TE Vfgh Erkenntnis 1984/2/28 V44/83

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Veröffentlicht am 28.02.1984
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art18 Abs2
GehG 1956 §20b idF der 24. GehG-Nov
Verordnung der Bundesregierung vom 20.5.75, BGBl 290, mit der der Eigenanteil der Bundesbeamten gemäß §20b des GehG 1956 neu festgesetzt wird

Leitsatz

Gehaltsgesetz 1956 §20b Abs3; amtswegige Prüfung einiger Worte in §1 der V der Bundesregierung vom 20. Mai 1975, BGBl. 290, mit der der Eigenanteil der Bundesbeamten gemäß §20b des Gehaltsgesetzes 1956 neu festgesetzt wird; Zulässigkeit der dort vorgenommenen Festlegung des vom Beamten selbst zu tragenden Fahrtkostenanteiles

Spruch

Im §1 der V der Bundesregierung vom 20. Mai 1975, BGBl. 290, mit der der Eigenanteil der Bundesbeamten gemäß §20b des Gehaltsgesetzes 1956 neu festgesetzt wird, werden die Worte

"jedenfalls aber die Kosten eines vom Beamten zu benützenden innerstädtischen Massenbeförderungsmittels im Dienstort; müssen vom Beamten im Dienstort mehrere innerstädtische Massenbeförderungsmittel benützt werden, die nicht miteinander in Tarifgemeinschaft stehen, so ist für die Berechnung der Kosten des innerstädtischen Massenbeförderungsmittels jenes Massenbeförderungsmittel heranzuziehen, dessen monatliche Kosten den Betrag von 185 S am weitesten übersteigen"

nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Dem Gehaltsgesetz 1956, BGBl. 54, war durch die 21. Nov., BGBl. 73/1971, ein §16a eingefügt worden (ArtI Z3), worin ua. folgendes bestimmt ist:

"Fahrtkostenzuschuß

(1) Dem Beamten gebührt ein Fahrtkostenzuschuß, wenn

a) die Wegstrecke zwischen der Dienststelle und der nächstgelegenen Wohnung mehr als 2 km beträgt,

b) er diese Wegstrecke an den Arbeitstagen regelmäßig zurücklegt und

c) die notwendigen monatlichen Fahrtauslagen für das billigste öffentliche Beförderungsmittel, das für den Beamten zweckmäßigerweise in Betracht kommt, den Fahrtkostenanteil übersteigt, den der Beamte nach Abs2 selbst zu tragen hat.

(2) Der Fahrtkostenanteil, den der Beamte selbst zu tragen hat (Eigenanteil), ist durch Verordnung der Bundesregierung mit dem Betrag festzusetzen, dessen Tragung allen Beamten billigerweise zumutbar ist".

IdF der RV (281 BlgNR 12. GP) hatte Abs2 folgenden Wortlaut:

"(2) Der Fahrtkostenanteil, den der Beamte selbst zu tragen hat (Eigenanteil), ist durch Verordnung der Bundesregierung festzusetzen; er muß mindestens so hoch sein wie die monatlichen Fahrtauslagen, die einem Beamten in der Bundeshauptstadt Wien bei Ausnutzung der Fahrpreisermäßigungen für die regelmäßige Benützung der Straßenbahn erwachsen".

Die EB hatten zu §16a folgendes ausgeführt:

"In Teilen der Privatwirtschaft aber auch bei öffentlichen Dienstgebern (Länder, Gemeinden) ist vielfach die Übung zu beobachten, Bedienstete, die in großer Entfernung von ihrer Dienststelle wohnen, entweder durch einen sogenannten Werksverkehr an die Dienststelle zu bringen oder aber diesen Bediensteten die Fahrtkosten bei Benützung eines öffentlichen Beförderungsmittels zu vergüten. Auch an den Bund wurde seit langem mit der Forderung herangetreten, Bediensteten, die aus Gründen, die sie selbst nicht zu vertreten haben, außerhalb ihres Dienstortes wohnen, einen Zuschuß zu den notwendigen Fahrtauslagen zu geben. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht nun die Gewährung eines solchen Zuschusses vor und geht dabei von dem Gedanken aus, daß etwa die Aufwendungen, die in Wien dem Benützer der Straßenbahn erwachsen, jedem Beamten, egal wo er seinen Dienst- und Wohnort hat, zumutbar seien. Erst die diese Kosten übersteigenden Beträge sollen als Fahrtkostenzuschuß dem Bediensteten gewährt werden. Nach dem derzeitigen Straßenbahntarif ist beabsichtigt, den Eigenanteil (§16a Abs2) durch V mit 130 S monatlich festzusetzen. Die Durchführung der Regelung soll durch vierteljährliche Auszahlung vereinfacht werden, da sie an sich mit einem relativ hohen Verwaltungsaufwand verbunden ist.

...

Eine Wegstrecke bis zu 2 km zwischen Wohnung und Dienststelle soll den Anspruch auf Fahrtauslagen auch dann ausschließen, wenn eine Zurücklegung mit einem Massenbeförderungsmittel möglich wäre und aus irgendeinem Grund auch die Kosten hiefür den Eigenanteil übersteigen. ..."

Der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses des Nationalrates (332 BlgNR 12. GP) gibt für die vom Ausschuß vorgeschlagene Abänderung des Abs2 keine Begründung.

Mit V der Bundesregierung vom 30. März 1971, BGBl. 140, war sodann der Eigenanteil mit 130 S monatlich festgesetzt und mit V vom 21. Dezember 1971, BGBl. 483, ab 1. Jänner 1972 auf 185 S erhöht worden.

Die 24. Gehaltsgesetz-Nov. gab §16a die Bezeichnung 20b, fügte ihm einen neuen Abs2 ein (wonach dann, wenn ein öffentliches Beförderungsmittel nicht in Betracht kommt, die Fahrtauslagen nach den billigsten für Personenzüge zweiter Klasse in Betracht kommenden Fahrtkosten zu ermitteln sind) und ließ den bisherigen Abs2 bei unverändertem Wortlaut als Abs3 in Geltung.

Mit V der Bundesregierung vom 17. Dezember 1974, BGBl. 803, wurde die Festsetzung des Fahrtkostenanteiles in der Höhe von 185 S mit der Anordnung verbunden, daß "der Beamte jedenfalls aber die Kosten eines vom Beamten zu benützenden innerstädtischen Massenbeförderungsmittels zu tragen" habe.

Am 20. Mai 1975 erließ die Bundesregierung die V BGBl. 290, deren §1 nunmehr folgendermaßen lautet:

"Der Fahrtkostenanteil, den der Beamte selbst zu tragen hat (Eigenanteil), beträgt für die Zeit ab dem 1. März 1975 185 S monatlich, jedenfalls aber die Kosten eines vom Beamten zu benützenden innerstädtischen Massenbeförderungsmittels im Dienstort; müssen vom Beamten im Dienstort mehrere innerstädtische Massenbeförderungsmittel benützt werden, die nicht miteinander in Tarifgemeinschaft stehen, so ist für die Berechnung der Kosten des innerstädtischen Massenbeförderungsmittels jenes Massenbeförderungsmittel heranzuziehen, dessen monatliche Kosten den Betrag von 185 S am weitesten übersteigen."

2. Beim VfGH ist zu B636/78 das Verfahren über die Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres anhängig, worin festgestellt wird, daß der bf. Gendameriebeamte die Kosten für den Postautobus von Drobollach zum Hauptbahnhof Villach als Eigenanteil selbst zu tragen habe. In der Begründung dieses Bescheides heißt es ua.:

"Ihre Dienststelle und Ihre Wohnung befinden sich im Gemeindegebiet Villach, das gleichzeitig Ihren Dienstort darstellt.

Für die Zurücklegung der Wegstrecke zwischen Wohnung und Dienststelle kommen für Sie zweckmäßigerweise der Postautobus von Drobollach bis zum Hauptbahnhof Villach und der ÖBB-Autobus vom Hauptbahnhof Villach nach Landskron in Betracht. Der Beginn und das Ende der von Ihnen zwischen Wohnung und Diesntstelle zurückzulegenden Wegstrecke liegen somit in Ihrem Dienstort. Die Benützung der angeführten Autobuslinien - die nicht miteinander in Tarifgemeinschaft stehen - ist daher in Ihrem Falle, ohne Rücksicht darauf, daß es sich um Überlandlinien handelt, der Benützung innerstädtischer Massenbeförderungsmittel gleichzuhalten.

Da die monatlichen Fahrtkosten für den Postautobus den Betrag von 185 S am weitesten übersteigen, haben Sie iS der oben angeführten V diese Kosten als Eigenanteil selbst zu tragen."

Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, die Gesetzmäßigkeit des §1 der V vom 20. Mai 1975, BGBl. 290, ab den Worten "jedenfalls aber die Kosten ..." zu prüfen. Er hat vorläufig angenommen, daß der Eigenanteil nach §20 Abs3 GehaltsG mit einem festen Betrag zu bestimmen sei, weil der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht habe, daß es nur einen Betrag geben könne, dessen Tragung allen Beamten billigerweise zugemutet werden kann, und hatte das Bedenken, daß die zu prüfende Einschränkung vom Gesetz nicht gedeckt sei.

Die Bundesregierung verteidigt die Gesetzmäßigkeit der V im wesentlichen mit folgenden Argumenten:

"Die Neufestsetzung des Eigenanteiles durch die Bundesregierung ... stellt eine sogenannte 'mittlere Lösung' dar. Diese Lösung vereint die Auffassung, daß es in erster Linie der Dienstnehmer ist, der für die Zurücklegung der Wegstrecke zwischen der Dienststelle und der nächstgelegenen Wohnung Sorge zu tragen hat, mit der - seit der Schaffung des Fahrtkostenzuschusses ständig aufrecht erhaltenen - Absicht, für innerstädtische Fahrtauslagen keinen Ersatz zu leisten.

Diese Lösung wurde ab 1. Jänner 1975 notwendig - anfänglich war der Eigenanteil allein mit einem absoluten Betrag 130 S dann 185 S festgesetzt -, als die Wr. Verkehrsbetriebe keine Monatsstreckenkarte mehr ausgaben, sondern nur mehr die 6-Tage-Netzkarte als billigsten Fahrtausweis anboten. Eine Anpassung der Höhe des Eigenanteiles an die monatlichen Kosten einer 6-Tage-Netzkarte hätte zur Folge gehabt, daß für alle Beamten, deren Fahrtkosten vom Tarif der Wr. Verkehrsbetriebe unberührt waren, der Fahrtkostenzuschuß gekürzt worden bzw. weggefallen wäre. Aus diesem Grunde wurde eine Regelung erarbeitet, die keine Auswirkungen auf "Unbeteiligte" hat und trotzdem bewirkt, daß die ursprüngliche Absicht - die innerstädtischen Fahrtkosten von einer Vergütung auszuschließen - aufrecht bleibt."

II. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig.

Zweifel an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

III. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnungsbestimmung treffen indessen nicht zu.

Es geht um die Frage, ob der Eigenanteil des Beamten - also jener Betrag, "dessen Tragung allen Beamten billigerweise zumutbar ist" - nur mit einem (festen, ziffernmäßig bestimmten) Betrag oder auch unter Bezugnahme auf die Kosten der jeweiligen innerstädtischen Massenbeförderungsmittel festgesetzt werden kann. Der VfGH hat §20 Abs3 GehaltsG vorläufig dahin verstanden, daß nur die Festlegung eines ziffernmäßig bestimmten Betrages zulässig sei. Diese Annahme läßt sich jedoch nicht aufrecht halten.

1. Auszugehen ist davon, daß der Wortlaut des Gesetzes ("... mit dem Betrag festzusetzen ...") insoweit nicht eindeutig ist. Von einem festen, ziffernmäßig bestimmten Betrag ist nicht die Rede. Auch der Zusammenhang, in dem sich die Vorschrift findet, läßt keine eindeutigen Schlüsse zu. Es kommt daher auf die Absicht des Gesetzgebers an. Die RV hatte offenbar einen festen Betrag im Auge, nämlich einen Betrag, der (nach der Formulierung des Gesetzentwurfes) "mindestens so hoch sein" muß "wie die monatlichen Fahrtauslagen, die einem Beamten in ... Wien ... für die regelmäßige Benützung der Straßenbahn erwachsen", oder (wie die EB es sagen) "etwa die Aufwendungen, die in Wien dem Benützer der Straßenbahn erwachsen" und die "jedem Beamten, egal wo er seinen Dienst- und Wohnort hat, zumutbar seien".

Gesetz geworden ist jedoch eine andere Formulierung, die nicht mehr auf die Kosten eines bestimmten Verkehrsmittels abstellt. Daß die Bezugnahme auf die Wr. Straßenbahn durch das Erfordernis der Zumutbarkeit für alle Beamten ersetzt wurde, kann freilich wieder zweierlei bedeuten: daß der (feste) Betrag nicht (bloß) an den Wiener Verhältnissen orientiert sein soll, oder daß dem Beamten die Ausnutzung des jeweiligen vergleichbaren Massenbeförderungsmittels zugemutet wird. Welche dieser beiden Varianten der Ausschuß mit seiner andersartigen Formulierung verwirklichen wollte, hat er in seinem Bericht nicht festgehalten.

2. Es ist daher nötig, auf die allgemeine Zwecksetzung der 21. Nov. zum Gehaltsgesetz zurückzugreifen. Nichts geändert hat sich im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ja offenbar am Zweck der Regelung: wie den übrigen Arbeitnehmern auch Beamten, "die ... außerhalb ihres Dienstortes wohnen, einen Zuschuß zu den notwendigen Fahrtauslagen zu geben". Es geht also um die Gleichstellung der Beamten mit anderen Arbeitnehmern in bezug auf den Zuschuß für Fahrtauslagen außerhalb des Dienstortes. Sie sollen die Kosten des innerörtlichen (Massen-)Beförderungsmittels wie andere Arbeitnehmer selbst tragen müssen, denn diese Kosten sah der Gesetzgeber offenbar auch für alle Beamten als zumutbar an.

Durch eben diese Orientierung an den Kosten innerörtlicher (Massen-)Beförderungsmittel erhält das Erfordernis der Zumutbarkeit im gegebenen Zusammenhang auch die iS des Art18 B-VG erforderliche Bestimmtheit.

Die Kosten des innerörtlichen (Massen-)Beförderungsmittels sind nun aber jeweils unterschiedlich. Und jeder Arbeitnehmer trägt - jedenfalls nach der Annahme des Gesetzgebers - überalls die Kosten seines innerörtlichen (Massen-)Beförderungsmittels. Der Gesetzgeber konnte aber zur Verwirklichung seines Zieles nicht schlechtweg an die jeweiligen örtlichen Verhältnisse anknüpfen, weil nicht für jeden Dienstort Massenbeförderungsmittel zur Verfügung stehen. Wollte er auch keine bestimmte - und insofern zufällige - Tarifgestaltung (wie etwa in Wien) zum Maßstab des Eigenanteiles machen, mußte er folglich eine Formulierung wählen, die dem Verordnungsgeber eine Berücksichtigung beider Fallgruppen ermöglicht.

Das ist mit dem Hinweis auf die Zumutbarkeit der Tragung für alle Beamten auch geschehen. Was die Bundesregierung in ihrer Äußerung als die "mittlere Lösung" bezeichnet, ist also nichts als eine genaue Beobachtung der dem Gesetz zugrunde liegenden rechtspolitischen Absicht des Gesetzgebers: daß der Beamte die Kosten der Benützung seines innerörtlichen (Massen-)Beförderungsmittels und in Fällen, in denen solche Befördrungsmittel nicht bestehen, die durchschnittlichen Kosten solcher Beförderungsmittel (nicht unbedingt an Wien orientiert) selbst trägt.

Sinn und Zweck der Regelung lassen daher die Festlegung eines ziffernmäßig bestimmten Betrages mit der Maßgabe, daß jedenfalls die Kosten eines in Betracht kommenden innerstädtischen Massenbeförderungsmittels zu tragen sind, durchaus zu. Die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken erweisen sich als nicht stichhältig.

Schlagworte

Dienstrecht, Fahrtkostenzuschuß, Auslegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:V44.1983

Dokumentnummer

JFT_10159772_83V00044_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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