TE Vfgh Erkenntnis 1983/2/26 B409/80

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Veröffentlicht am 26.02.1983
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GehG 1956 §12 Abs3

Leitsatz

Gehaltsgesetz 1956; keine gleichheitswidrige Anwendung des §12 Abs3

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol.

Vom 9. Juli 1962 bis 31. August 1964 war er in der Hauptverwaltung, Abteilung Leitungsbau, der Tir. Wasserkraftwerke AG (TIWAG) in Innsbruck beschäftigt. In den folgenden Jahren studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck und wurde am 21. Juni 1969 zum Doktor juris promoviert.

In den Tir. Landesdienst trat er mit 2. Juni 1975, und zwar zunächst als Vertragsbediensteter, ein.

Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1976 wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Tir. Landesregierung vom 15. Dezember 1975 auf einen Dienstposten der Dienstklasse VI im Dienstzweig Rechtskundiger Verwaltungsdienst ernannt. In diesem Ernennungsdekret wird unter anderem ausgeführt, daß nach §12 des Gehaltsgesetzes 1956 als Vorrückungsstichtag der 3. März 1966 festgestellt wird.

Eine Begründung für diese Festsetzung des Vorrückungsstichtages enthält dieser - in Rechtskraft erwachsene - Bescheid nicht. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich jedoch unter anderem, daß bei der Feststellung des Vorrückungsstichtages die Zeit vom 9. Juli 1962 bis 31. August 1964, während der der Beschwerdeführer bei der TIWAG beschäftigt war, nur zur Hälfte angerechnet wurde.

b) Am 2. Jänner 1978 begehrte der Beschwerdeführer die Vollanrechnung der Dienstzeit bei der TIWAG.

Mit Bescheid der Tir. Landesregierung vom 28. März 1978 wurde dieser Antrag gemäß §§1 und 13 DVG iVm §68 Abs1 AVG wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen.

Dieser Bescheid wurde vom VfGH mit Erk. v. 28. Feber 1980, B300/78 (= VfSlg. 8739/1980) wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben. Das Erk. wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Tir. Landesregierung - ausgehend von der unzutreffenden Ansicht, daß über die Frage der Vollanrechnung der bei der TIWAG verbrachten Zeiten nach §12 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956 mit Bescheid vom 15. Dezember 1975 rechtskräftig entschieden worden sei - den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1978 zu Unrecht zurückgewiesen und damit eine Sachentscheidung darüber, ob bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtages des Beschwerdeführers diese Zeiten nach §12 Abs3 leg. cit. berücksichtigt werden können, verweigert wurde.

c) Die Tir. Landesregierung führte sodann ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch und wies mit Bescheid vom 30. Mai 1980 den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1978 auf volle Anrechnung der Vordienstzeiten bei der TIWAG ab.

2. Gegen diesen (Ersatz-)Bescheid vom 30. Mai 1980 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Die Tir. Landesregierung als belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war nach §2 Z5 des Tir. Landesbeamtengesetzes, LGBl. 57/1974 idF der 5. Landesbeamtengesetz-Nov. LGBl. 45/1979, auf das Dienstverhältnis der Tir. Landesbeamten das Gehaltsgesetz 1956 idF der 33. Gehaltsgesetz-Nov., BGBl. 677/1978 (im folgenden kurz als "GG 1956" zitiert), sinngemäß anzuwenden.

Nach §12 Abs1 GG 1956 ist der Vorrückungsstichtag dadurch zu ermitteln, daß - unter Ausschluß der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs4 bis 8 - dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

a) Die im Abs2 angeführten Zeiten zur Gänze;

b) die sonstigen Zeiten zur Hälfte.

§12 Abs3 GG 1956 lautet:

"Zeiten gemäß Abs1 litb, in denen der Beamte eine Tätigkeit

ausgeübt ... hat, können ... im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit ... für die

erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist."

Die Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der TIWAG fällt nicht unter §12 Abs2 GG 1956.

2. Der angefochtene Bescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Beschwerdeführer sei bei der Abteilung III b 2 des Amtes der Tir. Landesregierung tätig. Dieser Abteilung sei die Erledigung aller rechtlichen Angelegenheiten der Grundzusammenlegung, des landwirtschaftlichen Siedlungs- und Förderungswesens und der Baulandumlegung übertragen; sie befasse sich ausschließlich mit juristischen Tätigkeiten, wobei jedoch die Bediensteten dieser Abteilung über ein entsprechendes Verhandlungsgeschick verfügen sollen. Der Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der TIWAG als Elektroingenieur in der Abteilung Leitungsbau könne keine besondere Bedeutung für eine erfolgreiche Verwendung in der Abteilung III b 2 des Amtes der Tir. Landesregierung beigemessen werden; ohne die Vortätigkeit bei der TIWAG wäre der Erfolg der Verwendung sicher nicht in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben. Die Vortätigkeit bei der TIWAG sei für die erfolgreiche Verwendung in der Abteilung III b 2 lediglich insofern von Bedeutung gewesen, als hiedurch ein rascheres Einarbeiten im Hinblick auf den Umgang mit den Parteien möglich gewesen sei; diese Vortätigkeit sei jedoch nicht von besonderer Bedeutung gewesen.

3. Der Beschwerdeführer begründet seine Behauptung, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein, damit, daß ihn die Behörde unsachlich benachteiligt habe. Die Tir. Landesregierung mache nämlich von §12 Abs3 GG 1956 bei anderen Beamten großzügig Gebrauch. Der Beschwerdeführer führt sodann einige konkrete Fälle von Beamten an, von denen er meint, daß diese in der hier maßgeblichen Hinsicht mit ihm vergleichbar seien. Wenn bei ihm der gleiche Maßstab angewendet worden wäre, hätte die Behörde auch in seinem Fall von dem ihr durch §12 Abs3 GG 1956 eingeräumten Ermessen im positiven Sinn Gebrauch machen müssen. Es liege kein denkbarer Grund vor, der eine Differenzierung zwischen ihm und den anderen erwähnten Beamten, denen die Vordienstzeit voll angerechnet wurde, als sachlich gerechtfertigt erscheinen lasse. Die Differenzierung sei im gegenständlichen Fall nicht nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgt. Der Behörde sei auch dann Willkür vorzuwerfen, wenn sie von einer ständigen Übung innerhalb eines Ermessensspielraumes abweiche, wobei sie ohne stichhaltigen Grund einen Beamten schlechter stellt als die anderen.

4. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8856/1980, 9015/1981) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

b) Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften sind in der Beschwerde nicht vorgebracht worden. Derartige Bedenken sind beim VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch sonst nicht entstanden (s. hiezu VfGH 25. 9. 1982 B408/79).

c) Im Verfahren vor dem VfGH ist auch nicht hervorgekommen, daß die belangte Behörde willkürlich vorgegangen wäre:

Die Behörde ist davon ausgegangen, daß eine Vortätigkeit für die erfolgreiche Verwendung des Beamten nur dann von besonderer Bedeutung iS des §12 Abs3 GG 1956 ist, wenn der durch die Vortätigkeit verursachte Verwendungserfolg ohne diese Vortätigkeit nur in beträchtlich geringerem Ausmaß gegeben wäre. Die Behörde kann sich bei dieser Auslegung des Gesetzes auf die ständige Judikatur des VwGH (vgl. zB VwGH 19. 1. 1981 Z 12/2762/79 und 18. 5. 1981 Z 12/0383/80 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung) stützen. Es kann keine Rede davon sein, daß die Behörde das Gesetz völlig verfehlt ausgelegt hätte.

Die Behörde hat nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens festgestellt, daß die oben erwähnten Voraussetzungen beim Beschwerdeführer nicht gegeben seien.

Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, die Behörde habe in vergleichbaren Fällen das Gesetz auf eine für die Beamten günstigere Weise angewendet, vermag er damit ein willkürliches Vorgehen der Behörde nicht nachzuweisen:

Die Behörde hat nicht - wie der Beschwerdeführer annimmt - eine Ermessensentscheidung getroffen. Vielmehr hat sie den im §12 Abs3 GG 1956 verwendeten Begriff "besondere Bedeutung" ausgelegt, und zwar - wie soeben dargetan - auf durchaus vertretbare und keineswegs willkürliche Weise.

Auch wenn die Behörde - wie der Beschwerdeführer behauptet - in vergleichbaren Fällen in einem für die Beamten günstigeren Sinn entschieden, also den Begriff "besondere Bedeutung" iS des §12 Abs3 GG 1956 anders als im Fall des Beschwerdeführers interpretiert haben sollte, wäre damit für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen; denn nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 7836/1976, 8790/1980) hat niemand einen Anspruch darauf, daß sich eine Behörde, die sich in anderen Fällen rechtswidrig verhalten hat, auch ihm gegenüber rechtswidrig verhalte.

d) Der Beschwerdeführer ist sohin durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Dienstrecht, Vorrückungsstichtag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B409.1980

Dokumentnummer

JFT_10169774_80B00409_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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