TE Vfgh Beschluss 1984/3/10 B295/83

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Veröffentlicht am 10.03.1984
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
AVG §19
AVG §39 Abs2
AVG §40
AVG §63 Abs2
UrheberrechtsG-Nov 1980, BGBl 321 ArtIII

Leitsatz

B-VG Art144 Abs1; kein Bescheidcharakter einer bloßen Ladung ohne gleichzeitige Androhung von Zwangsmaßnahmen trotz Überschrift "Bescheid" und "Hinweis" auf die Zulässigkeit einer Beschwerdeführung vor dem VfGH

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Die gemäß ArtIII §1 UrhGNov. 1980, BGBl. 321/1980, beim Bundesministerium für Justiz eingerichtete Schiedsstelle erließ am 1. April 1983 folgenden Verwaltungsakt, der sich ua. an die G W GesmbH in Liquidation und an die R-A-G HandelsgesmbH richtete:

"I.

Über den Antrag der Antragstellerin Austro-Mechana Gesellschaft zur Verwaltung und Auswertung mechanisch-musikalischer Urheberrechte GesmbH wider die Antragsgegner G W Gesellschaft mbH in Liquidation und R-A-G HandelsgesmbH wegen Rechnungslegung und Zahlung einer angemessenen Vergütung nach §42 Abs5 bis 7 UrhG findet am 14. April 1983, 9 Uhr, im Amtsgebäude des Bundesministeriums für Justiz, Palais Trautson, Neustiftgasse 2, Wien 7, Amtsraum 533, eine mündliche Verhandlung (§§40 ff. AVG 1950) statt.

II.

Die Antragsgegner werden eingeladen, zur oben angeführten mündlichen Verhandlung persönlich zu erscheinen oder einen mit der Sachlage vertrauten und schriftlich bevollmächtigten eigenberechtigten Vertreter zu entsenden.

Sollten die Antragsgegner dieser Ladung nicht nachkommen, so hat dies zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Schiedsstelle beim Bundesministerium für Justiz oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Antragsgegner insofern als dem Antrag der Antragstellerin zustimmend angesehen (werden).

III.

Der Antrag wird den Antragsgegnern hiemit zugestellt.

IV.

Die Antragstellerin wird eingeladen, ein vertretungsbefugtes Organ oder einen mit der Sachlage vertrauten und schriftlich bevollmächtigten eigenberechtigten Vertreter zur oben angeführten mündlichen Verhandlung zu entsenden.

Sollte dieser Ladung nicht nachgekommen werden, so hat dies zur Folge, daß die Verhandlung in Abwesenheit eines Vertreters der Antragstellerin durchgeführt oder auf deren Kosten auf einen anderen Termin verlegt wird."

1.2.1. Gegen diesen Verwaltungsakt wendet sich die vorliegende, ersichtlich auf Art144 Abs1 B-VG gestützte - gemeinsam ausgeführte - Beschwerde der G W GesmbH in Liquidation und der R-A-G HandelsgesmbH an den VfGH, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Enuntiation, ferner hilfsweise, und zwar mit Berufung auf Art144 Abs2 (richtig: Abs3) B-VG, die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

1.2.2. Die Schiedsstelle beim Bundesministerium für Justiz als bel. Beh. erstattete - unter Vorlage der Administrativakten - eine Gegenschrift und begehrte darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über - erst nach Erschöpfung des Instanzenzugs zulässige - Beschwerden ua. gegen "Bescheide von Verwaltungsbehörden".

2.1.2. Bei dem bekämpften Verwaltungsakt handelt es sich um eine von der Schiedsstelle beim Bundesministerium für Justiz in Handhabung der Vorschriften des AVG 1950 (s. ArtIII §11 Abs2 UrhGNov. 1980, BGBl. 321/1980) verfügte Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (vgl. §§39 Abs2, 40 AVG 1950), somit um eine sog. Verfahrensanordnung, die lediglich den Gang des Verfahrens regelt und keine irgendwelche Rechtsverhältnisse erledigende Bedeutung besitzt (§63 Abs2 AVG 1950). Eine derartige, inhaltlich nicht als Bescheid anzusehende verwaltungsbehördliche Anordnung (s. Mannlicher - Quell, Das Verwaltungsverfahren I8, 295 f.) unterliegt aber nicht der selbständigen unmittelbaren Anfechtung beim VfGH gemäß Art144 Abs1 B-VG (VfGH 11. 6. 1982 B509/81), und zwar auch dann nicht, wenn sie - wie hier - mit der "Einladung" der Antragsgegner zum persönlichen Erscheinen verbunden ist.

Zwar stellt sich als Bescheid in der Bedeutung des Art144 Abs1 B-VG nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. VfSlg. 3529/1959, 4699/1964, 6140/1970, 7868/1976, 7872/1976, 9017/1981, 9113/1981) ein unter Androhung eines Zwangsmittels das Erscheinen vor der Behörde befehlender "Ladungsbescheid" nach §19 AVG 1950 dar, nicht aber eine bloße Ladung zur Behörde ohne gleichzeitige Androhung von Zwangsmaßnahmen für den Fall der Nichtbefolgung (s. auch VfGH 29. 11. 1983 B697/83 ua.). Nur von einer solchen schlichten "Einladung" kann hier nach dem klaren Wortlaut des vorliegenden Verwaltungsaktes die Rede sein, weil es den Adressaten vollkommen freigestellt wird, der Aufforderung zum Erscheinen - nach eigenem Gutdünken - nicht Folge zu leisten und dafür eventuelle Prozeßnachteile in Kauf zu nehmen.

2.2.1. Gegenstand der Beschwerde bildet folglich - legt man die einleitend entwickelte Rechtsauffassung zugrunde - kein Bescheid iS des Art144 Abs1 B-VG. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß der bekämpfte Verwaltungsakt (verfehlterweise) mit "Bescheid" überschrieben wurde und einen (unrichtigen) "Hinweis" über die Zulässigkeit einer Beschwerdeführung ua. vor dem VfGH enthielt.

2.2.2. Die Zuständigkeit des VfGH in dieser Beschwerdesache nach Art144 Abs1 B-VG ist somit nicht gegeben; die Beschwerde war als unzulässig zurückzuweisen.

2.3. Der Eventualantrag der Bf. auf Beschwerdeabtretung an den VwGH war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur für den - hier nicht zutreffenden - Fall einer ablehnenden Sachentscheidung des VfGH vorgesehen ist, nicht hingegen auch bei Zurückweisung einer unzulässigen Beschwerde (vgl. zB VfGH. 30. 11. 1978 B530/78).

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Verfahrensanordnung, Ermittlungsverfahren, Ladung, Bescheidbegriff, Rechtsmittelbelehrung, VfGH / Zuständigkeit, Urheberrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B295.1983

Dokumentnummer

JFT_10159690_83B00295_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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