TE Vfgh Erkenntnis 1983/3/10 B534/79

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Veröffentlicht am 10.03.1983
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8040 Altstadterhaltung, Ortsbildschutz

Norm

StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
StGG Art13 Abs2
Sbg OrtsbildschutzG §3
Sbg OrtsbildschutzG §4 Abs1
Sbg OrtsbildschutzG §6 Abs1
Sbg OrtsbildschutzG §9

Leitsatz

Sbg. Ortsbildschutzgesetz; keine denkunmögliche Anwendung der §§4 Abs1, 6 Abs1 und 9; kein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Pressefreiheit und Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist Medieninhaber (Verleger) einer Tageszeitung.

Mit Bescheid vom 23. Juli 1979 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Sbg. der beschwerdeführenden Gesellschaft über deren Ansuchen gemäß §6 Abs1 und 3 des Sbg. Ortsbildschutzgesetzes, LGBl. 1/1975, die Bewilligung für die Errichtung von insgesamt 798 Ankündigungsanlagen auf den mit Bescheid des Magistrates Sbg. vom 16. Feber 1979, Z I/6-326/4-78, unter Spruch I und II straßenpolizeilich bewilligten Zeitungsverkaufseinrichtungen im Stadtgebiet Sbg. Die Bewilligung wurde unter Setzung von drei - hier nicht wesentlichen - Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurde in dem Bescheid ausgesprochen, daß gemäß Tarifpost 76 der Landes- und Gemeindeverwaltungsabgabenverordnung 1977, LGBl. 25, für die Erteilung der Bewilligung eine Verwaltungsabgabe von S 167.580,- (je Ankündigungsanlage S 210,-) zu entrichten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft mit der Begründung Berufung, daß die Verwendung ihrer Zeitungsständer an Sonn- und Feiertagen auch zur Anbringung von Hinweisen auf den Inhalt des Blattes keinen Tatbestand verwirkliche, der unter die Bestimmungen der §§4 ff. des Ortsbildschutzgesetzes falle; in eventu wolle von der Vorschreibung einer Gebühr abgesehen werden.

Mit Bescheid vom 18. September 1979 hat die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Sbg. die Berufung als unbegründet abgewiesen und den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß die erteilte Bewilligung iS des gestellten Antrages lediglich an Sonn- und Feiertagen gilt. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Beschwerdeführerin bringe bereits seit Jahren im Gebiet der Stadt Sbg. jeweils an Sonn- und Feiertagen Zeitungsverkaufseinrichtungen zur Aufstellung, die aus einer durchsichtigen Tasche bestünden, in der die zum Verkauf angebotenen Zeitungen enthalten seien. Auf diesen Zeitungsverkaufseinrichtungen würden zu besonderen Gelegenheiten außer der üblicherweise im oberen Bereich enthaltenen Angabe des Zeitungsnamens farbige Hinweisplakate angebracht, die auf bestimmte in der betreffenden Zeitungsausgabe enthaltene Artikel, Aktionen wie Preisrätsel und dergleichen mehr hinwiesen. Die Zeitungsverkaufseinrichtungen seien iS des §82 Abs2 StVO 1960 unter Punkt I und II des Bescheides des Magistrates Sbg. vom 16. Feber 1979 straßenpolizeilich genehmigt worden, und zwar an insgesamt 798 Aufstellungsorten. Die gegenständlichen in einer Sichthöhe von einem Meter angebrachten Hinweisplakate, welche farbig gehalten seien und eine Größe von 39 x 42 cm aufwiesen, träten im Hinblick auf ihre Größe, Art der Anbringung und Farbigkeit im Ortsbild in Erscheinung. Dies sei auch durchaus verständlich, da mittels dieser Hinweisplakate für die Passanten das Interesse auf die jeweilige Zeitungsverkaufseinrichtung gelenkt werden solle. Die Hinweis- bzw. die Zeitungsverkaufseinrichtungen mit der Bestimmung, diese Hinweisplakate darauf anbringen und auswechseln zu können, seien Ankündigungsanlagen iS des §6 Abs1 Ortsbildschutzgesetz, da die jeweilige Zeitungsverkaufseinrichtung hinsichtlich ihres oberen Teiles die Vornahme wechselnder Ankündigungen ermögliche. Die Größe der Anlage und ihre in ortsbildschutzmäßiger Hinsicht gegebene Verträglichkeit seien nicht Voraussetzungen für die Bewilligungspflicht, sondern würden dazu führen, daß eine solche Anlage genehmigbar erscheine. Es liege auch keiner der - restriktiv auszulegenden - Ausnahmetatbestände des §9 Ortsbildschutzgesetz vor, zumal es sich hier weder um eine Geschäftsauslage noch um ein Schaufenster noch um eine Vitrine handle.

Die Sbg. Landesregierung hat mit Bescheid vom 29. Oktober 1979 die von der beschwerdeführenden Gesellschaft eingebrachte Vorstellung gegen den Berufungsbescheid als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen den Bescheid der Landesregierung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher eine Verletzung der Grundrechte nach Art5, 6 und 13 StGG behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach §4 Abs1 des Gesetzes vom 23. Oktober 1974 zum Schutze des Ortsbildes (Sbg. Ortsbildschutzgesetz), LGBl. 1/1975 in der hier maßgeblichen Fassung vor der Nov. LGBl. 46/1980, ist der Behörde die Anbringung jeder Art von privaten, im Ortsbild in Erscheinung tretenden Ankündigungen zu Reklamezwecken sowie die nicht nur geringfügige Änderung solcher Ankündigungen vorher anzuzeigen. Als geringfügig ist eine solche Änderung anzusehen, die die Auswirkung der Ankündigung auf das Ortsbild nicht ändert.

Laut §6 Abs1 des genannten Gesetzes bedarf die Errichtung und die nicht nur geringfügige Änderung von Anlagen, die für die Anbringung wechselnder Ankündigungen gemäß §4 Abs1 bestimmt sind (Plakatwände, Litfaßsäulen udgl.), einer Bewilligung. Als Errichtung gilt auch die Widmung baulicher oder sonstiger Anlagen oder von Teilen hievon für solche Zwecke.

Gemäß dem Abs3 dieses Paragraphen ist die Bewilligung zu erteilen, wenn durch die Ankündigungsanlage unter Berücksichtigung der darauf vorzunehmenden Ankündigungen das Ortsbild weder gestört noch verunstaltet wird. Zur Sicherstellung dieses Erfordernisses kann die Bewilligung auch unter Auflagen erteilt werden.

Im §9 des Gesetzes sind fünf Ausnahmen von den Bestimmungen über die Ankündigungen aufgezählt, darunter für ortsübliche Ankündigungen von Veranstaltungen mit überwiegend örtlicher Bedeutung (Festlichkeiten, Vorträge, Bälle, kleinere Sportveranstaltungen, Kirtage udgl.), die an Objekten, in denen die Veranstaltungen stattfinden, angebracht werden (Z2), sowie für die übliche Werbung in Geschäftsauslagen, Schaufenstern und Vitrinen (Z4).

Nach §27 Abs1 Ortsbildschutzgesetz gelten für die Zuständigkeit zur behördlichen Vollziehung dieses Gesetzes die allgemeinen baurechtlichen Bestimmungen sinngemäß, sofern nichts besonderes bestimmt ist.

2. Die beschwerdeführende Gesellschaft bringt vor, die Behörde hätte sie durch eine den Denkgesetzen nicht entsprechende und mit der Kompetenzverteilung des B-VG nicht in Einklang zu bringende Auslegung des Sbg. Ortsbildschutzgesetzes und durch die mit der Bezahlung verhältnismäßig hoher Verwaltungsabgaben verbundene Bewilligung des Betriebes von Ankündigungsanlagen in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, Freiheit der Erwerbsbetätigung und Pressefreiheit verletzt.

Die von der Behörde vorgenommene Auslegung sei insofern denkgesetzwidrig, als eine dem Schutz des Stadtbildes von Sbg. dienende gesetzliche Norm auf einen Sachverhalt angewendet werde, der das Sbg. Ortsbild überhaupt nicht beeinflusse oder gar beeinträchtige. Die Verletzung der Zuständigkeit des Bundes durch die Behörden der Stadt und des Landes Sbg. liege darin, daß ein im Rahmen der Landeskompetenz erlassenes Gesetz angewendet werde, um auf eine Angelegenheit des Gewerbes bzw. des Pressewesens Einfluß zu nehmen. Das habe im Zusammenhang mit der hohen Abgabe von S 210,- je Ankündigungsanlage zur Folge, daß die beschwerdeführende Gesellschaft die Aufstellung von Selbstbedienungseinrichtungen in Sbg. einschränken müsse, was eine Beeinträchtigung ihres Erwerbes und gleichzeitig damit auch eine Einschränkung ihres Zeitungsvertriebes und eine Beschneidung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung zur Folge habe.

Wenn der Landesgesetzgeber durch die Ausnahmebestimmung des §9 Ortsbildschutzgesetz gewisse Werbeankündigungen generell gestattet habe, obwohl sie mitunter sehr störend in das Ortsbild eingreifen, müsse nach den Denkgesetzen daraus der Schluß gezogen werden, daß der Ortsbildschutz überall dort in den Hintergrund zu treten habe, wo er mit anderen Rechtsgütern höherer Ordnung in Konflikt tritt, also zB der Freiheit der Erwerbsbetätigung oder des geselligen Zusammenschlusses der Staatsbürger. Vor allem aber ergebe sich daraus, daß der Begriff des Ortsbildschutzes nicht ausdehnend ausgelegt und auf Sachverhalte angewendet werden dürfe, durch die das Ortsbild gar nicht berührt werde.

Wenn bei der Bestimmung des Begriffes Ortsbild nur von "Bauten oder sonstigen baulichen Anlagen" die Rede sei, die das Bild einer Stadt prägen, so ergebe sich daraus, daß Einrichtungen, die auch bei weitester Auslegung des Begriffes nicht als bauliche Anlagen bezeichnet werden können, wie etwa die von der beschwerdeführenden Gesellschaft nur an Sonn- und Feiertagen aufgestellten Selbstbedienungseinrichtungen, das Ortsbild nicht "prägen" und daher auch nicht beeinträchtigen könnten. Es seien nur solche Ankündigungen zu Reklamezwecken anzeigepflichtig und nur solche Ankündigungsanlagen genehmigungspflichtig, bei denen wenigstens die Möglichkeit bestehe, daß sie das Ortsbild in grober Weise beeinträchtigen oder doch wenigstens in einer auffälligen Weise in Erscheinung treten. Davon könne aber hier schon wegen der geringen Größe der Ankündigungsanlage, vor allem aber deshalb keine Rede sein, weil es sich nicht um ortsfeste Anlagen, sondern um transportable Verkaufsständer handle, die keine Anlagen wie die im Gesetz zitierten Plakatwände und Litfaßsäulen seien.

Die Vorschreibung von Gebühren stelle - da die sie auslösende Bewilligung nach dem Gesetz nicht erforderlich sei - einen gegen Art5 StGG verstoßenden Eigentumseingriff dar. Die Vorschreibung von Gebühren in einer solchen Höhe (insgesamt S 167.580,- für 798 Selbstbedienungseinrichtungen) beschränke die beschwerdeführende Gesellschaft aber auch in der Freiheit der Erwerbsbetätigung.

Hand in Hand damit ergebe sich als Folge der gesetzwidrigen Entscheidung der belangten Behörde, daß die Verbreitung der Zeitung der beschwerdeführenden Gesellschaft, insbesondere in verhältnismäßig dünn besiedelten Gebieten am Stadtrand, eingeschränkt werde. Insofern führe die bekämpfte, der Logik und dem Sinn sowie dem Wortlaut des Gesetzes widersprechende Entscheidung der belangten Behörde zu einer Verletzung des Art13 StGG.

3. a) Art13 Abs1 StGG schützt die Meinungsfreiheit innerhalb der gesetzlichen Schranken. Die hier angewendeten Bestimmungen des Ortsbildschutzgesetzes greifen in den durch Art13 Abs1 StGG verfassungsgesetzlich geschützten Bereich in keiner Weise ein. Sie haben nicht die Regelung der Meinungsfreiheit zum Gegenstand, sondern dienen dem Schutz des Ortsbildes.

b) Der durch Art13 Abs2 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Schutz der Pressefreiheit hat einen dreifachen Inhalt: 1. die Presse darf nicht durch das Konzessionssystem beschränkt werden, dh., daß Unternehmen, deren Gegenstand die Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften ist, ohne behördliche Bewilligung begonnen und betrieben werden dürfen, 2. die Presse darf nicht unter Zensur gestellt werden, dh., daß der zur Verlautbarung bestimmte Inhalt von Zeitungen und Zeitschriften nicht einer vorgängigen behördlichen Prüfung unterworfen werden darf, 3. administrative Postverbote finden auf inländische Druckschriften keine Anwendung (vgl. VfSlg. 2362/1952, 2458/1952, 5218/1966, vgl. auch VfSlg. 6999/1973 u. 8019/1977 betreffend das Aushängen und Anschlagen von Druckwerken iS des §11 Pressegesetz).

Es bedarf keiner weiteren Begründung, um ersichtlich zu machen, daß der angefochtene Bescheid in das derart umschriebene Recht der Pressefreiheit nicht eingreift. Die hier allein maßgebliche Bestimmung des §6 Abs1 Ortsbildschutzgesetz regelt nämlich ausschließlich den Schutz des Ortsbildes vor der Einwirkung durch bestimmte, zu Reklamezwecken dienende, für die Anbringung wechselnder Ankündigungen geeignete Anlagen; nur darauf bezieht sich der bekämpfte Bescheid. Von ähnlichen Auffassungen ist der VfGH auch in den Erk. VfSlg. 5616/1967 und 5663/1968 (betreffend die aus §82 Abs1 StVO erfließende Bewilligungspflicht für die Aufstellung von Zeitungs-Selbstverkaufsständern) sowie VfSlg. 6186/1970 (betreffend die ua. dem Schutz des Ortsbildes dienende Bestimmung des §56 der Stmk. Bauordnung, LGBl. 149/1968) ausgegangen.

4. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Gesellschaft durch die Vorschreibung der Gebühr ein. Die behauptete denkunmögliche Anwendung des Gesetzes als Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums läge nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9047/1981) nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Die beschwerdeführende Gesellschaft wirft der Behörde zwar eine Denkgesetzen widersprechende Anwendung des Gesetzes vor, die aufgeworfenen Auslegungsfragen betreffen aber in Wahrheit nur die Richtigkeit der Auslegung.

Die Behörde ist bei Prüfung der - hier allein maßgeblichen - Frage, ob die Anbringung wechselnder Hinweisschilder, die auf den jeweiligen Zeitungsinhalt aufmerksam machen sollen, bewilligungspflichtig iS des §6 Abs1 ist, davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall eine für die Anbringung wechselnder Ankündigungen zu Reklamezwecken bestimmte Anlage gegeben sei, welche im Ortsbild in Erscheinung trete. Die Behörde hat darauf hingewiesen, das Wesen des §6 Ortsbildschutzgesetz liege nicht darin, daß es sich um besonders große Anlagen handeln müsse; nach dieser Gesetzesbestimmung könne die Berechtigung erworben werden, einzelne der Darstellung und dem Inhalt nach nicht festgelegte Ankündigungen anbringen zu dürfen. Darin liege auch die Ursache, daß für diese Maßnahmen eine Bewilligungspflicht statuiert werde, da naturgemäß bei Vornahme wechselnder Ankündigungen die Auswirkungen auf das Ortsbild viel eher negativ sein könnten, als dies der Fall sei, wenn lediglich eine bestimmte zeichnerisch oder sonst dargestellte Ankündigung bestimmten Inhaltes angebracht werden soll. Im §6 sei weder eine bestimmte Mindestgröße verankert noch davon die Rede, daß es ortsfeste Einrichtungen sein müssen, es komme lediglich auf die Eignung bzw. Bestimmung der Anlage an, wechselnde Ankündigungen aufzunehmen.

Dieser Begründung kann unter dem vom VfGH anzuwendenden Prüfungsmaßstab nicht entgegengetreten werden. Es ist nicht einzusehen, warum unter Anlagen iS des §6 Abs1 Ortsbildschutzgesetz - gerade vom Zweck der Regelung her gesehen - denkmöglicherweise nicht auch Anlagen wie die vorliegenden oder etwa transportable Plakatständer verstanden werden können. Daß die Aufzählung der Plakatwände und Litfaßsäulen im §6 Abs1 nur eine demonstrative ist, ergibt sich schon aus der daran angefügten Wendung "udgl.". Die Eignung auch solcher Anlagen, im Ortsbild in Erscheinung zu treten, wird von der beschwerdeführenden Gesellschaft an sich nicht in Zweifel gezogen; sie meint allerdings, daß ihre Ankündigungsanlagen schon auf Grund deren geringen Größe das Ortsbild nicht grob beeinträchtigen könnten. Dazu ist zu bemerken, daß der in §6 Abs1 herangezogene §4 Abs1 des Gesetzes nur voraussetzt, daß die Ankündigung im Ortsbild in Erscheinung tritt. Die Behörde hat keinen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler begangen, wenn sie hiebei den Begriff der groben Beeinträchtigung des Ortsbildes, welche die Behörde nach §3 Abs1 des genannten Gesetzes zu verhindern oder abzustellen hat, nicht zur Interpretation dafür herangezogen hat, was als eine im Ortsbild in Erscheinung tretende Ankündigung zu verstehen ist (zumal §3 zum II. Abschnitt des Gesetzes "Grobe Beeinträchtigungen des Ortsbildes", die §§4 und 6 jedoch zu einem anderen, dem III. Abschnitt "Ankündigung zu Reklamezwecken", gehören).

Die Behörde hat aber auch die Ausnahmsbestimmung des §9 Ortsbildschutzgesetz nicht denkunmöglich angewendet, wenn sie davon ausgegangen ist, daß es sich bei den Ankündigungsanlagen der beschwerdeführenden Gesellschaft weder um eine Form der ortsüblichen Veranstaltungen mit überwiegend örtlicher Bedeutung noch um die übliche Werbung in Geschäftsauslagen, Schaufenstern und Vitrinen handelt.

Der Vorwurf einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes trifft somit insgesamt nicht zu.

5. Ein Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsausübung setzt voraus, daß einem Staatsbürger durch verwaltungsbehördliche Bescheide der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird (zB VfSlg. 1372/1931, VfGH 29. 6. 1982 B65/81). Der angefochtene Bescheid betrifft jedoch nicht unmittelbar die Erwerbsbetätigung der beschwerdeführenden Gesellschaft. Gegenstand des Verfahrens war die Erteilung einer Bewilligung und die Vorschreibung von Gebühren. Ob die beschwerdeführende Gesellschaft dadurch mittelbar bei ihrer Erwerbsbetätigung behindert wurde, kann jedoch schon deshalb dahingestellt bleiben, weil Art6 StGG gegen Amtshandlungen keinen Schutz gewährt, die nur die faktische Ausübung eines Erwerbszweiges betreffen, ohne das Recht der freien Erwerbsbetätigung als solches zu negieren (vgl. die insoweit gleichgelagerten Fälle VfSlg. 6186/1970 u. 8309/1978).

6. Zu der von der beschwerdeführenden Gesellschaft aufgestellten Behauptung, die Behörde habe eine mit der Kompetenzverteilung des B-VG nicht in Einklang zu bringende Auslegung des Ortsbildschutzgesetzes vorgenommen, bleibt zu bemerken, daß dieser Vorwurf schon deshalb ins Leere geht, weil die hier angewendeten Regelungen des Sbg. Ortsbildschutzgesetzes weder das Pressewesen (Art10 Abs1 Z6 B-VG) noch Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie (Art10 Abs1 Z8 B-VG) zum Gegenstand haben und weil sich der angefochtene Bescheid auf die Vollziehung der Bestimmungen des Sbg. Ortsbildschutzgesetzes beschränkt (vgl. auch die Ausführungen oben unter Punkt 3. und 5.).

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, ist die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Meinungsäußerungsfreiheit, Pressefreiheit, Erwerbsausübungsfreiheit, Ortsbildschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B534.1979

Dokumentnummer

JFT_10169690_79B00534_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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