TE Vfgh Beschluss 1980/10/23 B271/80

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Veröffentlicht am 23.10.1980
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §20 Abs3
ZPO §219

Leitsatz

VerfGG 1953, Gewährung von Akteneinsicht

Spruch

Dem Antrag des Beschwerdeführers, ihm Einsicht in Teile eines Aktes des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld. zu gewähren, wird Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

I.1. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld. (im folgenden: Disziplinarrat) hat über eine gegen den Beschwerdeführer erstattete Anzeige des Dkfm. Dr. F. B. am 23. April 1980 den Beschluß gefaßt, daß Grund zur Disziplinarbehandlung des Beschwerdeführers vorhanden sei, weil ihm zur Last gelegt wird, er habe in einer in der Zeitung "Die Presse" vom ... veröffentlichten Glosse den Rahmen zulässiger Kritik überschritten.

Gegen diesen Beschluß richtet sich eine auf Art144 B-VG gestützte, unter B271/80 protokollierte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Gleichheit vor dem Gesetz geltend gemacht wird.

2. Der Disziplinarrat als belangte Behörde hat den Disziplinarakt D 34/79 vorgelegt und dabei jene Aktenteile, die von der Einsichtnahme durch den Beschwerdeführer auszuschließen sind, mit dem Vermerk "Nicht zur Einsicht" versehen. Darunter befinden sich die Aktenstücke

OZ. 9 Stellungnahme des Untersuchungskommissärs vom 8. November 1979

und

OZ. 16 Nachtragsbericht des Untersuchungskommissärs vom 20. März 1980.

Der Beschwerdeführer stellte an den VfGH den Antrag, ihm in diese Aktenteile Einsicht zu gewähren; er begründete dies damit, daß diese Aktenstücke nicht Beratungsprotokolle sind, sondern Prozeßerklärungen enthalten, die "nicht einmal im Disziplinarverfahren und schon gar nicht im verfassungsgerichtlichen Verfahren von der Akteneinsicht ausgenommen werden dürften".

Der Referent des VfGH hat den Antrag der belangten Behörde übermittelt, dabei - gestützt auf §20 Abs3 VerfGG 1953 - seiner Meinung Ausdruck gegeben, daß die Ausschliessung der Aktenteile OZ. 9 und 16 zu weit geht und die Behörde eingeladen, dazu schriftlich Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde verweist in ihrer Stellungnahme auf §19 Abs2 "Geo z. DSt." (gemeint ist offensichtlich die Geschäftsordnung für den Disziplinarrat, Beschluß der Vollversammlung vom 21. Mai 1957, genehmigt vom Bundesministerium für Justiz mit Erlaß vom 2. Oktober 1957 Z 12.665-2/57), wonach von der Einsicht- und Abschriftmaßnahme ausgeschlossen sind der Bericht und die Anträge des Untersuchungskommissärs sowie die Beratungsprotokolle. Die Behörde vertritt die Meinung, daß die als OZ. 9 und 16 im Disziplinarakt befindlichen Aktenstücke ungeachtet ihrer Bezeichnung als Teilberichte anzusehen und daher gemäß "§19 (2) DSt." von der Einsichtnahme durch den Beschuldigten auszuschließen sind. Abschließend bemerkt die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme "Der Disziplinarrat sieht sich nicht zuletzt deshalb zu dieser (restriktiven) Auslegung der Geschäftsordnung veranlaßt, da in gegenständlicher Disziplinarsache erst das Vorverfahren abgeschlossen ist".

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Ein dem VfGH vorgelegter Akt wird, soweit er die anhängige Rechtssache betrifft, zum Bestandteil der verfassungsgerichtlichen Prozeßakten (vgl. hiezu auch VfSlg. 7455/1974).

Rechtsgrundlage für den zu fassenden Beschluß ist allein das VerfGG 1953; davon kommen in Betracht §20 Abs3 und gemäß §35 subsidiär die Bestimmungen der ZPO (hier des §219).

Nicht anzuwenden hat der VfGH §19 Abs2 der Geschäftsordnung des Disziplinarrates, weshalb auch ungeprüft bleiben muß, ob diese Bestimmung ihre gesetzliche Deckung in den Bestimmungen des Disziplinarstatutes für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter RGBl. 40/1872 (insbesondere dessen §33 Abs2) findet.

2. Für den Ausschluß von der Akteneinsicht ist - wie aus §20 Abs3 VerfGG 1953 abgeleitet werden muß - das öffentliche Interesse maßgebend.

Die belangte Behörde hat bei Vorlage der Akten und in ihrer gemäß §20 Abs3 VerfGG 1953 eingeholten Stellungnahme in keiner Weise dargelegt, warum die von ihr bezeichneten Aktenteile im öffentlichen Interesse von der Einsicht durch den Beschwerdeführer auszuschließen sind; sie hat sich lediglich auf die von ihr im Verwaltungsverfahren anzuwendende Bestimmung des §19 Abs2 der Geschäftsordnung des Disziplinarrates bezogen.

Der VfGH kann nach Prüfung des Inhaltes der Aktenstücke OZ. 9 und OZ. 16 des Disziplinaraktes D 34/79 der belangten Behörde nicht finden, daß ein öffentliches Interesse besteht, diese Aktenstücke von der sonst dem Beschwerdeführer zustehenden Einsicht auszuschließen.

3. Es war daher wie im Spruch zu beschließen.

Schlagworte

VfGH / Akteneinsicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1980:B271.1980

Dokumentnummer

JFT_10198977_80B00271_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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