TE Vfgh Beschluss 1981/6/20 B181/81

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Veröffentlicht am 20.06.1981
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §82 Abs1
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

VerfGG 1953 §33; keine Wiedereinsetzung bei verschuldeter Versäumnis der Beschwerdefrist

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist gemäß §82 VerfGG zur Erhebung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird keine Folge gegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Die Finanzlandesdirektion für OÖ hat mit Bescheid vom 6. Februar 1981 die von der antragstellenden Gesellschaft gegen einen Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen erhobene Berufung betreffend Feststellung von Einkünften 1979 als unbegründet abgewiesen.

Diese Berufungsentscheidung wurde - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - dem geschäftsführenden Gesellschafter der Antragstellerin am 19. Februar 1981 eigenhändig (RSa) im Wege der Post zugestellt.

2. Gegen diesen Bescheid hat die antragstellende Gesellschaft eine am 3. April 1981 zur Post gegebene, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde erhoben, in der sie behauptet, daß ihr der angefochtene Bescheid am 20. Februar 1981 zugestellt worden sei.

Die vom VfGH zur Erstattung einer Gegenschrift aufgeforderte Finanzlandesdirektion für OÖ hat - wie sich aus dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag ergibt - den Rechtsvertreter der antragstellenden Gesellschaft am 27. April 1981 darauf aufmerksam gemacht, daß die Zustellung des angefochtenen Bescheides bereits am 19. Februar 1981 erfolgt sei.

3. Mit der vorliegenden, am 11. Mai 1981 zur Post gegebenen Eingabe beantragt die einschreitende Gesellschaft die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion und führt gleichzeitig die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde nochmals aus. Sie gibt nunmehr als Zeitpunkt der Zustellung des bekämpften Bescheides - richtig - den 19. Februar 1981 an.

Die antragstellende Gesellschaft bringt hiezu im wesentlichen vor, daß der bekämpfte Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion ihrem geschäftsführenden Gesellschafter in den Morgenstunden des 19. Februar 1981 zugestellt worden sei. Er habe dieses Poststück zusammen mit anderen Poststücken sodann in das etwa 15 Minuten entfernt gelegene Büro in seiner Fabrik gebracht. Noch bevor er jedoch die Post bearbeiten konnte, habe er einen schweren Herzanfall erlitten, weshalb er sich sofort zunächst zu seinem Arzt und sodann nach Hause begeben und zu Bett gelegt habe. Als der geschäftsführende Gesellschafter am nächsten Tag (20. Februar 1981) wieder in den Betrieb gekommen sei, sei er noch unter den Nachwirkungen dieser Anfälle gestanden. Als Folge dessen habe er sich nicht mehr daran erinnert, daß er den angefochtenen Bescheid schon am 19. Februar 1981 übernommen hatte; er sei vielmehr der Meinung gewesen, daß er dieses Poststück erst am 20. Februar 1981 übernommen habe, weshalb er auch auf dem Schriftstück dieses - unrichtige - Empfangsdatum angebracht und es sodann dem Steuerberater der beschwerdeführenden Gesellschaft unter Hinweis auf das Zustelldatum "20. Februar 1981" übermittelt habe.

Durch den Herzanfall sei die Konzentration des geschäftsführenden Gesellschafters der Einschreiterin und sein Erinnerungsvermögen an Umstände, die sich kurz vor dem Anfall ereignet haben, beeinträchtigt gewesen.

In einem den Herzanfall bestätigenden ärztlichen Zeugnis vom 11. Mai 1981 lautet es auszugsweise:

"... Das hochgradige Angstgefühl führt auch zu starker psychischer Veränderung: Der Patient wird willenlos in seiner äußersten Furcht und sieht in diesem Zustand der argen Bedrohung nur mehr sich selbst und seine elende und unheildrohende Lage. Die Belange des Arbeitstages werden dadurch zwangsläufig verdrängt und treten völlig in den Hintergrund. Der Patient vergißt sie, bis er sich wieder soweit besser fühlt, daß er seiner täglichen Arbeit nachgehen kann ..."

Dieses Geschehen stelle - wie im Antrag weiter ausgeführt wird - ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, das für die einschreitende Gesellschaft die Versäumung der Frist für die Einbringung der Beschwerde gemäß Art144 B-VG zur Folge gehabt habe. Weggefallen sei das diesbezügliche Hindernis erst am 27. April 1981, weil die Einschreiterin erst an diesem Tage durch Rückfrage der belangten Behörde bei ihrem Rechtsvertreter auf diesen Umstand aufmerksam geworden sei.

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der ZPO (§§146 ff.) sinngemäß anzuwenden. Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert war und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte.

Bei der Handhabung dieser Vorschrift hat der VfGH in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, daß als Wiedereinsetzungsgrund nur ein Ereignis in Betracht kommt, das den Beschwerdeführer (oder seinen Vertreter) ohne sein Verschulden an der Fristeinhaltung hindert (zB VfSlg. 8801/1980). Ein bloßes Versehen des Beschwerdeführers oder seines Vertreters kann nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht als ein einen Wiedereinsetzungsgrund bildendes Ereignis angesehen werden (vgl. zB VfGH 2. 3. 1979 B590/78).

Um ein solches Versehen handelt es sich im vorliegenden Fall: Wenn auch der geschäftsführende Gesellschafter am 19. Februar 1981 aufgrund seines Herzanfalles außerstande gewesen sein mag, sich des Einlangens des angefochtenen Bescheides bewußt zu sein, so war er doch am folgenden Tag bereits wieder so weit gesundet, daß er seine berufliche Tätigkeit aufnehmen konnte. Wenn er sich auch am 20. Februar 1981 möglicherweise nicht mehr genau daran erinnerte, ob ihm das in Rede stehende Schriftstück am 19. oder am 20. Februar 1981 zugestellt worden war, wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, darüber Erkundigungen einzuziehen. Es mußte ihm bekannt sein, daß er sich bei der gegebenen Extremsituation eben auf sein Gedächtnis nicht verlassen konnte.

Es ist somit offenkundig, daß er die zur Wahrung der Frist gebotene Sorgfalt außer acht ließ.

Der Wiedereinsetzungsantrag war sohin abzuweisen.

III. Im Hinblick auf diese verfahrensrechtliche Entscheidung war die vorliegende Beschwerde wegen Versäumung der in §82 Abs1 VerfGG festgelegten sechswöchigen Beschwerdefrist zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B181.1981

Dokumentnummer

JFT_10189380_81B00181_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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