TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/23 A6/82, A18/84

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Veröffentlicht am 23.06.1984
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art116 Abs2
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
F-VG 1948 §4
F-VG 1948 §7 Abs3
F-VG 1948 §12 Abs1
FAG 1979 §10 Abs4
VfGG §41
VfGG §62 Abs1
VfGG §65

Leitsatz

B-VG Art137; Klagen einer Gemeinde gegen ein Bundesland wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich; Klagslegitimation gegeben Finanzausgleichsgesetz 1979; Begriff der Finanzkraft in §10 Abs4; keine Bedenken gegen diese Regelung

Spruch

Die Klagebegehren werden abgewiesen.

Die Klägerin hat dem Land Vbg. die mit 1316,80 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Marktgemeinde L erhebt Klagen gemäß Art137 B-VG gegen das Land Vbg. wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich.

Die Klägerin begehrt (zu A6/82) die Erlassung des Erk.:

"Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Marktgemeinde L 11033128,30 S aus den Erträgnissen der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (Ertragsanteilen), für die Zeit vom 1. 1. 1979 bis 30. 9. 1982, zuzüglich der ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit angefallenen gesetzlichen Zinsen binnen Monatsfrist, bei sonstiger Exekution, zu bezahlen."

Die Klägerin begehrt weiters (zu A18/84) die Erlassung des Erk.:

"Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Marktgemeinde L 5721671,10 S aus den Erträgnissen der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (Ertragsanteilen), für die Zeit vom 1. 10. 1982 bis 31. 3. 1984, zuzüglich 4% Zinsen mit derzeit 138196,25 S binnen Monatsfrist, bei sonstiger Exekution, zu bezahlen."

Die Klägerin stützt ihre Klagen ausschließlich darauf, daß die Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes 1979 BGBl. 673/1978 idF BGBl. 569/1981 (FAG 1979) betreffend die Berechnung der Finanzkraft verfassungswidrig seien.

Wie sich aus den Klagebegründungen ergibt, meint die Klägerin damit Bestimmungen, die im textlichen Zusammenhang des §10 FAG 1979 stehen, welcher lautet:

"§10 (1) Zum Zwecke der Ermittlung der Ertragsanteile der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben mit Ausnahme der Spielbankabgabe werden zunächst - nach Ausscheidung der auf Wien als Gemeinde entfallenden Quote - die Ertragsanteile auf die Gemeinden länderweise unter Beachtung der im §8 Abs2 angeführten Schlüssel rechnungsmäßig aufgeteilt. Von den so länderweise errechneten Beträgen sind 13,5 v. H. auszuscheiden und den Ländern zu überweisen; sie sind für die Gewährung von Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmt (zweckgebundene Landesmittel).

(2) Die restlichen 86,5 v. H. sind als Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben durch die Länder an die einzelnen Gemeinden nach folgendem Schlüssel aufzuteilen: Vorerst erhalten jene Gemeinden, deren Finanzkraft im Vorjahr den Finanzbedarf nicht erreicht hat, 30 v. H. des Unterschiedsbetrages zwischen Finanzbedarf und Finanzkraft. Die verbleibenden Ertragsanteile sind nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel (§8 Abs3 dritter Satz) auf alle Gemeinden des Landes zu verteilen.

(3) Der Finanzbedarf jeder Gemeinde wird ermittelt, indem die Landesdurchschnittskopfquote der Finanzkraft des Vorjahres mit der abgestuften Bevölkerungszahl der Gemeinde (§8 Abs3 dritter Satz) vervielfacht wird. Die Landesdurchschnittskopfquote ergibt sich aus der Finanzkraft (Abs4) aller Gemeinden des Landes, geteilt durch die Volkszahl des Landes (§8 Abs3 erster Satz).

(4) Die Finanzkraft wird ermittelt durch Heranziehung

1. der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben unter Zugrundelegung der Meßbeträge des Vorjahres (Abs3) und eines Hebesatzes von 300 v. H.;

2. der Grundsteuer von den Grundstücken unter Zugrundelegung der Meßbeträge des Vorjahres (Abs3) und eines Hebesatzes von 300 v. H.;

3. der tatsächlichen Erträge der Gewerbesteuer (nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital) in den Monaten Jänner bis September des Vorjahres und Oktober bis Dezember des zweitvorangegangenen Jahres, jedoch unter der Annahme eines Hebesatzes von 125 v. H."

2. In der Klage zu A6/82 führt die Klägerin zunächst aus, aus der Entscheidung des VfGH vom 30. November 1981 A7/80 (veröffentlicht in VfSlg. 9280/1981), in der der VfGH zum Ausdruck gebracht habe, daß er keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung betreffend den abgestuften Bevölkerungsschlüssel habe und sehr detailliert in die Behandlung dieser Frage eingetreten sei, ergäben sich zwei Gesichtspunkte, die auch für das vorliegende Verfahren relevant seien.

Zum einen nehme der VfGH in seiner Entscheidung nach Art137 B-VG Wertungen und Erörterungen vor, die nach allgemeiner Ansicht einem Gesetzesprüfungsverfahren vorbehalten sein müßten, das er aber nicht eingeleitet habe. Die detaillierte Erörterung zahlreicher Fragen und Aspekte darüber, ob die (für das damalige Verfahren relevante) Regelung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels verfassungskonform oder verfassungswidrig sei, zeige auch, daß der VfGH selbst erhebliche Bedenken gehabt habe. Die Prüfung gesetzlicher Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit habe in einem Verfahren nach Art140 B-VG zu erfolgen und keinesfalls inzidenter im Rahmen anderer Verfahren. Da vorliegendenfalls die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die einfachgesetzlichen Regelungen noch ausgeprägter, in der Tat evident und schwerwiegend seien, scheine die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens dringend geboten. Keinesfalls erscheine es zulässig, eine inzidente Prüfung en passant vorzunehmen und die durch das Gesetzesprüfungsverfahren gegebene Möglichkeit der Rechtsverfolgung zu minimieren.

Zum anderen scheine nach Meinung der Klägerin die Entscheidung des VfGH VfSlg. 9280/1981 auch inhaltlich letztlich nicht haltbar. Daraus ergebe sich "die nachdrückliche Forderung, vorliegendenfalls alle relevanten Akten (Fakten?) der Entscheidung des VfGH zugrunde zu legen und nicht aus dem Umstand, daß bestimmte Bereiche auch für die Berechnung der Finanzkraft tatsächlich maßgeblich sind, im kurzen Wege den Schluß zu ziehen (= Kurzschluß), die Regelung entspreche der Verfassung". Vielmehr werde zu beachten sein, daß viele weitere Gesichtspunkte für die Finanzkraft relevant seien, ohne daß sie in der gegenwärtig geltenden Regelung Berücksichtigung finden.

ArtII des FAG 1979 unterscheide auf der Grundlage des im Finanz-Verfassungsgesetz 1948 BGBl. 45 verankerten Systems der verbundenen Steuerwirtschaft verschiedene Abgaben. Die Bestimmungen des Abschn. B, umfassend die §§7 bis 13, regelten die zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden) geteilten Abgaben. Sie beinhalteten die zentralen präjudiziellen Regelungen für die von der Klägerin vom VfGH begehrte Entscheidung.

§7 Abs1 FAG 1979 zähle die gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf, deren Reinertrag der Teilung nach Abs2 des §7 unterliege; das Teilungsverhältnis sei in §8 Abs1 und 2 FAG 1979 festgelegt. Im Rahmen dieser "Oberverteilung" werde auf die Finanzkraft nicht Bedacht genommen. Vielmehr erfolge diese Bedachtnahme im Rahmen der sogenannten "Unterverteilung" nach §10 Abs2 des FAG 1979. Dabei würden von den gemäß §10 Abs1 FAG 1979 länderweise errechneten Ertragsanteilen der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben zunächst 13,5 vH für die Gewährung von Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände ausgeschieden. Die Abs2 bis 4 des §10 FAG 1979 seien für den vorliegenden Fall von zentraler Bedeutung. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß für die Erledigung der gegenständlichen Klage die gesamten Anordnungen des §10 Abs2 bis 4 FAG 1979 präjudiziell seien. Allerdings wendeten sich die verfassungsrechtlichen Bedenken "nur" gegen die Regelung betreffend die Ermittlung der Finanzkraft in §10 Abs4 leg. cit. Des systematischen Zusammenhanges wegen seien aber auch die Abs2 und 3 als präjudiziell in die Gesetzesprüfung einzubeziehen. Nach Auffassung der Klägerin liege die Verfassungswidrigkeit der Berechnung der Finanzkraft darin, daß im §10 Abs4 FAG 1979 nur einzelne und willkürlich herausgegriffene Gemeindeeinnahmen Berücksichtigung fänden. Insofern bestehe eine besondere Art einer verfassungsrechtlich sanktionierbaren "teilweisen Untätigkeit" des Gesetzgebers.

Die Klägerin legt sodann ihre Meinung darüber dar, welche Bestimmungen des FAG 1979 aufzuheben wären, um den von ihr als verfassungswidrig erachteten Zustand zu beseitigen, und zwar wären dies §10 Abs4 zur Gänze und wesentliche Teile der Abs2 und 3, allenfalls nur Teile des Abs2 oder des Abs3.

Zu der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des §10 Abs4 FAG 1979, betreffend die Regelung der Finanzkraft, wird in der Klage näher ausgeführt:

"A. Allgemeine Erwägungen

Welchen Gemeinden überhaupt ein Vorzugsanteil nach §10 Abs2 FAG 1979 zukommt und wie hoch dieser zur Auszahlung gelangt, ist von der Berechnung der Finanzkraft nach §10 Abs4 FAG unmittelbar abhängig. Je höher insgesamt die Vorab-Bedienung sogenannter 'finanzschwacher' Gemeinden ist, desto geringer ist die nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel zur Verteilung kommende Masse der verbleibenden Ertragsanteile (letzter Satz des §10 Abs2 FAG 1979). Die Regelung des §10 Abs4 des FAG 1979 betreffend die Ermittlung der Finanzkraft verstößt aber in eklatanter Weise gegen den Gleichheitssatz, indem sie völlig willkürlich einige, global gesehen wenig aussagekräftige Gemeindeabgaben in die Berechnung einbezieht, wesentliche und tragende Aspekte aber völlig unberücksichtigt läßt. Die Regelung ist aus sich selbst heraus, aber auch unter Bedachtnahme auf das gesamte System des österreichischen Finanzausgleiches grundsätzlich sachwidrig. Die differenzierende Berücksichtigung eines von der Quantität her nur minder wichtigen Teiles (erheblich unter 50%) der Finanz-Realität, die in ihrer Gesamtheit gleich beachtlich ist, vermag durch keinerlei Begründung sachlich gerechtfertigt zu werden.

Die Richtigkeit dieser Behauptung wird durch einen Blick auf die Statistik bestätigt. Da es sich bei der gegenständlichen Problematik um eine solche der Unterverteilung, also den Fall der Mittelverteilung auf die Gemeinden handelt, ist eben diese tatsächliche Gemeindeebene die rechtlich relevante Ebene der Fakten. Diesbezüglich stehen zunächst einmal 'Gebarungsübersichten der Bundesländer, Gemeindeverbände und Gemeinden' zur Verfügung, die jährlich vom Bundesministerium für Finanzen und vom Österreichischen Statistischen Zentralamt herausgegeben werden. Im weiteren werden von verschiedenen Bundesländern Gemeindesteuerstatistiken herausgebracht. Schließlich sind auch Finanzstatistiken der Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung von wesentlicher Bedeutung. Angesichts des Umstandes, daß innerhalb der letzten Jahre - abgesehen von der besonderen Elastizität der Gewerbesteuer - keine gravierenden Unterschiede bestehen, kann hier auf eine ins einzelne gehende Verwertung dieser Statistiken verzichtet werden. Vielmehr genügt es, - die Statistiken früherer Jahre sagen im wesentlichen genau dasselbe aus -, neben jenen statistischen Unterlagen, welche die im folgenden zitierte Literatur verwendet, auf die neueste, sehr instruktive, im Jänner 1982 herausgebrachte neueste Statistik der Verbindungsstelle der Bundesländer 'Das Steueraufkommen der Gemeinden im Jahre 1979' zurückzugreifen (diese Statistik wird im folgenden zitiert: Statistik Verbindungsstelle 1979).

Wenn auch, wie hervorgehoben, die Gemeindeebene für die Berücksichtigung der Finanzkraft der Gemeinden maßgeblich sein muß, ergibt sich allein schon aus den gesamtösterreichischen Zahlen ein eindeutiges Indiz für die grundlegend verfehlte Regelung der Finanzkraft in §10 Abs4 FAG 1979. In dieser Regelung sind nur berücksichtigt die Komponenten

Grundsteuer A

Grundsteuer B

Gewerbesteuer (nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital, nicht jedoch Lohnsummensteuer),

und zwar jeweils mit fiktiven Hebesätzen.

Nicht jedoch sind berücksichtigt die für die Finanzkraft ohne jeden Zweifel auch beachtlichen und - wie noch gezeigt wird, zum Teil noch viel bedeutsameren - Gemeindeeinnahmen aus

Lohnsummensteuer

Getränkesteuer einschließlich Speiseeisabgabe

und 'sonstige Gemeindeabgaben';

darüber hinaus werden überhaupt nicht berücksichtigt die überwiesenen Ertragsanteile.

Laut Statistik Verbindungsstelle 1979, 2 f. - dort auch länderweise Gliederung, welche genau dasselbe aussagt - ergeben sich für 1979 österreichweit an Einnahmen

aus Gewerbesteuer                 4877465670 S

aus Grundsteuer A                  300990001 S

aus Grundsteuer B                 2013601554 S

insgesamt also                    7192057225 S,

das sind ca. 41,28% der gesamten Gemeindeeinnahmen von 17421695588 S. Hingegen bleiben bei Berechnung der Finanzkraft der Gemeinden völlig unberücksichtigt die weiteren Gemeindeeinnahmen

aus Lohnsummensteuer              4752517925 S

aus Getränkesteuer                2766514416 S

aus 'sonstigen Gemeindeabgaben'   2710606022 S

insgesamt also                   10229638463 S.

Das FAG 1979 setzt der Finanzkraftberechnung auch fiktive Hebesätze zugrunde. Aus Vereinfachungsgründen werden im folgenden die faktisch eingenommenen Beträge zugrunde gelegt, da eine Umrechnung auf die fiktiven Hebesätze jeweils für alle 2000 österreichischen Gemeinden vorgenommen werden müßte, was aber weder an der globalen Beurteilung noch an der ausschließlich maßgeblichen gemeindeweisen Betrachtung aus verfassungsrechtlicher Sicht etwas ändert. Vielmehr ergeben sich bei der Umlegung auf die fiktiven Hebesätze noch gravierendere Verzerrungen als dies ohne diesen Vorgang der Fall ist.

Das entscheidende an diesem Zustand ist nun, daß sich aus der gemeindeweisen Aufteilung (s. dazu Statistik Verbindungsstelle 1979 betreffend alle Gemeinden Österreichs) eindeutig ergibt, daß zwischen den berücksichtigten Steuersparten und den viel ertragreicheren, nämlich mehr als 58% erbringenden Steuersparten keinerlei signifikantes Verhältnis, keinerlei sichtbare Relation bzw. keinerlei Korrelation besteht, vielmehr ist die Relation der Beträge aus den einzelnen Einnahmen der Gemeinden jeweils völlig unterschiedlich und ohne jegliche erkennbare und nachweisbare Gesetzmäßigkeit. Die gegenwärtige Regelung basiert vielmehr auf einer rein zufälligen historischen Entwicklung, deren Voraussetzungen aber grundlegend verändert wurden. Auch gilt es schon hier, festzuhalten, daß niemand, auch nicht die Wirtschaftswissenschaften etwa der Ansicht wären, die - willkürlich herausgegriffenen - Sparten der Gemeindeerträge zur Berechnung deren Finanzkraft seien in spezifischer Weise für die wirtschaftliche Leistungskraft überhaupt signifikant. Vielmehr ist das wahre Gegenteil der Fall.

Die Berücksichtigung der Grundsteuer A als maßgeblich bedeutet die Akzeptierung eines Markenkennzeichens besonderer Wirtschaftsschwäche einer Gemeinde, was sich allein aus der global gesehen als Bagatelle zu bezeichnenden Summe von nicht viel mehr als 300 Millionen Gesamteinnahmen in ganz Österreich ergibt.

Gesamthaft ist noch von Interesse, daß den gesamten Gemeindeabgaben von nicht ganz 17,5 Mia S Ertragsanteile der Gemeinden nach Abzug von 13,5% für Bedarfszuweisungen von mehr als 21 Mia S gegenüberstehen (all dies Statistik Verbindungsstelle 1979, 2 f.). Mag man als Grundlage der Berechnung der Finanzkraft einer Gemeinde auch nicht unbedingt darauf bestehen, diese Ertragsanteile mitzuberücksichtigen, ist doch keinerlei Rechtfertigung dafür erkennbar, nur einen ökonomisch und insgesamt tatsächlich nicht signifikanten Sektor gemeindlicher Erträge zu berücksichtigen.

Auf Vorarlberg bezogen tritt dieses Mißverhältnis noch deutlicher zutage (s. Statistik Verbindungsstelle 1979, 2 f., 166 f.), da hier für die Finanzkraftberechnung nur

aus Gewerbesteuer                 256583504 S

Grundsteuer A                       3820582 S

Grundsteue B                       78857023 S

insgesamt also nur                339261109 S

berücksichtigt werden, das sind von gesamthaften Gemeindeabgaben von 900125480 S sage und schreibe nur 37,69%! Hingegen bleiben die mehr als 62% der Gemeindeabgaben, also nahezu 2 Drittel (!), bestehend aus

Lohnsummensteuer                  214965749 S

Getränkesteuer                    132868110 S

sonstige Gemeindeabgaben          213030520 S

insgesamt also                    560864371 S

ohne jegliche Berücksichtigung. Sowohl in Vorarlberg wie auch in allen übrigen Bundesländern sind die gemeindeweisen Unterschiede jedoch noch viel krasser!

B. Verfassungsrechtlicher Maßstab.

Die im Rahmen der vorliegenden Klage präjudiziellen Stellen des FAG 1979, insbesonders dessen §10 Abs4, sind anhand des durch Art7 Abs1 B-VG und durch Art2 des Staatsgrundgesetzes von 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger verfassungsgesetzlich garantierten Gleichheitssatzes zu messen, der auch und gerade für die Gesetzgebung gilt (VfSlg. 1451, 2645, 2770 uva.). Darüber hinaus sind für den gegebenen Zusammenhang aber auch §4 des F-VG 1948 sowie das österreichische Gemeindeverfassungsrecht von Bedeutung.

§4 des F-VG 1948 ist als die für die Verteilung der Abgabenerträge maßgeblichste finanzverfassungsgesetzlich Regelung anzusehen. Nach dieser Verfassungsbestimmung hat die in den §§2 und 3 leg. cit. vorgesehene Regelung in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden. Da die Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung in Österreich im wesentlichen auf alle Gemeinden Österreichs gleich erfolgt, hat auch die Verteilung der Abgabenerträge auf diese Gemeinden gleich zu erfolgen. Deshalb ist die genannte Verfassungsbestimmung als eine den Gleichheitssatz spezialisierende und diesen verstärkende Verfassungsnorm für die Finanzverfassung zu betrachten.

Das österreichische Gemeindeverfassungsrecht ist ebenso gekennzeichnet durch die grundsätzliche Gleichstellung aller Gemeinden und den Umstand, daß ihnen insgesamt gleiche Aufgaben übertragen sind. Lehre und höchstgerichtliche Rechtsprechung haben dies entsprechend berücksichtigt und sprechen von der abstrakten Einheitsgemeinde als jenem Typus der österreichischen Gemeinde, der der österreichischen Verfassungsordnung zugrunde liegt (s. Oberndorfer, Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, Linz 1971, 68 ff., u. passim; Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, Wien-New York 1972, 191 ff.; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 3. Auflage, Wien 1980, 237 ff; Klecatsky - Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. Auflage, 518 f., 533 ff.). Diese grundsätzliche verfassungsrechtliche Gleichstellung aller österreichischen Gemeinden erheischt, daß der Gleichheitssatz verstärkt und strenger zur Anwendung gelangt als bei Bedachtnahme auf die eingangs zitierten Grundrechtsverbürgungen allein. An differenzierende, also ungleiche Regelungen ist danach ein besonders strenger Maßstab hinsichtlich ihrer Zulässigkeit anzulegen. Dies gebietet darüber hinaus auch die verfassungsgesetzlich garantierte Selbstverwaltung der Gemeinden, weil sich daraus auch die verfassungsrechtliche Pflicht zu entsprechender finanzieller Dotierung ableitet. Diese Notwendigkeit der besonders strikten Anwendung des Gleichheitssatzes ist vor allem auch durch jene Rechtsprechung geboten, wonach es einen selbstverständlichen Auslegungsgrundsatz darstellt, daß Rechtsvorschriften nicht so ausgelegt werden dürfen, daß sie überflüssig und daher inhaltslos werden (VfSlg. 2546, 2688, aber auch 7717; VwSlgNF 3086 F, 6035 A, 12. 3. 1964, 789/63, 27. 3. 1980, 1232/78).

C. Grundsätzliches zur Bedeutung des Gleichheitssatzes für den vorliegenden Fall.

Angesichts dieser eindeutigen Verfassungsrechtslage können im sachlichen Bereich des österreichischen Finanzausgleichswesens ungleiche Regelungen des einfachen Gesetzgebers nur dann vor den der Gerechtigkeit verpflichteten Augen des VfGH Bestand haben, wenn sie sich im einzelnen eindeutig und nachweislich belegbar auf Unterschiede im Tatsächlichen berufen können. In einem so detaillierten, technisierten, feinmaschigen und letztlich in gewisser Weise auch professionellen Normensystem, wie es das österreichische Finanzausgleichswesen darstellt, könnte ein plötzliches und punktuelles Zurückgreifen auf allfällige 'Erfahrungen des täglichen Lebens' (s. VfSlg. 3568, 4154, 5098, 5485, 6260, 6401, 6419, 6471, 7891 aber auch VfSlg. 7996, 8352) nicht hinreichen, die Sachlichkeit der Regelung zu erweisen. Vor kurzem wurde zutreffend darauf hingewiesen (s. dazu das zum 8. Österreichischen Juristentag erstattete Gutachten von Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument der Gesellschaft und Wirtschaft und seine Schranken in den Grundrechten, 87), daß die sogenannten 'Erfahrungen des täglichen Lebens' häufig nichts anderes sind als permanent wiederholte, aber durch nichts belegte Vorurteile. Auch wenn man die Kraft des Wortes und darüber hinaus des Geistes insgesamt hoch veranschlagt, können durch solche bloße Worte nachweisliche Fakten nicht verändert, sondern höchstens zu Unrecht verfremdet und übergangen werden.

Auch muß mit allem Nachdruck hervorgehoben werden, daß es an sich nicht Sache der klagenden Marktgemeinde L sein kann, im einzelnen und detailliert den schlüssigen Nachweis der Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Finanzkraftregelung zu erbringen; dennoch wird sie im folgenden alles wesentliche vorliegende Material vortragen. Zutreffenderweise ist es aber Sache der den Bundesgesetzgeber vor dem VfGH vertretenden Bundesregierung, den - wie hier vorweggenommen werden kann, völlig unmöglichen - Nachweis zu erbringen, daß die gegenwärtige Finanzkraftregelung mit ihrer völlig ungleichen Berücksichtigung der Gemeindeeinnahmen in tatsächlichen Unterschieden ihre Rechtfertigung auch tatsächlich findet (und nicht nur vage finden könnte).

Dabei kann es auch keine Rolle spielen, daß dieser österreichische Finanzausgleich an sich eine Mehrzahl von Gesichtspunkten berücksichtigt und die für verfassungswidrig erachtete 'Vorab-Bedienung' finanzschwacher Gemeinden nur einen Aspekt der Mittelzuteilung unter anderen darstellt. Sicher ist nämlich, daß nicht nur eine Gesamtregelung, sondern auch ihre einzelnen, je für sich abgrenzbaren Teilbereiche der Verfassung voll entsprechen müssen. Ansonsten käme es nämlich bei komplizierten, unsystematischen und von Zufälligkeiten getragenen Sachregelungen wie beim österreichischen Finanzausgleich dazu, daß die Verfassung und vor allem ihre Grundrechte niemals tatsächliche Relevanz erlangen könnten. Denn dann könnte eine für verfassungswidrig erachtete präjudizielle Regelung jeweils unter Berufung auf anderen Regelungen völlig zu Unrecht verfassungsrechtlich immunisiert werden. Das würde zu dem in einem Rechtsstaat unerträglichen Ergebnis führen, daß eine verfassungswidrige Regelung unter Bedachtnahme auf eine andere verfassungswidrige Regelung unangreifbar würde. Die Klägerin glaubt, den Hohen VfGH nicht nachdrücklich genug vor dem Begehen dieses Irrweges warnen zu dürfen.

Ferner ist von Bedeutung, daß für den Bereich des Finanzwesens - wie auch die Hinweise auf die zur Verfügung stehenden, aufeinander abgestellten Systeme der Finanzstatistiken ebenso wie der geradezu ungehemmte Einsatz von EDV und ADV schlagend beweisen - Aspekte der Verwaltungsökonomie eine Typisierung, Pauschalierung oder sonstige Vereinfachung in der hier vorgenommenen grobschlächtigsten Weise keineswegs fordern (vgl. VfSlg. 4409, 4930, 4958, 5022, 5160 u.a.; vgl. zu den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Grenzen Morscher,

Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 83 ff.; Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, Köln 1982, 52 f. u. passim), da alle relevanten Daten nicht nur auf Knopfdruck zur Verfügung stehen und über beliebige Verknüpfung jeder noch so komplizierte Rechenvorgang in Sekundenschnelle abgeschlossen ist, sondern jeder Volksschüler auf Grund der veröffentlichten Daten alle diese Rechenvorgänge leicht selbst vornehmen kann. Abgesehen davon, daß für eine genaue Berechnung überhaupt kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand erforderlich wäre, zeigt ein Durchgehen der 2301 im Jahre 1979 bestandenen österreichischen Gemeinden (etwa anhand der Statistik Verbindungsstelle 1979), daß weder bei nach Bewohnern gemessen großen, noch mittleren noch kleinen, noch all diesen Gemeinden irgendein einheitliches, überhaupt typisierbares Element bei der Unterscheidung der einzelnen Steuereinnahmen besteht. Hier spricht die Statistik ganz ausnahmsweise eine ganz eindeutige Sprache für die Willkürlichkeit der Regelung, nur bestimmte Steuern der Finanzkraftberechnung zugrundezulegen.

Auch ist zu berücksichtigen, daß Prüfungsmaßstab im Gesetzesprüfungsverfahren immer die Verfassungsordnung als solche ist; es geht dabei nicht darum, ob die in Prüfung gezogene gesetzliche Regelung in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte eingreift, was vorliegendenfalls ohne Zweifel auch zutrifft, sondern darum, ob sie gegen verfassungsgesetzliche Normen verstößt (VfSlg. 5921, 7720). Darüber hinaus müßte die Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht einmal im Anlaßfall verwirklicht werden (VfSlg. 8533) und es müssen die Umstände, die diese Regelung verfassungswidrig machen, bei der Anwendung der Norm im Anlaßfall keine Rolle gespielt haben (VfSlg. 8009, 8806, 1. 3. 1982, G35, 36/81, G83, 84/81). Zwar wird vorliegendenfalls durch die geltende Rechtslage durchaus auch in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte der Klägerin eingegriffen. Unabhängig davon ist aber bei der Gesetzesprüfung nicht auf ihre Lage bzw. auf die Situation in Vorarlberg Bedacht zu nehmen, sondern auf die Situation der Gemeinden in ganz Österreich.

Umgekehrt handelt es sich bei der Situation der Klägerin nicht um einen 'atypischen Härtefall', der sich bei jeder Abgrenzung zwangsläufig ergeben müßte (s. zu deren Zulässigkeit VfSlg. 3568, 3862, 3714, 3749, 4154, 4925, 5098, 5958, 6260, 6401, 6419, 6471, 7012, 7471, 7996, 8352, 8457, 8871 uva; ferner Klecatsky - Morscher,

Das österreichische Bundesverfassungsrecht 3, 90 ff.; Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument 93; vgl. aber auch Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, 52 f.). Alle Statistiken zeigen, daß es einen 'Regelfall' für die Gliederung der gemeindlichen Einnahmen aus Steuern nicht gibt, sondern keinerlei Gesetzmäßigkeiten erkennbar sind und somit für die völlig unterschiedliche Bewertung eines Steuerschillings gegenüber einem anderen Steuerschilling keinerlei sachliche Rechtfertigung gefunden werden kann.

D. Zur Verfassungswidrigkeit im einzelnen.

Der Klägerin ist selbstverständlich bekannt, daß es nach der Rechtsprechung des VfGH dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz nicht verwehrt ist, verschiedenste politische Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen und daß der VfGH die 'Richtigkeit' solcher Maßnahmen nicht überprüft (s. VfSlg. 3766, 4973, 5267, 5268, 5862, 6030, 6255, 6929, 7010, 7559, 7996, 8012 uva; beachte ferner Klecatsky - Morscher, Das Österreichische Bundesverfassungsrecht 3, 91 f.; Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 98 ff.). Insoferne bestehen selbstverständlich grundsätzlich keinerlei Bedenken dagegen, daß der Finanzausgleichsgesetzgeber 'finanzschwachen' Gemeinden vor der 'allgemeinen' Unterverteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die einzelnen Gemeinden einen Vorzugsanteil zukommen läßt. Eine solche Regelung ist an sich insoferne ohne Zweifel sachlich gerechtfertigt, als sie solchen Gemeinden die Möglichkeit bieten soll, einerseits ihre wirtschaftliche Situation strukturell zu verbessern und andererseits ihre laufenden Ausgaben, die auch zahlreiche Verpflichtungen beinhalten, überhaupt entsprechend erfüllen zu können. Auch ist eine solche Lösung grundsätzlich in einem Finanzausgleichssystem grundgelegt. Nach der genannten Rechtsprechung des VfGH sind aber in jedem Falle Exzesse völlig unzulässig und völlig ungeeignete Lösungen ebenso (vgl. Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 94 f., 104 ff.). Eine solche Lösung liegt hier vor, weil ohne jede sachliche Begründung der Finanzkraftberechnung nur ein minderbedeutender Teil der Gemeindeeinnahmen zugrundegelegt wird, hingegen bedeutsame und signifikante Einnahmen für die Wirtschaftsstärke einer Gemeinde wie die Getränkesteuer und die Lohnsummensteuer überhaupt nicht berücksichtigt werden. Bezüglich der Lohnsummensteuer ist auch die Anfragenbeantwortung des Bundesministers für Finanzen, 1876/AB, II-4101 BlgNr 15. GP vom 1. 7. 1982 beachtlich, wo es ausdrücklich heißt:

'Zur Darstellung der in diesem Zusammenhang zur Diskussion stehenden Größen ist darauf hinzuweisen, daß das Gesamtaufkommen an Lohnsummensteuer im Jahre 1979 bei rd. 4,75 Mrd. S (davon rd. 1.5 Mrd. S allein in Wien), 1980 bei rd. 5,2 Mrd. S und 1981 bei rd. 5,35 Mrd. S gelegen ist. Der jährliche Zuwachs am Aufkommen beträgt jeweils rd. 7%. Das Aufkommen an Lohnsummensteuer stellt etwa 25% der gesamten Landes- und Gemeindeabgaben dar. Daraus ist zu ersehen, daß es sich hier um eine Abgabe handelt, die für die Gemeinden von der Größenordnung her von besonderer Bedeutung ist, auf die die Gemeinden jedenfalls nicht ohne finanzielle Abgeltung verzichten könnten.'

Die oben beschriebene Differenzierung könnte etwa damit begründet werden, daß bestimmte Einnahmen für die Wirtschaftskraft im allgemeinen und die Finanzkraft im speziellen von besonderer Signifikanz und Bedeutung seien. Dies wird aber zu Recht von niemandem, weder im Bereiche der Politik oder gar der Wirtschaftswissenschaften vertreten. Abgesehen von der Frage, ob es zu einer Zeit, in welcher erhebliche Arbeitsplatzprobleme bestehen, zweckmäßig ist, eine Arbeitsplatzsteuer (in Form der Lohnsummensteuer) einzuheben, ist es gerade die Höhe der Lohnsummensteuer, die in besonderer Weise eben diese Finanz- und Wirtschaftskraft kennzeichnet. Gleicherweise ist es die ungetrübte und offenkundig durch nichts trübbare Trinkfreudigkeit der österreichischen Bevölkerung einerseits und der Umstand andererseits, daß der Fremdenverkehr eine Säule der österreichischen Wirtschaft darstellt, der die Getränkeabgabe zu einem besonderen Kennzeichen der Finanzkraft werden läßt. Gerade diese wichtigen Bereiche finden aber bei der Finanzkraftberechnung keinerlei Beachtung. Die Klägerin ist an sich der Meinung, daß, wie ganz allgemein auch im Bereich des Finanzausgleiches, das Prinzip gelten muß, daß jeder Schilling gleich viel wert ist und hier uneingeschränkt das Schilling-Ist-Gleich-Schilling-Prinzip gilt. Die bestehende Regelung verstößt in exzessiver Weise dagegen, ohne daß eine sachliche Rechtfertigung auch nur im Ansatz vorläge. Ist man aber der Meinung, bestimmte Gemeindesteuern seien besonderes Kennzeichen einer besonderen Wirtschafts- und/oder Finanzkraft kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dies keinesfalls für die Grundsteuern - weder für die Grundsteuer B noch gar für die Grundsteuer A - gilt, kaum für die Gewerbesteuer, jedenfalls aber für die Lohnsummensteuer und die Getränkesteuer. Aus dieser Sicht erweist sich die geltende Regelung kontrafunktional und in jeder Hinsicht verfehlt, indem sie aus ihrer eigenen Zielsetzung heraus offenkundig gerade die falschen Gemeindeeinnahmen der Finanzkraftberechnung zugrunde liegt. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Regelung, deren Richtigkeit vom VfGH nur in extenso zu prüfen wäre, sondern um eine in sich verfassungswidrige Lösung.

Die Ursache dieses Umstandes ist durch die Bedachtnahme auf die historische Entwicklung leicht auszumachen. Pfaundler, Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/58, 2. Auflage, Wien 1958, 152, weist zutreffend darauf hin, daß sich die nach §14 des FAG 1956 auf die einzelnen Gemeinden jedes Landes entfallenden Anteile schon seit dem Jahre 1951 nach einem Steuerkraftschlüssel ergeben, 'der eine Aufteilung ausschlielich nach den Ertragsanteilen ersetzt hatte und noch derzeit in Geltung steht'. Die Anwendung des Steuerkraftschlüssel ergebe sich aus der Erwägung, daß die steuerlichen Einnahmen der Länder fast ausschließlich aus ihren Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben bestehen, während bei den Gemeinden auch ihre eigenen Steuereinnahmen 'eine große, ja vielfach überragende Bedeutung haben'. Schließlich finden sich bei Pfaundler (aaO 130 ff.) auch Hinweise auf die damalige große wirtschaftliche Bedeutung der Gewerbesteuer und die dadurch notwendig gewordene finanzausgleichsgesetzliche Regelung (§11 Abs4 FAG 1956) betreffend den Gewerbesteuerspitzenausgleich. Von Bedeutung ist dabei vor allem, daß seinerzeit eine völlig andere Gewichtung der Gemeindeabgaben bestand. Dementsprechend stellte Neuhofer (vgl. s. dazu im einzelnen Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, 323 ff., hier 329) schon 1972 nach Darlegung der Rechtslage fest: 'Für die Finanzkraft der Gemeinden sind aber längst nicht mehr allein die Gewerbesteuer und die Grundsteuer maßgeblich, sondern in sehr wesentlichem Maße auch die Lohnsummensteuer und die Getränkesteuer'. Gleicherweise kritisch äußern sich Hammer, Der Finanzausgleich für die Jahre 1959 - 1963, Graz 1959, 34 ff.; Oberndorder, Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, Linz 1971, 29 ff., wonach durch die bestehenden Regelungen - kontrafunktional - bestehende Ungleichheiten geradezu 'verfestigt' würden; schließlich auch Wißgott, Der Finanzausgleich im Österreich der Zweiten Republik, Wien 1973, 65, der wie Oberndorfer zu Recht von einer 'fingierten Finanzkraft' spricht, der nach Meinung der Klägerin in der Realität rein gar nicht entspricht.

Nun ist aber entscheidend, daß - unabhängig davon, ob jemals die Finanzkraftregelung überhaupt verfassungskonform war - nach der durchaus zutreffenden Rechtsprechung des VfGH die Verfassungsmäßigkeit einer Norm in jedem Zeitpunkt, also nicht etwa nur im Zeitpunkt ihres Entstehens gegeben sein muß (VfSlg. 3723, 3810, 5022, 5854, 6770, 7330, 7394, 8004, 8574 u.a.) und daß dieser Grundsatz insbesonders für den Gleichheitssatz gilt (VfSlg. 3754, 3822, 5169). Auch kann sich danach der Maßstab für die Sachbezogenheit einer Regelung im Laufe der Zeit ändern und es kann die Nichtanpassung einer Regelung zu ihrer Verfassungswidrigkeit führen (VfSlg. 5854, 7844, 7974, wohl auch VfGH 5. 10. 1981, WI-9/79; vgl. auch Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 47 ff.). Historische Gesichtspunkte können demnach keineswegs die geltende Regelung rechtfertigen, vielmehr beweisen sie die Unsachlichkeit derselben.

Der Umstand, daß auch in der Bundesrepublik Deutschland (s. dazu die neulich erschienene, umfassende Studie von Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, insbesonders auch die 'Ergebnisse' 126 ff.) sowie in der Schweiz (s. dazu Kesselring, Kommunaler Finanzausgleich und Regionalpolitik, Diessenhofen/Schweiz 1979) gleiche Verfassungsprobleme bestehen, darf keineswegs dazu führen, daß sie unter den Tisch gekehrt werden, vielmehr scheint eine verfassungsrechtlich einwandfreie Lösung umso dringlicher geboten.

Die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften bestätigen im übrigen eindeutig die Verfassungswidrigkeit der geltenden Finanzkraftregelung. Zwar können Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften ohne Zweifel niemals Wertentscheidungen des Gesetzgebers ersetzen (s. insbesonders Antoniolli, Finanzverwaltung und Rechtsstaat, in: FS Huber, Bern 1961, 9 ff., insbesonders 16; Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 19 ff.). Auch der VfGH hat dies in VfSlg. 5862 zutreffend zum Ausdruck gebracht. Er hat aber genauso zutreffend hinzugefügt, daß die Ordnungsgedanken der Finanzwissenschaft durchaus bei einer Gesetzesprüfung zu beachten sein werden.

Gantner - Theurl, 'Finanzkraft' und 'Finanzbedarf', Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 1977, 1 ff. (s. dazu auch Theurl, Die Finanzkraft der Tiroler Gemeinden, SoWi Diplomarbeit Innsbruck 1976; ferner Huber, Nochmals: 'Finanzkraft' und 'Finanzbedarf', Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 1977, 145 ff.; ferner Gantner - Theurl, ebenda 148 ff.; Gantner, Überlegungen zu den Begriffen 'Finanzkraft' und Finanzbedarf, im FAG 1973: Kritik und Reformansätze, in: Matzner (Hg), Öffentliche Aufgaben und Finanzausgleich, Wien 1977, 316 ff., derselbe, Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel als Problem der Länder und Gemeinden, Wien 1978, 49 ff. u. passim) kritisieren insbesonders die Unvollständigkeit der Verwendung des Begriffs Finanzkraft im FAG 1973 und den Umstand, daß dieser Begriff nicht das mißt, was er eigentlich messen sollte (s. Gantner - Theurl, aaO 2). Dabei handelt es sich nicht nur um eine wissenschaftlich fundierte Begriffskritik, sondern um eine, die die Sache als solche betrifft. Sie weisen demnach zu Recht daraufhin, daß in der Definition des §10 Abs4 FAG 1973 'nur ganz bestimmte Steuern herangezogen, aber so wichtige Gemeindesteuern wie die Lohnsummensteuer und die Getränkesteuer beiseite gelassen (werden), von den übrigen Gemeindeeinnahmen ganz zu schweigen ... Diese einseitige Bevorzugung bzw. grobe Benachteiligung einzelner Gemeinden ist der Haupteinwand, der gegen den FK-Begriff des FAG vorgebracht werden muß.

Nicht nur der Umstand, daß ein Gutteil der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Gemeinde bei der Ermittlur Finanzkraft überhaupt außer Acht gelassen wird, auch die Zusammensetzung derjenigen Einnahmen, die für den FK-Begriff im FAG ausgewählt wurden, bietet Anlaß für Kritik.

Bekannt ist die Konjunkturanfälligkeit der Gewerbesteuer. Der Umstand, daß der Bedarfsausgleich auf der FK des Vorjahres aufbaut, läßt Gemeinden mit schrumpfendem Gewerbesteueraufkommen im laufenden Jahr von mehreren Seiten in die Klemme kommen: Zu den Ausfällen der Gewerbesteuer kommt noch ein fehlender oder der Situation der Gemeinden nicht entsprechender Bedarfsausgleich und eine erhöhte Landesumlage. So ist auch aus dem Flexibilitätsgesichtspunkt heraus der FK-Begriff des FAG völlig unbefriedigend ..., (aaO 5 f.).

Schließlich zeigen ihre Varianten der Finanzkraftberechnung (aaO 11 ff.), zu welchen Verzerrungen und sachlich ungerechtfertigten Ungleichheiten die bestehende Regelung führt. Zu dieser Alternativen-Berechnung werden aber nicht unzulässige Wertungen seitens der Wissenschaft vorgenommen, sondern nur deutlich gezeigt, in welch tiefgreifender Weise die gegenwärtige Finanzkraftregelung an den Tatsachen vorbeigeht, sie ignoriert und deshalb wegen krasser Ungleichheit verfassungswidrig erscheint.

Gleicherweise findet auch Thöni, Finanzierungsprobleme der Gemeinden, Wien 1977, 83 ff., an den geltenden Regelungen nur Kritikwürdiges. Derselbe, Finanzierungsprobleme der Gemeinden, Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 1980, 181 ff. (186) meint im übrigen, der Finanzkraft- und Finanzbedarf-Ausgleich habe auf Grund der praktischen Handhabung jede Zielorientierung verloren und erörtert die völlige Einseitigkeit und Unvollständigkeit der Regelung.

Auch Hanselitsch, Die Stellung der Gemeinden im österreichischen Finanzausgleich, ÖGZ 1978, 160 ff. (164 f.) übt - obwohl jeweils unmittelbar in die Finanzausgleichsverhandlungen eingebunden - Kritik an der Finanzkraftregelung des dem FAG 1979 analogen FAG 1973, weil sie keinen 'vollständigen Ausdruck der tatsächlichen finanziellen Leistungskraft der Gemeinden, sei und führt dies (aaO 165) auch näher aus. Gleiches gilt auch für Smekal, Finanzausgleich - Föderalismus - Gemeindeautonomie, Österreichisches Jahrbuch für Politik 78, Wien 1979, 371 ff. 386 f., sowie insbesonders für Natter, Die ökonomischen Auswirkungen der Reform des österreichischen Fürsorgewesens aus der Sicht der Gemeinden - dargestellt am Beispiel der Gemeinden Vorarlbergs, SoWi Diss Innsbruck 1980, 120 ff. u. passim.

Insgesamt ergibt sich aus den empirischen Daten, daß ca. 5% der verbleibenden 85,5% (nach Abzug der 13,5% für Bedarfszuweisungen) der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach dem für verfassungswidrig erachteten Modus zur Voraus-Verteilung gelangen. Das sind für 1979 gesamtösterreichisch gesehen immerhin von mehr als 21 Mia mehr als 1 Mia in Vorarlberg, wo der Prozentanteil etwas höher ist, von fast 794 Mio S weit mehr als 40 Mio S. Dabei handelt es sich nicht um zu vernachlässigende Größen, die nach völlig unsachlichen Kriterien zur Verteilung gelangen, sondern um beträchtliche Summen, deren mißliche Verteilung gerade in Zeiten der angespannten Gemeindefinanzen wie diesen sich auf die Gemeinden besonders nachteilig auswirkt."

Abschließend werden Kosten verzeichnet.

3. Die Ausführungen in der Klage zu A18/84 stimmen, soweit sie die Sache selbst betreffen, - größtenteils wörtlich - mit den Ausführungen in der Klage zu A6/82 überein.

II. Das Land Vbg. als beklagte Partei erstattete Gegenschriften.

1. In der Gegenschrift zu A6/82 ist einleitend festgehalten, daß das Land den gemäß §10 Abs2 FAG 1979 erteilten Auftrag zur Aufteilung der Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auch

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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