TE Vfgh Erkenntnis 1983/2/24 B120/79

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Veröffentlicht am 24.02.1983
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Index

25 Strafprozeß, Strafvollzug
25/02 Strafvollzug

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
MRK 1. ZP Art2
StGG Art18
StVG §20
StVG §24
StVG §33

Leitsatz

Strafvollzugsgesetz; Verweigerung der Ausfolgung eines Diktaphons; keine willkürliche Gesetzesanwendung; keine Verletzung des Rechtes auf freie Berufswahl und -ausbildung und des Rechtes auf Bildung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der damals in der Strafvollzugsanstalt Stein in Strafhaft angehaltene Beschwerdeführer suchte am 29. Mai 1978 bei der Anstaltsleitung um Ausfolgung seines zu den Verwahrnissen genommenen Diktaphons samt Zubehör an.

Dieses Ansuchen wurde am 2. Juni 1978 von einem Strafvollzugsbediensteten abgelehnt (§22 Abs3 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. 144/1969, - StVG).

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Administrativbeschwerde wurde mit Bescheid des Leiters der Strafvollzugsanstalt Stein vom 26. Juli 1978 gemäß §121 Abs1 StVG iVm §§33 und 24 StVG abgewiesen.

b) Der Bundesminister für Justiz gab mit Bescheid vom 8. Feber 1979 der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen (weiteren) Administrativbeschwerde gemäß §121 Abs1 StVG iVm §66 Abs4 AVG 1950 keine Folge.

Dieser Bescheid wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"... Der Anstaltsleiter hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter Hinweis auf §33 StVG zutreffend ausgeführt, daß dem Beschwerdeführer ein Recht auf Ausfolgung eines Diktaphons nicht zusteht. Gemäß §33 Abs1 StVG dürfen die Strafgefangenen weder Geld noch andere als die ihnen bei der Aufnahme belassenen oder später ordnungsgemäß überlassenen Gegenstände in ihrem Gewahrsam haben. Das Strafvollzugsgesetz enthält keine Bestimmung, wonach einem Strafgefangenen das Recht zusteht, ein Diktaphon bei der Aufnahme oder später überlassen zu erhalten. Ein Diktaphon könnte einem Strafgefangenen lediglich als Vergünstigung - mit Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz (§24 Abs3 StVG) - ausgefolgt werden.

Zur Erteilung einer Genehmigung gemäß §24 Abs3 StVG besteht im vorliegenden Fall kein Anlaß. Der Beschwerdeführer will sich als Werbeberater weiterbilden. Zu diesem Zweck wurden ihm bereits eine Schreibmaschine und ein Recorder überlassen. Die Ausfolgung eines Diktaphons erscheint im Hinblick auf die bereits gewährten Hilfsmittel entbehrlich. Die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe für die Notwendigkeit der Benützung eines Diktaphons sind nicht überzeugend. Eine Verletzung der Bestimmungen der §§20, 26 Abs4, 48 Abs2, 58 Abs1 StVG - wie sie der Beschwerdeführer behauptet - liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer ist im Irrtum, wenn er meint, alle seine Aktivitäten in Richtung Weiterbildung müßten durch die Strafvollzugsbehörden unterstützt werden. Gemäß §20 Abs2 StVG muß sich der Beschwerdeführer schon allein zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gewisse Beschränkungen in seinen Aktivitäten gefallen lassen. ..."

2. Gegen diesen Bescheid vom 8. Feber 1979 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Der Beschwerdeführer regt an, die Verfassungsmäßigkeit des §64 StVG von Amts wegen zu prüfen.

3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

4. Der Beschwerdeführer hat gegen den beim VfGH bekämpften Bescheid auch Beschwerde an den VwGH erhoben.

Dieser hat mit Erk. vom 11. September 1979, Z 813/79, die Beschwerde abgewiesen und begründend ausgeführt:

"Wie der Beschwerdeführer selbst zugibt und in der Verhandlung dargelegt worden ist, befindet er sich im Besitz einer Reihe von für ihn bedeutsamen Geräten, die durch Vergünstigungen in einem Maße gewährt worden sind, das gerade noch mit §20 StVG vereinbar ist. Der Vertreter der belangten Behörde hat zu Recht ausgeführt, daß die Gewährung eines Diktiergerätes den Zweck des Strafvollzuges beeinträchtigen würde. Der belangten Behörde kann keine Rechtswidrigkeit angelastet werden, wenn sie die Ansicht vertritt, daß die Gewährung einer weiteren Vergünstigung durch Ausfolgung eines Diktaphons mit §20 Abs2 StVG unvereinbar ist, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt. Es ist dabei nicht zu übersehen, daß der Beschwerdeführer sich nach dieser Gesetzesstelle auch gewissen Beschränkungen in seiner Lebensführung unterwerfen muß.

Auf dem Boden dieses Ergebnisses war damit der Verfahrensrüge im Hinblick auf die Bestimmungen des §24 in Verbindung mit §20 StVG die Grundlage entzogen."

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach §33 Abs1 StVG dürfen die Strafgefangenen weder Geld noch andere als die ihnen bei der Aufnahme belassenen oder später ordnungsgemäß überlassenen Gegenstände in ihrem Gewahrsam haben. Dem folgenden Abs2 zufolge sind den Strafgefangenen außer den in diesem Bundesgesetz sonst bestimmten Fällen nur solche eigene Gegenstände zu überlassen, die ihnen bei der Aufnahme zu belassen gewesen wären (§132 Abs2). Ein Diktiergerät ist unter diesen Gegenständen nicht erwähnt.

Es könnte einem Strafgefangenen aber - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid richtig erwähnt - als Vergünstigung iS des §24 StVG überlassen werden. Ob eine derartige Vergünstigung vom Anstaltsleiter (allenfalls mit Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz - s. §24 Abs3 StVG) zu gewähren ist oder nicht, ergibt sich vor allem aus §20 StVG, der den Zweck des Strafvollzuges umschreibt (s. §24 Abs2 leg. cit.).

2. Der Beschwerdeführer behauptet, in dem durch Art2 des (1.) ZP zur MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden zu sein.

Diese auf Verfassungsstufe stehende Konventionsbestimmung gewährt - soweit sie hier überhaupt in Betracht zu ziehen ist - jedermann das Recht auf Bildung.

Es ist ausgeschlossen, daß durch die Nichtausfolgung eines Diktaphons an einen Strafgefangenen in dieses Recht eingegriffen wird. Eine Verletzung dieses Grundrechtes scheidet daher von vornherein aus.

3. Der Beschwerdeführer macht weiters die Verletzung des Gleichheitsgebotes und des durch Art18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Berufswahl und -ausbildung geltend.

a) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Beschwerdeführer könnte daher im Gleichheitsrecht nur durch eine willkürliche Gesetzesanwendung verletzt worden sein.

Der angefochtene Bescheid entspricht, wie der VwGH ausgeführt hat (s.o. I.4.), dem Gesetz. Von einer denkunmöglichen - und damit allenfalls Willkür indizierenden - Gesetzesauslegung kann keine Rede sein.

Aber auch die - nicht näher substantiierte - Behauptung des Beschwerdeführers, anderen Strafgefangenen sei die von ihm erbetene Vergünstigung gewährt worden, weist nicht ein willkürliches Vorgehen der Behörde nach.

b) Zur Widerlegung der Behauptung, in den durch Art18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein, genügt es, auf das hg. Erk. VfSlg. 8562/1979 zu verweisen, wonach die durch eine gerichtliche Freiheitsstrafe bedingte Schmälerung des Rechtes auf freie Berufswahl und -ausbildung nicht dem Art18 StGG widerspricht. Derartige Beschränkungen sehen die von der Behörde herangezogenen - verfassungsrechtlich unbedenklichen (s. die vorstehende lita) - Bestimmungen des StVG vor. Nur eine der Gesetzlosigkeit gleichkommende denkunmögliche Gesetzesanwendung könnte das genannte Recht verletzen. Davon kann aber - wie schon dargetan - keine Rede sein.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.

Auf die Anregung des Beschwerdeführers, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §64 StVG einzuleiten, war nicht einzugehen, da diese Bestimmung hier nicht präjudiziell ist.

Schlagworte

Strafvollzug, Vergünstigungen (Strafvollzug), Berufswahl- und Berufsausbildungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B120.1979

Dokumentnummer

JFT_10169776_79B00120_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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