TE Vfgh Erkenntnis 1981/11/27 B172/78

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Veröffentlicht am 27.11.1981
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7810 Starkstromwege

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art101 Abs1
Nö StarkstromwegeG §11 ff

Leitsatz

Nö. Starkstromwegegesetz; Einräumung von Leitungsrechten gemäß §§11 ff.; kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung einer Berufung gegen einen Bescheid der Landesregierung durch diese

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Mit Bescheid vom 27. Februar 1976 wurde der Nö. Elektrizitätswerke AG (NEWAG) über deren Antrag vom Landeshauptmann von NÖ die elektrizitätsrechtliche und von der Nö. Landesregierung die energiewirtschaftliche Bau- und Betriebsbewilligung zur Errichtung einer 20 kV-Trafostation Gasten samt einer zugehörigen 20 kV-Anschlußleitung erteilt.

Diesen Bescheid bekämpften die Beschwerdeführer mit einer hinsichtlich der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung als Berufung zu wertenden und hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Bewilligung als Devolutionsantrag gemäß Art12 Abs3 B-VG zu wertenden Eingabe, in der sie eine geänderte Trassenführung für das Projekt begehrten.

Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat mit Bescheid vom 27. Mai 1977 nach dem Nö. Starkstromwegegesetz, LGBl. 224/1970, die Leitungstrasse dieser 20 kV-Anschlußleitung festgelegt und nach dem Elektrotechnikgesetz, BGBl. 57/1965, der NEWAG die elektrizitätsrechtliche Bewilligung hiefür erteilt.

Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie haben die Beschwerdeführer dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens Beschwerde nach Art144 B-VG erhoben. Der VfGH hat mit Erk. vom 1. Juli 1981, B309/77, den ministeriellen Bescheid vom 27. Mai 1977 wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben.

b) Da die Beschwerdeführer der für den Leitungsbau erforderlichen Grundinanspruchnahme nicht zugestimmt hatten, stellte die NEWAG den Antrag auf Einräumung eines Leitungsrechtes. Diesem Antrag gab die Nö. Landesregierung mit Bescheid vom 16. November 1977 gemäß §§11 ff. Nö. StarkstromwegeG statt.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer eine mit 6. Dezember 1977 datierte "Berufung" erhoben, die wie folgt schließt:

"Auf Grund der vorgebrachten Berufungseinwände ergeht daher der begründete

Antrag,

das Bundesministerium f. H., G. u. I. wolle in Anbetracht der aufgezeigten Verfahrensmängel den Bescheid der Nö. Landesregierung gem. §68 wegen Unzuständigkeit der Behörde aufheben bzw. in eventu gem. §66 Abs2 AVG 1950 beheben und an die Nö. Landesregierung zur neuerlichen Verhandlung zurückverweisen."

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1977 hat die Nö. Landesregierung diese Berufung als unzulässig zurückgewiesen und dies damit begründet, daß in den elektrizitätsrechtlichen Angelegenheiten, deren Vollziehung dem Land zukommt, der Instanzenzug beim Land endet.

2. Gegen diesen Bescheid vom 29. Dezember 1977 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer begründen ihre Behauptung, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein, wie folgt:

a) Zur Entscheidung in dieser Sache wäre der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie deshalb zuständig gewesen, weil er mit Bescheid vom 27. Mai 1977 das Bauvorhaben genehmigt habe.

b) Überdies sei die Eingabe der Beschwerdeführer vom 6. Dezember 1977 nicht bloß als Berufung, sondern auch als Devolutionsantrag iS des Art12 Abs3 B-VG anzusehen gewesen. Über den Antrag hätte daher der Bundesminister und nicht die Landesregierung zu entscheiden gehabt.

c) An den Entscheidungen der Nö. Landesregierung in dieser Angelegenheit habe ein befangenes Regierungsmitglied, nämlich der Landeshauptmann, mitgewirkt; der Landeshauptmann sei nämlich Präsident des Aufsichtsrates der NEWAG, zu deren Gunsten das Leitungsrecht eingeräumt wurde.

d) Da die Grundstücke der Beschwerdeführer, die für das Leitungsrecht in Anspruch genommen wurden, in ein Zusammenlegungsverfahren nach dem Nö. Flurverfassungslandesgesetz, LGBl. 6650-0, einbezogen worden seien, sei auch zur Entscheidung in den elektrizitätsrechtlichen Angelegenheiten die Agrarbehörde zuständig geworden.

2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980).

Ein derartiger Fehler ist der belangten Behörde hier nicht anzulasten:

a) Der Bescheid vom 16. November 1977, mit dem gemäß §§11 ff. Nö. StarkstromwegeG der NEWAG Leitungsrechte zu Lasten der Beschwerdeführer eingeräumt wurden, wurde von der Nö. Landesregierung erlassen. Hiezu war sie gemäß §22 leg. cit zuständig (vgl. Art12 Abs1 Z5 B-VG).

An dieser Befugnis der Landesregierung zur Entscheidung über diesen Antrag hat nichts geändert, daß sich der Bescheid der Nö. Landesregierung vom 16. November 1977 unter anderem auf den Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 27. Mai 1977 stützt und daß der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid zu B309/77 Verfassungsgerichtshofbeschwerde (der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde) erhoben hat.

Oberstes Vollziehungsorgan des Landes ist die Landesregierung (Art101 Abs1 B-VG). Gegen ihre Entscheidungen ist eine Berufung unzulässig. Die Landesregierung hat daher mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht die gegen ihren eigenen Bescheid vom 16. November 1977 gerichtete Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

b) Die Landesregierung hatte keine Veranlassung, die Eingabe vom 6. Dezember 1977 (auch) als Verlangen iS des Art12 Abs3 B-VG zu deuten, da der Wortlaut des Schriftsatzes dies ausschließt, zumal den Einschreitern die Rechtslage - wie sich aus dem zu B309/77 geführten hg. Verfahren ergibt - bekannt war.

c) Zur Widerlegung des weiteren Vorbringens der Beschwerdeführer, der Landeshauptmann von NÖ sei bei Erlassung des angefochtenen Bescheides befangen gewesen, genügt es, auf das an dieselben Beschwerdeführer gerichtete hg. Erk. VfSlg. 9179/1981 zu verweisen.

d) Gleiches gilt für die Ausführungen, die eine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter damit begründen wollen, daß die durch das Verfahren betroffenen Grundstücke in ein Zusammenlegungsverfahren einbezogen worden seien.

e) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden sind.

3. Da der bekämpfte Bescheid sohin dem Gesetz entspricht, ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer durch ihn in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sind (vgl. VfSlg. 7810/1976).

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem Recht verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B172.1978

Dokumentnummer

JFT_10188873_78B00172_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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