TE Vfgh Erkenntnis 1982/9/23 B121/79

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Veröffentlicht am 23.09.1982
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Index

32 Steuerrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
KStG 1966 §2
UStG 1972 §2 Abs3

Leitsatz

UStG 1972; Körperschaftsteuergesetz 1966; keine Bedenken gegen §2 Abs3 UStG 1972 und §2 Körperschaftsteuergesetz; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung dieser Bestimmungen

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Marktgemeinde Lustenau betreibt mehrere Kindergärten. Das Finanzamt Feldkirch vertrat nach Durchführung einer Betriebsprüfung die Ansicht, die von der Gemeinde betriebenen Kindergärten seien nicht als Betrieb gewerblicher Art iSd §2 Abs3 UStG 1972 iVm §2 KStG 1966 anzusehen, weil die durch die Kindergärten erzielten Einnahmen in Höhe von S 10,- monatlich pro Kind in einem derart krassen Mißverhältnis zum Aufwand - im Jahre 1975 S 525,- monatlich pro Kind und im Jahre 1976 S 735,- monatlich pro Kind - stünden, sodaß nicht mehr von einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einkommen gesprochen werden könne. Die Kindergärten zählten somit nicht zum Unternehmensbereich der Gemeinde. Aus diesem Grunde schied das Finanzamt bei der Veranlagung der Marktgemeinde Lustenau zur Umsatzsteuer für die Jahre 1975 und 1976 die aus dem Betrieb der Kindergärten erzielten Einnahmen von S 17.073,- im Jahre 1975 und von

S 21.502,- im Jahre 1976 aus der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage aus, während gleichzeitig den auf den Betrieb der Kindergärten entfallenden Vorsteuern die Abzugsfähigkeit versagt wurde.

Die dagegen erhobene Berufung wurde von der Finanzlandesdirektion für Vbg. mit Bescheid vom 8. Feber 1979 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gerügt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift daher in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3. Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht insbesondere auf §2 Abs3 UStG 1972 iVm §2 KStG 1966. Er ist somit nicht ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen sind nicht vorgebracht worden und unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles auch nicht entstanden.

4. a) Unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums ist sohin lediglich zu prüfen, ob die belangte Behörde bei der Anwendung des Gesetzes einen so schweren Fehler begangen hat, daß dies einer Gesetzlosigkeit gleichzuhalten wäre. Auch ist - unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz - zu prüfen, ob die belangte Behörde bei der Anwendung des Gesetzes diesem einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hat.

b) Der Umsatzsteuer unterliegen nach §1 Abs1 Z1 UStG 1972 insbesondere die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nach §2 Abs1 UStG 1972 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. §2 Abs3 UStG 1972 bestimmt sodann, daß die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§2 KStG 1966) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig sind. Bestimmte im letzten Satz dieses Absatzes aufgezählte Tätigkeiten der Gemeinden, zu denen der Betrieb eines Kindergartens nicht zählt, gelten jedoch stets als Betrieb gewerblicher Art iS des UStG.

§2 KStG 1966 ist überschrieben mit "Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts" und lautet:

"§2. (1) Zu den Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören alle Einrichtungen dieser Körperschaften, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen dienen. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Die Einrichtung ist als Betrieb gewerblicher Art nur dann steuerpflichtig, wenn sie sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft wirtschaftlich heraushebt. Diese wirtschaftliche Selbständigkeit kann in einer besonderen Leitung, in einem geschlossenen Geschäftskreis, in der Buchführung oder in einem ähnlich auf eine Einheit hindeutenden Merkmal bestehen. Die Führung der Bücher bei einer anderen Verwaltung ist unerheblich. Die Verpachtung eines Betriebes, der steuerpflichtig wäre, wenn er vom Verpächter unmittelbar betrieben würde, steht einem Betrieb gewerblicher Art gleich. Das gleiche gilt für jede andere entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten zu Betriebszwecken dieser Art.

(2) Zu den Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören auch Versorgungsbetriebe dieser Körperschaften. Versorgungsbetriebe sind nur solche Betriebe, welche die Bevölkerung mit Nutzwasser, Gas, Elektrizität oder Wärme versorgen, ferner solche Betriebe, die dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen.

(3) Ein Betrieb gewerblicher Art ist auch dann unbeschränkt steuerpflichtig, wenn er selbst eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Betriebe, die in eine privatrechtliche Form gekleidet sind, werden nach den für diese Rechtsform geltenden Vorschriften besteuert.

(4) Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen, gehören nicht zu den Betrieben gewerblicher Art. Eine Ausübung der öffentlichen Gewalt ist insbesondere anzunehmen, wenn es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist. Solche Betriebe sind insbesondere Wasserwerke, wenn sie überwiegend der Trinkwasserversorgung dienen, Forschungsanstalten, Wetterwarten, Schlachthöfe, Friedhöfe, Anstalten zur Nahrungsmitteluntersuchung, zur Desinfektion, zur Leichenverbrennung, zur Müllbeseitigung, zur Straßenreinigung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen.

(5) Land- und forstwirtschaftliche Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören nicht zu den im Abs1 bezeichneten Betrieben."

c) Die belangte Behörde ist bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angesichts der Bestimmung des §2 Abs3 letzter Satz UStG 1972 davon ausgegangen, daß ein Gemeindekindergarten nur dann als Betrieb gewerblicher Art angesehen werden kann, wenn die aus seinem Betrieb erzielten Einnahmen "wirtschaftlich ins Gewicht fallen". Sie hat dies im vorliegenden Fall unter Hinweis auf die in den Jahren 1975 und 1976 aus dem Betrieb der Kindergärten erzielten Einnahmen von S 17.073,- bzw. S 21.502,- und die Ausgaben für die Kindergärten in Höhe von S 1.329.520,- bzw. S 1,798.893,- verneint. Bei diesem Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben könne nicht mehr davon gesprochen werden, daß die Gemeinde mit dem Betrieb von Kindergärten eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen iS des §2 Abs1 KStG 1966 entfaltet habe. Die in dieser Bestimmung festgelegten Betriebsmerkmale träfen somit auf die Gemeindekindergärten nicht zu, sodaß sie nicht zum Unternehmensbereich der Beschwerdeführerin gehörten. Die Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes könnten daher keine Anwendung finden.

d) Der VfGH kann angesichts des klaren Wortlauts des §2 Abs3 letzter Satz UStG 1972 und angesichts der im Verfahren unbestritten gebliebenen geringen Höhe der tatsächlich aus dem Betrieb der Kindergärten erzielten Einnahmen nicht finden, daß die Behörde in Verfolgung ihrer Rechtsansicht den angewendeten Gesetzesbestimmungen einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser einer Gesetzlosigkeit gleichkäme.

e) Daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides willkürlich vorgegangen wäre, wurde von der beschwerdeführenden Gemeinde nicht vorgebracht; auch beim VfGH sind keinerlei Anhaltspunkte für ein derartiges Fehlverhalten der Behörde hervorgekommen.

5. Der VwGH hat mit Erk. v. 15. 4. 1982 Z 15/0833/79 den auch in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid bestätigt und erkannt, daß die Tätigkeit des Betreibens der Kindergärten durch die beschwerdeführende Marktgemeinde keine unternehmerische Tätigkeit iS des UStG darstellt. Aus diesem Grund sind die Bestimmungen über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Liebhaberei, die der VfGH aus Anlaß anderer bei ihm anhängiger Beschwerdefälle in Prüfung gezogen hat (vgl. etwa den Beschluß vom 20. 3. 1981 B187/76-18), im vorliegenden Fall nicht präjudiziell, da ihre Anwendbarkeit die Unternehmereigenschaft voraussetzt.

6. Die Beschwerdeführerin ist sohin durch den angefochtenen Bescheid weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht noch im Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.

Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist von der Beschwerdeführerin weder behauptet worden, noch sonst im Verfahren hervorgekommen. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen wurde die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Umsatzsteuer, Vorsteuerabzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B121.1979

Dokumentnummer

JFT_10179077_79B00121_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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