TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/12 B402/81

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Veröffentlicht am 12.06.1984
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Index

36 Wirtschaftstreuhänder
36/01 Wirtschaftstreuhänder

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §2
Wirtschaftstreuhänder-BerufsO §29

Leitsatz

Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung; Versagung der Anerkennung als Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft für eine KG, deren Komplementär eine GesmbH ist, unter Berufung auf §29 Abs2; keine gleichheitswidrige Gesetzesauslegung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die bf. KG hat ihren Sitz in Sbg. Komplementär der bf. Gesellschaft ist die "R Wirtschaftstreuhandgesellschaft mbH" mit dem Sitz in Sbg., alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der R WirtschaftstreuhandgesmbH ist Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater Dkfm. Dr. J M, der seinen Berufssitz ebenfalls in Sbg. hat; Kommanditist der bf. Gesellschaft ist gleichfalls Dr. M.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Sbg. vom 29. Juni 1981 wurde der bf. Gesellschaft gemäß 22 iZm. §§7 und 29 Abs2 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. 125/1955, die Anerkennung als Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft versagt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die bf. Gesellschaft die Verletzung der verfasssungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit der Berufungsübung nach Art6 StGG geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Die bel. Beh. hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Beruf der Wirtschaftstreuhänder ist ein freier Beruf (§1 BerufsO). Wirtschaftstreuhänder iS der Berufsordnung - die hier idF vor der Nov. 1982 (BGBl. 352) anzuwenden ist - sind die Angehörigen der Berufsgruppen (1.) Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, (2.) Buchprüfer und Steuerberater sowie (3.) Steuerberater (§2 Abs1). Übt eine Personengemeinschaft oder eine juristische Person die Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders aus, so gehört sie derjenigen Berufsgruppe an, für die sie die Anerkennung erlangt hat (§2 Abs3). Personengemeinschaften und juristische Personen müssen ihren Sitz in Österreich haben und den Bestimmungen des §29 entsprechen; außerdem müssen sämtliche Gesellschafter (Aktionäre), Mitglieder des Aufsichtsrates und, soweit eine Gesellschaft gesetzliche Vertreter hat, diese die österreichische Staatsbürgerschaft und ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben (§7 Abs1). Physische Personen müssen außer den allgemeinen Erfordernissen eine entsprechende Vorbildung und Praxis aufweisen und insbesondere die einschlägige Fachprüfung bestanden haben (§8). Das Recht der Berufsausübung erwerben physische Personen durch öffentliche Bestellung, juristische Personen und Personengemeinschaften durch Anerkennung seitens der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (§20 Abs1). Die Versagung der Anerkennung ist durch Bescheid auszusprechen (§22).

Die Zusammenarbeit von Wirtschaftstreuhändern untereinander regelt §29 BerufsO. Dessen Abs2 bestimmt:

"Gesellschaftsverhältnisse, und zwar sowohl in Form von Personengemeinschaften als auch in Form von juristischen Personen, sind im Wirtschaftstreuhandberufe nur unter der Voraussetzung zulässig, daß alle gesetzlichen Vertreter dem Wirtschaftstreuhandberuf angehören und daß Gesellschafter ausschließlich Wirtschaftstreuhänder oder Ehegatten von solchen sind. Hiebei muß die Mehrheit der gesetzlichen Vertreter, die Mehrheit der Besitzer des Gesellschaftskapitals und bei Personengemeinschaften überdies die Mehrheit der Gesellschafter jener Berufsgruppe angehören, der die betreffende Gesellschaft angehören soll. Scheidet ein gesetzlicher Vertreter aus und fehlt dadurch der Gesellschaft die satzungsgemäße Vertretung so ist spätestens binnen 4 Wochen eine Ersatzbestellung vorzunehmen. Stirbt ein Gesellschafter und gehören die Erben (Vermächtnisnehmer) oder einer von ihnen nicht dem Wirtschaftstreuhandberuf an, so haben solche Personen binnen Jahresfrist nach der Einantwortung aus der Gesellschaft auszuscheiden. Dies gilt nicht für die Kinder des Erblassers bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, und zwar für die Witwe auch nicht hinsichtlich des Gesellschaftsanteiles, den sie etwa schon zu Lebzeiten des Ehegatten besessen hat."

2. Die bel. Beh. zieht aus §29 Abs2 BerufsO folgenden Schluß:

"Daraus ergibt sich nach Ansicht der Berufungsbehörde, daß unter dem zuletzt erwähnten Begriff 'Wirtschaftstreuhänder' nur physische Personen gemeint sein können, da nur solche Ehegatten haben können. Der Hinweis der Berufungswerberin auf die Tatsache, daß Herr Dkfm. Dr. M alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft sei, führt zu keinem anderen Ergebnis, wie die Kammer der Wirtschaftstreuhänder in ihrer Stellungnahme vom 24. Feber 1981 feststellt, da im vorliegenden Fall einer der beiden Gesellschafter eine juristische Person und keine physische ist. Die Interpretation, die Erfordernisse der österreichischen Staatsbürgerschaft und des ordentlichen Wohnsitzes in Österreich bezögen sich nur auf die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft, erweist sich nach dem eindeutigen Wortlaut des §7 Abs1 WT-BO als nicht stichhältig, da nicht nur die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft, sondern auch sämtliche Gesellschafter die österreichische Staatsbürgerschaft und ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben müssen. Den Erfordernissen der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie des ordentlichen Wohnsitzes kann jedoch die R Wirtschaftstreuhand-Gesellschaft m.b.H. ihrer rechtlichen Natur nach als juristische Person nicht entsprechen."

Die Beschwerde wirft der Behörde eine willkürliche und unsachliche Differenzierung zwischen juristischen und natürlichen Personen vor.

§29 unterscheide nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen, sondern sage ganz allgemein, daß Gesellschaftsverhältnisse nur unter der Voraussetzung zulässig sind, daß Gesellschafter ausschließlich Wirtschaftstreuhänder oder Ehegatten von solchen sind. Die zusätzliche Zulassung von Ehegatten als Gesellschafter rechtfertige keinesfalls den Umkehrschluß, daß juristische Personen, nur weil sie sich nicht verheiraten können, als Gesellschafter nicht zuzulassen seien. Die Bestimmungen der Berufsordnung böten hinreichende Gewähr dafür, daß auch bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, deren Gesellschafterin eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft ist, die zum Berufsbild des Wirtschaftstreuhänders erforderliche Eigenverantwortlichkeit, Selbständigkeit, Unbefangenheit und Verschwiegenheit gegeben sei und auch keine schädlichen Auswirkungen auf die Berufstätigkeit einer derartigen Gesellschaft wegen einer Abhängigkeit von berufsfremdem Kapital zu befürchten seien.

3. Die Auffassung der Behörde ist jedoch nicht willkürlich und unterstellt dem Gesetz auch keinen gleichheitswidrigen Inhalt.

Daß es nicht schlechthin ausgeschlossen ist, als Wirtschaftstreuhändern iS des Gesetzes nur natürliche Personen zu verstehen, zeigt schon der Umstand, daß §2 zwischen Wirtschaftstreuhänder (Abs1) und Personengemeinschaften oder juristischen Personen unterscheidet, welche die Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders ausüben (Abs3), und daß nach §29 Gesellschaftsverhältnisse im Wirtschaftstreuhandberuf nur zulässig sind, wenn die Gesellschafter Wirtschaftstreuhänder (oder Ehegatten von solchen) sind. Die Behörde hat also die Bestimmung offenkundig nicht nur zum Schein angewendet. Die Beschwerde behauptet das auch so nicht. In Wahrheit läuft ihr Vorbringen nur darauf hinaus, daß kein sachlicher Grund vorhanden sei, juristische Personen, welche die Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders ausüben, nicht auch als Gesellschafter einer Gesellschaft zuzulassen, die ihrerseits die Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders ausübt: Wenn das Gesetz ihnen die Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders erlaube, müßten juristische Personen, deren Gesellschafter ausschließlich Wirtschaftstreuhänder (oder Ehegatten von solchen) sind, Wirtschaftstreuhändern eben gleichgehalten werden; es dürfe nichts ausmachen, ob Wirtschaftstreuhänder persönlich oder zusammengeschlossen in der Form einer juristischen Person an der Gesellschaft beteiligt sind.

Zu prüfen ist sonach ausschließlich die Frage, ob es aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, die Bestimmungen der BerufsO so auszulegen, daß auch juristische Personen Gesellschafter solcher Gesellschaften sein können. Die Beschwerde sieht solches vom Gleichheitssatz geboten. Der VfGH kann jedoch nicht erkennen, daß es unsachlich wäre, wenn der Gesetzgeber zum Beruf des Wirtschaftstreuhänders nur Personengemeinschaften oder juristische Personen zuließe, deren Gesellschafter natürliche Personen sind. Schiebt sich nämlich zwischen den Klienten und die natürlichen Personen, die letztlich für die Erfüllung der übernommenen Pflichten mit ihrer Fachkunde einzustehen haben und sich dem persönlichen Kontakt mit dem Klienten stellen müssen, ein selbständiges Rechtssubjekt oder eine Personengemeinschaft als formeller Partner ein, so führt das notwendig zu einer gewissen Entpersönlichung des Verhältnisses. Kommt es dabei auch noch zu Verschachtelungen, dann werden die Zurechnungsverhältnisse immer schwerer durchschaubar. Wessen Fachkunde schließlich hinter der Gesellschaft steht, läßt sich dann nur mehr durch umständliche Nachforschungen feststellen. Wie der Beschwerdefall zeigt, kann auch leichter der Eindruck erweckt werden, man stünde einem Zusammenschluß mehrerer Wirtschaftstreuhänder gegenüber, obwohl letztlich immer nur ein und dieselbe natürliche Person die erforderliche Qualifikation besitzt.

Unter diesen Umständen könnte der VfGH einer Gesetzbestimmung nicht entgegentreten, die weiteren Verschachtelungen Einhalt gebietet und deshalb bewirkt, daß Gesellschafter von Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften (grundsätzlich) nur sein kann, wer persönlich die entsprechende Vorbildung und Praxis aufweist.

Damit erweisen sich die Vorwürfe der Beschwerde als unbegründet. Bedenken gegen die angewendeten Vorschriften sind aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles auch sonst nicht entstanden. In den geltend gemachten Grundrechten ist die bf. Gesellschaft nicht verletzt worden. Auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist nicht hervorgekommen. Ob die Behörde das Gesetz richtig ausgelegt hat, ist aber nicht vom VfGH zu entscheiden.

Schlagworte

Wirtschaftstreuhänder

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B402.1981

Dokumentnummer

JFT_10159388_81B00402_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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