF BGBl 102/1962
VfGG §27
VfGG §70 Abs1
VfGG §71a Abs5

Leitsatz

Oö. Statutargemeinden-Wahlordnung 1961; Parteibezeichnungen "Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)" und "Kommunistischer Bund Österreichs (KB)" im Gesamtbild schwer zu unterscheiden

Spruch

Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.

Das Wahlverfahren betreffend die am 7. Oktober 1979 durchgeführte Wahl des Gemeinderates der Stadt Linz wird beginnend mit dem Beschluß der Stadtwahlbehörde vom 28. September 1979, der feststellte, daß die Parteibezeichnung "Kommunistischer Bund Österreichs (KB)" eindeutig von der Parteibezeichnung "Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)" zu unterscheiden sei, aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Nach dem Gesetz vom 30. Juni 1961, LGBl. für Oberösterreich 29/1961, über die Wahl des Gemeinderates in den Städten mit eigenem Statut (Statutargemeinden-Wahlordnung 1961), idF LGBl. 64/1969, 58/1979 und 71/1979 (im folgenden StGWO), muß der von einer wahlwerbenden Partei der Stadtwahlbehörde vorzulegende Wahlvorschlag (§38 Abs1) die unterscheidende Parteibezeichnung in Worten und eine allfällige Kurzbezeichnung in Buchstaben enthalten (§38 Abs3 lita). Die Stadtwahlbehörde hat unverzüglich zu prüfen, ob ua. die Parteibezeichnungen (in Worten und in Kurzbezeichnung) so zu unterscheiden sind, daß sie nicht zu Verwechslungen Anlaß geben können (§40 Abs1). Wenn mehrere Wahlvorschläge dieselben oder schwer zu unterscheidende Parteibezeichnungen tragen, so hat der Stadtwahlleiter die Vertreter dieser Wahlvorschläge zu einer gemeinsamen Besprechung zu laden und ein Einvernehmen über die Unterscheidung der Parteibezeichnungen anzubahnen; gelingt ein Einvernehmen nicht, so hat die Stadtwahlbehörde Parteibezeichnungen, die schon auf veröffentlichten Wahlvorschlägen bei der letzten Gemeinderatswahl enthalten waren, zu belassen, die übrigen Wahlvorschläge aber nach dem an erster Stelle vorgeschlagenen Bewerber zu benennen (§40 Abs3).

Zu der für den 7. Oktober 1979 ausgeschriebenen Wahl des Gemeinderates der Stadt Linz wurden ua. folgende Wahlvorschläge eingebracht:

am 7. August 1979 ein solcher der "Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ)" - dieselbe Parteibezeichnung war schon auf einem veröffentlichten Wahlvorschlag der letztvorangegangenen Gemeinderatswahl enthalten -

und am 4. September 1979 ein solcher des "Kommunistischen Bundes Österreichs (KB)".

In der Sitzung der Stadtwahlbehörde am 7. September 1979 wurden diese Parteibezeichnungen erörtert. In der Niederschrift über diese Sitzung ist festgehalten:

"(Der Vorsitzende) gab weiter bekannt, daß der Kommunistische Bund Österreichs (KB) einen gültigen Gemeindewahlvorschlag eingebracht habe, auf dem 4 Kandidaten aufscheinen. Zustellungsbevollmächtigter sei F. Walter, wohnhaft in Linz, G-straße 31. Die von der KPÖ entsandte Vertrauensperson, Herr Helmut H., äußerte Bedenken wegen der Parteibezeichnung dieser nunmehr fünften für den Gemeinderat kandidierenden Partei, die seiner Meinung nach mit der Bezeichnung KPÖ verwechselt werden könnte. Die Mitglieder der Stadtwahlbehörde teilten nach Debatte ohne Gegenstimme diese Meinung nicht, womit es bei der von der fünften für den Gemeinderat kandidierenden Partei gewählten Bezeichnung blieb."

Die Kommunistische Partei Österreichs hat bei der Stadtwahlbehörde Linz unter dem Datum 24. September 1979 auch schriftlich geltend gemacht, daß die Parteibezeichnung des später eingebrachten Wahlvorschlages schwer von ihrer Parteibezeichnung zu unterscheiden sei, und um ein Verfahren nach §40 Abs3 StGWO ersucht.

Die Stadtwahlbehörde hat die Antragstellerin am 26. September 1979 daraufhin auf die einhellige Meinungsäußerung der Mitglieder der Stadtwahlbehörde in der Sitzung vom 7. September 1979 hingewiesen und ausgeführt, daß somit eine Maßnahme gemäß §40 Abs3 StGWO nicht erforderlich sei, da eine eindeutige Stellungnahme der Stadtwahlbehörde im Sinne des §40 Abs1 StGWO vorliege.

In der Sitzung der Stadtwahlbehörde am 28. September 1979 machte der Vorsitzende von dem Schriftwechsel Mitteilung. In der Niederschrift dieser Sitzung ist festgehalten: "Der als Vertrauensmann der Stadtwahlbehörde beigezogene Vertreter der KPÖ, Herr Helmut H. hat mit der gleichen Begründung das gleiche Verlangen vorgebracht, daß nämlich der Stadtwahlleiter die beiden in Frage stehenden Wahlwerber zwecks Herstellung eines Einvernehmens über die Parteibezeichnung zu sich laden möge. Nach eingehender Diskussion dieser Frage kamen alle anwesenden Mitglieder der Stadtwahlbehörde zur Überzeugung, daß die als Liste 5 im Wahlvorschlag aufscheinende Partei "Kommunistischer Bund Österreichs (KB)" im Hinblick auf ihre Bezeichnung von der KPÖ, Liste 4, eindeutig zu unterscheiden wäre. In der abschließenden Abstimmung wurde diese Auffassung gegen den Protest des Vertrauensmannes der KPÖ einhellig zum Beschluß erhoben".

Am selben Tag (28. September 1979) erfolgte sodann von der Stadtwahlbehörde Linz gem. §43 StGWO die Kundmachung der von den wahlwerbenden Parteien eingebrachten Wahlvorschläge, darunter als

Liste 4 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) und als

Liste 5 Kommunistischer Bund Österreichs (KB).

Auch die zur Stimmabgabe zu verwendenden amtlichen Stimmzettel (§62 StGWO) enthielten diese Parteibezeichnungen.

Von den bei der Wahl am 7. Oktober 1979 abgegebenen gültigen 108786 Stimmen entfielen auf die KPÖ 1387 und auf den KB 392. Die Wahlzahl betrug 1714,09, sodaß auf keine dieser wahlwerbenden Parteien ein Mandat entfiel.

Das Wahlergebnis ist gem. §74 StGWO durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 10. Oktober bis 23. Oktober 1979 verlautbart worden.

2. Die Wählergruppe "Kommunistische Partei Österreichs" ficht die Wahl des Gemeinderates in Linz gem. Art141 B-VG und §67 VerfGG an. Sie macht geltend, das Wahlverfahren sei wegen Verletzung der Bestimmungen des §40 Abs3 StGWO rechtswidrig und die Rechtswidrigkeit sei auch von Einfluß auf das Wahlergebnis gewesen. Sie stellt (unter Verzeichnung von Kosten) den Antrag, der VfGH möge der Wahlanfechtung stattgeben und das Wahlverfahren ab dem Teil als nichtig erklären, in dem der Stadtwahlbehörde gem. §40 StGWO die Prüfung der eingelangten Wahlvorschläge oblegen habe.

Die anfechtende Wählergruppe erachtet mit dem dem Schreiben der Stadtwahlbehörde vom 26. September 1979 zugrunde liegenden Beschluß das Gesetz verletzt.

Schutzzweck des §40 Abs3 StGWO könne sicherlich nur sein, dadurch, daß Wahlvorschläge mit schwer zu unterscheidender Parteibezeichnung nicht zugelassen seien, auszuschließen, daß bei der Stimmabgabe Verwechslungen vorkämen. Es komme dabei nicht darauf an, ob die unterscheidende Parteibezeichnung unter Zugrundelegung objektiver Kriterien tatsächlich mit einer anderen identisch sei (dann wäre ja der Gesetzeswortlaut "gleiche oder schwer zu unterscheidende Parteibezeichnung" ohne inneren Sinn), sondern allein darauf, ob unter Berücksichtigung des Erinnerungsbildes, des Eindruckes, der im Gedächtnis der Wähler haften bleibe, unter Berücksichtigung von deren Auffassung eine Verwechslung möglich sei. Diese Verwechslungsmöglichkeit sei gegeben, berücksichtige man die Wortfolge, das Gesamtbild der Parteibezeichnung sowie deren Wortsinn. Beachte man die Wortfolge und die Art ihrer Verbindung innerhalb der Parteibezeichnung, die Wortlänge sowie den optischen Eindruck und die Folge der Wörter, so ergebe sich, daß eine erkennbare Unterscheidung der beiden Parteibezeichnungen nicht gegeben gewesen sei.

Auch wenn man den Sinngehalt der beiden Parteibezeichnungen betrachte, so liege bei beiden der Schwerpunkt auf der Herausstellung der Bezeichnung der wahlwerbenden Gruppe als "kommunistisch". Nur von solchen Wählern, die ein weit über den Durchschnitt hinausgehendes politisches Interesse hätten und dementsprechende Informationen sammelten, könne erwartet werden, daß sie die beiden Parteibezeichnungen unterscheiden könnten, wobei diese Möglichkeit nicht in der Parteibezeichnung selbst, sondern in einem vom Wähler vorher erworbenen Wissen liege. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, daß es sich hier um schwer zu unterscheidende Parteibezeichnungen gehandelt habe.

Nur zur tatsächlichen Illustration sei darauf verwiesen, daß in einer Vielzahl von Fällen selbst Mitglieder der einzelnen Sprengelwahlbehörden, denen ja zweifelsfrei ein überdurchschnittliches politisches Wissen unterstellt werden könne, gegenüber Wahlzeugen der anfechtenden Wahlpartei die Frage stellten, wer denn nun die "Kommunisten" seien und wer dann die andere wahlwerbende Gruppe sei.

Diese Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens sei iS des §70 VerfGG auch von Einfluß auf das Wahlergebnis gewesen. Zähle man nämlich die auf die beiden wahlwerbenden Gruppen entfallenden Stimmen zusammen, so liege das Gesamtstimmenergebnis deutlich über der Wahlzahl von 1714 Stimmen. Damit sei aber in einem sehr hohen Grade die Möglichkeit eröffnet, daß unter Ausschluß der tatsächlich Platz gegriffenen Verwechslungen der Wahlvorschlag der anfechtenden Wählergruppe ausreichende Stimmen für die Erlangung eines Gemeinderatsmandates erzielt hätte. Daran ändere auch die mündlich vorgetragene Argumentation des stellvertretenden Leiters der Stadtwahlbehörde nichts, daß nämlich der Wahlvorschlag der wahlwerbenden Gruppe "Kommunistischer Bund Österreichs" von 107 Wahlberechtigten unterschrieben gewesen sei. Der einen Wahlvorschlag unterschreibende Wahlberechtigte gebe damit keinesfalls notwendigerweise zu erkennen, daß er diese wahlwerbende Gruppe auch zu wählen wünsche. Es sei schon wiederholt vorgekommen, daß wahlwerbende Gruppen im Ergebnis weniger Stimmen erhielten, als sie zunächst Unterstützungsunterschriften aufweisen hätten können.

3. Die Stadtwahlbehörde Linz erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Wahlanfechtung als unbegründet abzuweisen und der "beschwerdeführenden Partei" gem. §88 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976 den Ersatz der der belangten Behörde erwachsenden Kosten aufzuerlegen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gem. §67 Abs2 VerfGG 1953 idF BGBl. 18/1958 sind zur Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde Wahlvorschläge rechtzeitig vorgelegt haben.

Die Wahlanfechtung muß gem. §68 Abs1 VerfGG 1953 binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein.

Die StGWO sieht Rechtsmittel, über die im Verwaltungswege, und zwar gem. §89a idF LGBl. 64/1969 im eigenen Wirkungsbereich, zu entscheiden ist, nur anläßlich der Erfassung der Wahlberechtigten im Wählerverzeichnis (an die Einspruchskommission und an die Stadtwahlbehörde; §§30 und 31) und anläßlich der ziffernmäßigen Ermittlung des Wahlergebnisses (an die Stadtwahlbehörde; §75) vor.

Wahlen in den Gemeinderat (Art117 Abs1 lita, Art141 Abs1 lita B-VG) und Wahlen in ein mit der Vollziehung betrautes Organ einer Gemeinde (Art117 Abs1 litb und c, Art141 Abs1 litb B-VG) sind Angelegenheiten der "Bestellung der Gemeindeorgane" iS des Art118 Abs3 Z1 B-VG, also Angelegenheiten, in denen die behördlichen Aufgaben vom eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde umfaßt sind. Sofern in Vollziehung eines eine solche Wahl betreffenden Wahlgesetzes von einem Gemeindeorgan ein Bescheid erlassen worden ist (der VfGH geht vorläufig davon aus, daß der an die anfechtende Wählergruppe gerichteten Mitteilung der Stadtwahlbehörde vom 26. September 1979 bzw. dem Beschluß dieser Behörde vom 28. September 1979 der Charakter eines Bescheides zukommt), stellen sich die Fragen, ob gegen einen solchen Bescheid nach Erschöpfung des innergemeindlichen Instanzenzuges eine Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde (iS des Art119a Abs5 B-VG) erhoben werden kann und ob gegebenenfalls die Erhebung einer solchen Vorstellung Voraussetzung für die Anrufung des VfGH im Wege einer Wahlanfechtung ist.

Schon die erste dieser Fragen ist zu verneinen.

Art118 Abs3 Z1 B-VG gewährleistet der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die dort genannten Aufgaben bei Bestellung der Gemeindeorgane "unbeschadet der Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden".

Der Verfassungsgesetzgeber hat mit dem die Zuständigkeit überörtlicher Wahlbehörden betreffenden Vorbehalt zum Ausdruck gebracht, daß er den Wahlen in die Gemeindeorgane eine über den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde hinausgehende Bedeutung beimißt, und zwar eine Bedeutung, die es rechtfertigt, in einem solchen Wahlverfahren zu treffende Maßnahmen staatlichen Behörden zu übertragen und damit diese Maßnahmen in noch stärkerem Maße dem staatlichen Einfluß zu unterwerfen, als es die gem. Art119a Abs8 B-VG mögliche Bindung von im eigenen Wirkungsbereich zu treffenden Maßnahmen an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde erlaubt.

Die Regelung des Art118 Abs3 Z1 B-VG ermöglicht im Wahlverfahren die Einrichtung eines Instanzenzuges an überörtliche - staatliche - Wahlbehörden und weicht damit von der Regelung des Art118 Abs4 B-VG ab, wonach die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches - vorbehaltlich der Bestimmungen des Art119a Abs5 über die Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde - unter Ausschluß eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen sind. Die spezielle Regelung des Art118 Abs3 Z1 B-VG schließt die Geltung des Art118 Abs4 (iZm Art119a Abs5) B-VG im Wahlverfahren betreffend die Wahl in die Gemeindeorgane aus. Dieser Ausschluß ist unabhängig von der tatsächlichen Regelung des Wahlverfahrens, er gilt also auch dann, wenn in einem die Wahl in die Gemeindeorgane betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug an eine überörtliche Wahlbehörde nicht vorgesehen ist.

Ist aber in einem die Wahl in die Gemeindeorgane betreffenden Wahlverfahren die Erhebung einer Vorstellung iS des Art119a Abs5 B-VG (hier des §67 des Statuts für die Landeshauptstadt Linz, LGBl. 46/1965, idF 49/1979, jetzt wiederverlautbart als Statut für die Landeshauptstadt Linz 1980, LGBl. 10/1980) ausgeschlossen, braucht im vorliegenden Fall auch nicht untersucht zu werden, ob die vorläufige Annahme des VfGH, daß der an die anfechtende Wählergruppe gerichteten Mitteilung der Stadtwahlbehörde vom 26. September 1979 bzw. dem Beschluß dieser Behörde vom 28. September 1979 der Charakter eines Bescheides zukommt, auch zutrifft.

Die Wahlanfechtung ist zulässig.

2. Die in der StGWO enthaltenen Bestimmungen über die in den Wahlvorschlägen enthaltenen Parteibezeichnungen (§38 Abs3 lita, §40 Abs1 und Abs3 bis 6, §43 Abs4) dienen dem Ziel, die Unterschiedlichkeit dieser Parteibezeichnungen in einer Weise zu gewährleisten, daß kein Anlaß zu Verwechslungen gegeben sein kann. Dabei ergibt sich aus §40 Abs3 (wonach - im Falle gleicher oder schwer zu unterscheidender Parteibezeichnungen - solche Bezeichnungen, die schon auf veröffentlichten Wahlvorschlägen bei der letzten Gemeinderatswahl enthalten waren, zu belassen sind), daß die in der zuletzt gewählten Gemeindevertretung vertretenen Wahlparteien einen Anspruch darauf haben, daß ihre Identität nicht durch Bezeichnungen anderer Wahlparteien beeinträchtigt wird (vgl. das zu einer im Wortlaut zwar etwas anderen, aber inhaltlich gleichen Bestimmung der Salzburger Gemeindewahlordnung 1969 ergangenen Erk. VfSlg. 6195/1970, S 317).

Die Bestimmungen der StGWO über die Parteibezeichnung in Wahlvorschlägen ist mit der Bestimmung des §4 Abs, 3 des Vereinsgesetzes 1951 idF BGBl. 102/1962, wonach der Vereinsname so beschaffen sein muß, daß er Verwechslungen mit anderen Vereinen oder Einrichtungen ausschließt, zu vergleichen. In diesem Zusammenhang hat der VfGH (VfSlg. 6086/1969) den Vereinsnamen "Unabhängige Tiroler Volkspartei" für unzulässig erachtet, weil er eine Verwechslung mit der "Österreichischen Volkspartei" bzw. mit ihrer Landesorganisation nicht ausschließe, wobei insb. auch auf den Umgangston des täglichen Lebens hingewiesen wurde.

Für den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Wahlbehörden durch die Formalvorschriften der Wahlordnungen strenge gebunden sind; die Bestimmungen der Wahlordnungen müssen strikte nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden, soll nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet werden (vgl. zB VfSlg. 1904/1950, 2157/1951, 3796/1960, 4168/1962, 5861/1968, 6750/1972, 7392/1974, 7435/1974, insb. aber auch 6207/1970, S 371). Es hat deshalb auch die Prüfung der Parteibezeichnungen unter Anlegung eines strengen Maßstabes zu erfolgen. Dies führt zu der Feststellung, daß die Parteibezeichnungen "Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)" und "Kommunistischer Bund Österreichs (KB)" - die bei der Veröffentlichung der Wahlvorschläge (nach §43 StGWO) und auf den amtlichen Stimmzetteln (nach §62 StGWO) anzugebenden Listennummern ("Liste 1, 2, 3 usw.") sind nicht Bestandteil der unterscheidenden Parteibezeichnung - im Gesamtbild schwer zu unterscheiden sind:

Die Parteibezeichnung ist, wie der VfGH im Erk. VfSlg. 266/1924 ausgeführt hat, ein unteilbares Ganzes, auch wenn der gewählte Name aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist, welche durch Klammern, Bindestriche oder auf andere Weise miteinander verknüpft sind.

In den beiden Parteibezeichnungen "Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)" und "Kommunistischer Bund Österreichs (KB)" sind die das Gesamtbild beherrschenden Worte "Kommunistisch" und "Österreich" die gleichen; sie stehen auch in der Wortfolge an der gleichen Stelle. In beiden Parteibezeichnungen liegt das Gewicht auf dem an erster Stelle stehenden Worte "Kommunistisch": damit heben sich beide wahlwerbenden Parteien von den anderen wahlwerbenden Parteien (Österreichische Volkspartei, Sozialistische Partei Österreichs und Freiheitliche Partei Österreichs) ab. Dieses Wort "Kommunistisch" ist als Teil der die beiden Wahlparteien bezeichnenden Wortfolge in seiner formalen Bedeutung zu verstehen, völlig unabhängig von den Unterschieden im Programm der damit bezeichneten Wahlparteien oder deren Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit.

Die Unterschiede in beiden Parteibezeichnungen liegen in den im Gesamtbild untergeordneten, die Organisationsform bezeichnenden Worten "Partei" und "Bund" sowie in der Kurzbezeichnung in Buchstaben "KPÖ" und "KB".

Zu den in beiden Fällen unterschiedlichen Kurzbezeichnungen in Buchstaben ist festzuhalten, daß im allgemeinen Sprachgebrauch die für die "Kommunistische Partei Österreichs" übliche Kurzbezeichnung "KPÖ" häufig (ebenso wie die Kurzbezeichnung der anderen politischen Parteien) einer weiteren Kürzung unterzogen wird und "KP" lautet. Als Beweis hiefür braucht nur auf die Berichterstattung in der "Wiener Zeitung" (als Beispiel für viele: Nr. 102 vom 4. Mai 1979, S 2) hingewiesen zu werden. Derartige Abkürzungen werden wortartig gebraucht. Die zusammengerückten Buchstaben, die Teile von Wörtern sind, bilden selbst ein Wort, dessen lautliche Erscheinung sich nicht mit der Schreibweise decken muß. Deshalb hat der VfGH auch die phonetische Schreibweise eines Wortes auf einem Stimmzettel unter bestimmten Umständen als für die Gültigkeit des Stimmzettels unbeachtlich erachtet (vgl. VfSlg. 4626/1963, 5174/1965). Die Sprechweise von "KP" unterscheidet sich nun kaum von "KB".

Die im Gesamtbild der Parteibezeichnungen untergeordneten Worte "Partei" und "Bund" sowie die Kurzbezeichnungen in Buchstaben haben eine zu geringe differenzierende Wirkung, um auszuschließen, daß diese Parteibezeichnungen Anlaß zu Verwechslungen iS des §40 Abs1 StGWO geben könnten.

Aus dem von dem Vertreter der Stadtwahlbehörde in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH bezogenen Erk. VfSlg. 1904/1950 ist für den gegenteiligen Standpunkt nichts zu gewinnen, denn dieses Erk. betraf die Frage der Gültigkeit von Stimmzetteln, die nicht die Parteibezeichnung einer im Wahlbezirk veröffentlichten Parteiliste enthielten.

Die beiden Parteibezeichnungen der Wahlparteien KPÖ und KB sind somit als schwer zu unterscheidend iS des §40 Abs3 StGWO zu beurteilen.

Darin, daß die Wahlbehörde nicht nach dem zweiten Satz des §40 Abs3 StGWO vorgegangen ist (nämlich der wahlanfechtenden Wählergruppe ihre Parteibezeichnung zu belassen und den Wahlvorschlag des "Kommunistischen Bundes Österreichs (KB)" nach dem an erster Stelle vorgeschlagenen Bewerber zu benennen), liegt eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.

3. Gem. Art141 Abs1 B-VG und §70 Abs1 VerfGG 1953 hat der VfGH einer Wahlanfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluß war. Der VfGH hat schon wiederholt ausgesprochen, daß diese Voraussetzung gegeben ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnte (vgl. VfSlg. 6424/1971 und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie 7392/1974, 7784/1976, 7850/1976).

Der Vertreter der Stadtwahlbehörde führte in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH aus, der Wahlvorschlag des KB sei von 107 Wahlberechtigten unterschrieben gewesen, und selbst unter der Voraussetzung, daß nur ein Teil dieser Personen den KB gewählt hätte, wenn dessen Wahlvorschlag nach dem an erster Stelle vorgeschlagenen Bewerber benannt worden wäre (§40 Abs3), hätte die KPÖ die Wahlzahl nicht erreicht. Er ging dabei von dem Ergebnis der angefochtenen Wahl aus, wonach auf die KPÖ 1387 gültige Stimmen entfallen waren und die Wahlzahl 1714,09 betragen hatte.

Der VfGH ist dagegen der Auffassung, daß die erwiesene Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens wohl geeignet war, auf das Wahlergebnis von Einfluß zu sein. Die Bezeichnung der Wählergruppen ist nämlich ein bei der Bildung des Wählerwillens mitbestimmender Umstand (vgl. VfSlg. 6195/1970), denn die Wähler lassen sich bei der Wahl neben anderen Rücksichten auch von ihrer Neigung zu einer Partei leiten (vgl. VfSlg. 256/1923, 1480/1932, 6207/1970). Dagegen kann aus der Zahl der einen Wahlvorschlag unterschreibenden Personen nicht auf das Wahlergebnis geschlossen werden; es besteht nämlich kein zwingender Zusammenhang zwischen der Abgabe einer Unterstützungsunterschrift und dem Stimmverhalten des Unterstützers bei der Wahl.

4. Der Wahlanfechtung war somit stattzugeben.

Das Wahlverfahren war beginnend mit dem Beschluß der Stadtwahlbehörde vom 28. September 1979, der feststellte, daß die Parteibezeichnung "Kommunistischer Bund Österreichs (KB)" eindeutig von der Parteibezeichnung "Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)" zu unterscheiden wäre, aufzuheben.

5. Kosten konnten nicht zugesprochen werden, da ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71a Abs5 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976 (vgl. dazu auch §27 VerfGG 1953) vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.

Schlagworte

Wahlen, Stimmzettel, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Vorstellung, Wahlanfechtung administrative, Wahlvorschlag, Parteibezeichnung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:WI7.1979

Dokumentnummer

JFT_10199382_79WI0007_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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