TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/30 G101/84

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Veröffentlicht am 30.06.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EStG §25 Abs1 Z3

Beachte

vgl. Kundmachung BGBl. 351/1984 am 7. September 1984; s. Anlaßfall VfSlg. 10169/1984

Leitsatz

EStG 1972; verfassungswidrige Gleichbehandlung von Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung und gleichartiger Bezüge aus Einrichtungen der Kammer der selbständig Erwerbstätigen durch §25 Abs1 Z3

Spruch

§25 Abs1 Z3 des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. 440, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 1985 in Kraft.

Frühere Gesetzesbestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH ist zu B677/81 das Verfahren über die Beschwerde eines Pensionisten gegen einen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. anhängig, der folgendes Verwaltungsgeschehen zugrunde liegt:

Der Bf., welcher von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Alterspension einschließlich eines besonderen Steigerungsbetrages infolge einer Höherversicherung bezieht, begehrte die Erstattung im Kalenderjahr 1979 einbehaltener Lohnsteuer mit der Begründung, daß der auf die Höherversicherung zurückzuführende Pensionsteil steuerfrei zu belassen gewesen wäre. Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. wies den Erstattungsantrag mit ihrem im Instanzenzuge erlassenen Bescheid vom 12. November 1981 ab, der im wesentlichen auf der Auffassung beruht, daß §25 Abs1 Z3 EStG 1972 unterschiedslos sowohl aus der Pflichtversicherung als auch aus einer freiwilligen Weiter- oder Höherversicherung resultierende Pensionsbezüge erfasse.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs1 Z3 des Einkommensteuergesetzes 1972 - EStG 1972, BGBl. 440, ein demzufolge "Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung und gleichartige Bezüge aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen" Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind. Der Gerichtshof legte seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Gesetzesbestimmung folgendermaßen dar:

"Im Erk. Slg. 4627/1963 (mit dem Bestimmungen im §22 Z1 EStG 1953 als verfassungswidrig aufgehoben wurden) hat der VfGH unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes den Standpunkt eingenommen, daß es dem Gesetzgeber im Bereich des Einkommensteuerrechtes verwehrt ist, bei der Steuerpflicht bloß auf die Rentenform abzustellen und vom Grundgedanken abzugehen, nur einen Vermögenszuwachs zu erfassen und wirtschaftliche Vorgänge, soweit sie nur eine Vermögensumschichtung bewirken, außer acht zu lassen. An dieser Auffassung hat der VfGH in seiner weiteren Rechtsprechung stets festgehalen: Er hat dazu in Widerspruch stehende Gesetzesvorschriften, nämlich Bestimmungen im §22 Z1 EStG 1953 idF der EinkommensteuerNov. 1964 sowie im §22 Z1 EStG 1967 als verfassungswidrig aufgehoben (VfSlg. 5726/1968 und VfSlg. 6409/1971), weiters Einkommensteuerbescheide, die wegen nicht verfassungskonformer Gesetzeshandhabung gegen den dargelegten Grundsatz verstießen (VfSlg. 7018/1973, VfSlg. 8383/1978 und VfSlg. 8855/1980). Unter Bezugnahme auf diese Judikatur wurden an den Gerichtshof Fälle herangetragen, in denen die einkommensteuerrechtliche Zuordung von Beiträgen zur (freiwilligen) Weiterversicherung oder Höherversicherung zu Werbungskosten oder Sonderausgaben strittig war und diesbezüglich Rückschlüsse aus dem Umstand gezogen wurden, daß die aus einer (freiwilligen) Weiterversicherung oder Höherversicherung resultierende Pension nach §25 Abs1 Z3 EStG 1972 in gleicher Weise bereits ab dem Anfall der Einkommenbesteuerung unterliege wie eine solche, die aus Beiträgen zu einer Pflichtversicherung folge. Dieser Argumentation trat der VfGH jedoch mit dem Hinweis entgegen, daß es sich bei der erwähnten einkommensteuerlichen Gleichbehandlung um die Rechtsfolgen dieser Vorgänge im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung handle, die als solche verfassungsrechtlich zu beurteilen seien; ein Rückschluß von ihnen auf die verfassungsrechtliche Wertung der Einkommenbesteuerung der zum Erwerb der Ansprüche erbrachten Leistungen sei nicht zulässig (VfSlg. 8472/1978 und VfSlg. 9256/1981).

Im Gegensatz zu den soeben angeführten Fällen bietet hingegen die vorliegende Beschwerdesache Anlaß, die einkommensteuerliche Behandlung der aus völlig verschiedenen Beitragsleistungen folgenden Pensionsbezüge unter dem Blickpunkt des Gleichheitsgebotes zu betrachten, was zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §25 Abs1 Z3 EStG 1972 führt. Gerade in Ansehung der (freiwilligen) Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung (deren Konstruktion eine ziffernmäßig genaue Trennung zwischen dem auf Pflichtbeiträge und dem auf freiwillige Beiträge zurückzuführenden jeweiligen Pensionsteil erlaubt - s. §248 iVm. §261 ASVG) ist nämlich anscheinend ein Verstoß gegen den Grundsatz der einkommensteuerlichen Unerheblichkeit einer bloßen Vermögensumschichtung festzustellen. Es scheint, daß die Besteuerung des aus Beiträgen zur Höherversicherung resultierenden Pensionsbestandteiles (sogenannter besonderer Steigerungsbetrag) ohne Rücksicht darauf zu erfolgen hat, ob die Beitragsleistungen zur Höherversicherung aus bereits der Einkommensteuer unterzogenem Einkommen erbracht wurden oder ob dies im Hinblick auf die Geltendmachung von Sonderausgaben (§18 Abs1 Z2 EStG 1972) nicht zutrifft. Nur dann, wenn man annehmen wollte, daß die unter diesem Titel an den Pensionsversicherungsträger geleisteten Zahlungen zur Gänze als Sonderausgaben abgesetzt werden, wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einmalbesteuerung zu verneinen; eine solche vorbehaltlose Annahme verbietet sich aber wohl schon wegen der betraglichen Beschränkung der in Betracht kommenden Sonderausgaben und wegen ihrer Gleichordnung mit anderen Zwecken dienenden Beiträgen und Versicherungsprämien (§18 Abs1 Z2 im Zusammenhalt mit §18 Abs2 Z4 EStG 1972). Es fehlt - wie der VfGH vorläufig annimmt - die Möglichkeit, im Wege der Gesetzesauslegung ein steuerliches Ergebnis herbeizuführen, das etwa der für den Bereich privater Gegenleistungsrenten in §29 Z1 dritter Satz EStG 1972 getroffenen Regelung entspricht (nämlich daß Gegenleistungen der Steuerpflicht nur insoweit unterliegen, als die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung übersteigen)."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie mit näherer Begründung begehrt, die in Prüfung gezogene Vorschrift nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Der VfGH hat erwogen:

1. §25 Abs1 Z3 EStG 1972 ordnet zwei unterschiedliche Fallgruppen den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu, nämlich Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung einerseits und bestimmte gleichartige Bezüge aus dem Bereich der Kammern der selbständig Erwerbstätigen andererseits. Da im Anlaßbeschwerdefall ausschließlich eine Alterspension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung einkommensteuerlich zu beurteilen ist, könnten Zweifel daran entstehen, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle im gesamten Umfang präjudiziell ist. Solche (im übrigen auch von der Bundesregierung nicht geäußerte) Zweifel wären jedoch nicht berechtigt. Vom heranzuziehenden ersten (Sozialversicherungspensionen erfassenden) Tatbestand her gesehen, erweist sich nämlich der zweite als von diesem sprachlich nicht trennbar, da er an den ersten Tatbestand anknüpft und einen Teil seines Inhalts aus diesem bezieht.

Da außer der Präjudizialität auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Einleitungsbeschluß dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken sind begründet. Der Gerichtshof hält an seinen dort - in Form vorläufiger Annahmen - ausgedrückten Auffassungen ohne Vorbehalt fest und kann der entgegenstehenden Rechtsmeinung der Bundesregierung nicht beipflichten.

3. Dem Einleitungsbeschluß hält die Bundesregierung teils Argumente entgegen, die sie aus einer von ihr angestellten Analyse der Rechtsprechung des VfGH ableitet, und teils Überlegungen, die von der Ansicht ausgehen, daß der vom Gerichtshof im Einleitungsbeschluß eingenommene Standpunkt eine Abkehr von seiner Vorjudikatur bedeuten würde.

Zu beiden argumentativen Bereichen, auf die im folgenden einzugehen sein wird, ist vorerst festzuhalten, daß der Bundesregierung in bezug auf den Einleitungsbeschluß wohl ein Mißverständnis unterlaufen ist:

Sie nimmt anscheinend an, daß die an der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs1 Z3 EStG 1972 geübte Kritik auf einer Übertragung des Gedankens, die Besteuerung des auf eine bloße Vermögensumschichtung entfallenden Teils von Leibrenten sei gleichheitswidrig, auf die Besteuerung von Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung in der Weise beruht, daß es nicht nur auf den Grundsatz der einkommensteuerlichen Unbeachtlichkeit einer bloßen Vermögensumschichtung ankommt, sondern auch auf die Vergleichbarkeit der zufließenden Leistungen. Letzteres ist aber aus der Sicht des Gleichheitsgebotes hier nicht bedeutsam:

Maßgeblich ist bei dieser Betrachtung nicht die Art der empfangenen Geldleistung, sondern deren wirtschaftlicher Bezug zu der vom (späteren) Empfänger hingegebenen Leistung. Da dieses anscheinend unterlaufene Mißverständnis sohin aufgeklärt ist, erübrigt es sich auf jene Ausführungen in der Äußerung der Bundesregierung einzugehen, die aus (unschwerfindbaren) Unterschieden in der Art empfangener Leistungen Schlußfolgerungen mit dem Anspruch auf verfassungsrechtliche Relevanz ziehen.

4. a) In der Analyse der Judikatur des VfGH bezieht sich die Bundesregierung auf das Erk. VfSlg. 8472/1978 und hebt die Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Pensionsversicherung mit Beiträgen zur freiwilligen Weiterversicherung vergleichende Aussage hervor, "daß es nicht unsachlich ist, wenn der Gesetzgeber bei der Regelung der Einkommensteuer Beiträge, die auf Grund eines Aktes freier Entschließung zu leisten sind, in anderer Weise berücksichtigt als Beiträge, die aufgrund gesetzlichen Zwanges zu leisten sind".

Hieran anknüpfend meint sie:

"Dem VfGH war in diesem Zusammenhang ganz offenbar bewußt, daß bei der steuerlichen Regelung der Beiträge zur und der Leistungen aus der freiwilligen Weiterversicherung dem Grundsatz der Einmalbesteuerung widersprochen wird. Dennoch hob der VfGH diese Regelung nicht auf."

und führt weiters aus, sie vermöge

"keinen Grund dafür zu sehen, weshalb diese Argumentation, die den VfGH Differenzierungen auf der Beitragsseite als sachlich gerechtfertigt anerkennen ließ, nicht auch die Differenzierungen auf der Leistungsseite sachlich rechtfertigen kann."

Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzustellen, daß der VfGH im zitierten Erk. keine Veranlassung fand, die vom damaligen Bf.

aufgeworfene Frage der einkommensteuerlichen Gleichbehandlung einer

Pension, welche aufgrund einer freiwilligen Weiterversicherung

anfällt, mit einer Pension, die einer Pflichtversicherung folgt, zu

beantworten; er wies vielmehr ausdrücklich darauf hin, daß es sich

"bei ... der Gleichbehandlung (gemeint: einer Pension, die auf Grund

einer freiwilligen Weiterversicherung anfällt) im Vergleich zur

Pension, die einer Pflichtversicherung folgt, ... um die Rechtsfolgen

der erwähnten Vorgänge (handelt), die als solche verfassungsrechtlich zu beurteilen sind ..." (Hervorhebung nicht im Original). Aus diesen Darlegungen erigbt sich deutlich, daß der Gerichtshof es insgesamt ablehnte, auf die Verfassungsmäßigkeit der - aus der Sicht des damaligen Beschwerdefalles nicht erheblichen - Leistungsseite überhaupt einzugehen.

Weiters muß der VfGH darauf aufmerksam machen, daß die Bundesregierung, wenn sie den im Erk. VfSlg. 8472/1978 vorgenommenen Vergleich der Beitragsseite entsprechend auf die Leistungsseite übertragen will, geradezu das Thema der im Einleitungsbeschluß geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken austauscht: Die Bedenken wegen eines Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot wurden nicht etwa aus dem Blickwinkel der einkommensteuerlichen Behandlung verschiedener Leistungen, sondern ausschließlich aus der Zusammenschau der Beitrags- und der Leistungsseite bei der (freiwilligen) Höherversicherung geltend gemacht.

b) Unter Bezugnahme auf die im Einleitungsbeschluß angeführten Erk. VfSlg. 8383/1978 und 8855/1980 ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die nunmehrige Prüfung des §25 Abs1 Z3 EStG 1972 ein Abgehen von der Rechtsprechung darstelle, weil der Gerichtshof in den bezeichneten Fällen keinen Anlaß gesehen habe, in eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm einzutreten.

Diese Ansicht ist aber schon deshalb verfehlt, weil den zitierten Entscheidungen ausschließlich der zweite, bestimmte Leistungen aus dem Bereich der Kammern der selbständig Erwerbstätigen betreffende Tatbestand des §25 Abs1 Z3 EStG 1972 zugrunde liegt, der - von seiner Seite her gesehen - vom ersten (Sozialversicherungspensionen erfassenden) Tatbestand trennbar und im wesentlichen einer eigenständigen Auslegung zugänglich ist.

c) Die Bundesregierung gelangt aufgrund ihrer Analyse der Rechtsprechung des VfGH im wesentlichen zu folgendem Ergebnis:

"Der VfGH hat sich mehrfach damit auseinandergesetzt, ob es unsachlich ist, daß die Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung oder Höherversicherung in der Sozialversicherung nicht zur Gänze eine steuerrechtliche Sonderbehandlung finden, sondern nur betragsmäßig begrenzt in dem für Sonderausgaben zustehenden Ausmaß absetzbar sind. Dabei hat der VfGH das Besteuerungsproblem vor allem von der Beitragsseite her (steuerliche Nichtentlastung der Beiträge VfSlg. 8472) geprüft, er hat aber auch Aspekte der Besteuerung der Auszahlung (volle Besteuerung der Pensionsleistung, VfSlg. 8383 und 8855) behandelt. Der VfGH war sich in allen diesen Fällen darüber im klaren, daß die die Grenze abzugsfähiger Sonderausgaben übersteigenden Leistungen an die Pensionsversicherung einer doppelten Einkommensbesteuerung unterliegen, indem einerseits die hiefür aufgewendeten Mittel ursprünglich bereits der Einkommensteuer unterzogen wurden und andererseits die 'Gegenleistungen' aus der Höher- bzw. Weiterversicherung nochmals der Einkommensteuer unterworfen wurden. Dennoch hat der VfGH bis jetzt kein verfassungsrechtliches Problem in dieser doppelten Einkommensbesteuerung gesehen."

Dieses Ergebnis ist aus der Judikatur aber nicht ableitbar. In den Erk. VfSlg. 8383/1978 und 8855/1980 nahm der VfGH eine verfassungskonforme Auslegung des zweiten Tatbestandes im §25 Abs1 Z3 EStG 1972 vor, indem er den Gedanken der Einmalbesteuerung zugrunde legte, und lehnte die Unterstellung einer vom Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer (als Gegenleistung für eine einmalige Zahlung) gewährten Individualrente unter diesen Tatbestand ab. Im Erk. VfSlg. 8472/1978 (und ebenso im Erk. VfSlg. 9256/1981) trat der VfGH jedoch in eine Erörterung der verfassungsrechtlichen Problematik der Leistungsseite überhaupt nicht ein.

5. a) Unter der (wie schon dargelegt: verfehlten) Prämisse einer Abkehr des VfGH von seiner Vorjudikatur meint die Bundesregierung,

"daß im Erkenntnis VfSlg. 5726 der VfGH keine Zweifel daran hegte, das es das Gleichheitsgebot zulasse, 'Gegenleistungen für die Übertragung von Wirtschaftsgütern zu den der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften' zu zählen und zu besteuern. Hier relativierte der VfGH also selber den von ihm an anderer Stelle genannten Grundsatz, eine Mehrfachbesteuerung sei an sich schon verfassungswidrig."

Auch diese Behauptung trifft nicht zu. Zur Widerlegung (und zwar auch der von ihr als Voraussetzung ausgehenden weiteren Ausführungen) genügt es, auf folgende Darlegung im Erk. VfSlg. 5726/1968 hinzuweisen (die im Erk. VfSlg. 6409/1971 bekräftigt wurden):

"b) Die durch die Einkommensteuernovelle 1964 geschaffene Bestimmung des §22 Z1 zweiter Satz EStG 1953, wonach im Falle wiederkehrender Bezüge, die als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet werden, nur die den Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt der Übertragung übersteigenden Bezüge steuerpflichtig sind, hält der VfGH für sachlich begründet und daher für verfassungsrechtlich unbedenklich. Durch diese Bestimmung wird nämlich einem Grundgedanken des EStG 1953, daß die Veräußerung von Privatvermögen, soweit diese nicht von besonderen Tatbeständen steuerlich erfaßt wird (zB §§16a, 17 und 23), als bloße Vermögensumschichtung steuerlich unbeachtlich ist, entsprochen.

c) Für die in §22 Z1 EStG 1953 im letzten und im damit inhaltlich zusammenhängenden vorletzten Satz enthaltene Regelung über die konkrete Festsetzung des 'Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt der Übertragung' kann jedoch eine sachliche Rechtfertigung nicht gefunden werden. Die um die zulässigen Absetzungen (§17, §99) gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten und (bei unentgeltlichem Erwerb eines Wirtschaftsgutes) der um diese Absetzungen gekürzte Betrag, den der Empfänger für das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des unentgeltichen Erwerbes hätte aufwenden müssen, sind rechnerische Größen, die in keiner sachlichen Beziehung zu dem Wert stehen, dessen Festsetzung sie beinhalten.

Diese Regelung ist nicht geeignet, den auf die Vermögensumschichtung entfallenden Teil der wiederkehrenden Bezüge von der Besteuerung auszuschließen."

b) Letztlich räumt die Bundesregierung zwar ein, daß "§25 Abs1 Z3 eine steuerliche Entlastung des kapitalisierten Wertes der Rentenversicherung nicht vorsieht", meint aber, es liege

"hier nur scheinbar eine unterschiedliche Behandlung von Gleichem vor: Der Gesetzgeber hat nämlich bei der Festsetzung der Relation der Beiträge zur freiwilligen Höherversicherung im Verhältnis zu den zu erwartenden Pensionsleistungen bereits jene Steuerleistung miteinkalkuliert, die der Versicherte aufgrund des geltenden Steuersystems notwendigerweise im Zusammenhang mit den Versicherungsbeiträgen sowie mit den Leistungen der Sozialversicherung (im vorliegenden Fall: bei Auszahlung des besonderen Steigerungsbetrages) zu erbringen hat. Im Effekt wird ein gleichheitsgemäßes Ergebnis also dadurch erzielt, daß die Pensionsleistung aus der freiwilligen Höherversicherung höher ist als die Rentenleistung aus einer vergleichbaren privatrechtlichen Gegenleistungsrente und zwar um jenen Prozentsatz, der (bei Durchschnittsbetrachtung) der steuerlichen Mehrbelastung entspricht."

Diese Argumentation der Bundesregierung (die sie sodann durch rechnerische Beispiele zu erhärten sucht) ist jedoch von Grund auf verfehlt; eine derart verallgemeindernde (alle Pensionsbezieher gewissermaßen als eine einheitliche Gruppe wertende) Betrachtungsweise führt nämlich geradezu zu einer Verneinung des Prinzips der Einmalbesteuerung. Das Gesetz unterscheidet nicht etwa zwischen bestimmten typischen Fallgruppen, die es (mit gewissen tolerierbaren Unschärfen) einer Durchschnittsbetrachtung unterzieht, es sieht - worauf es hier entscheidend ankommt - nicht einmal ansatzweise vor, Pensionsteile einkommensteuerfrei zu belassen; das Gesetz unterzieht vielmehr ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse jenen Pensionsteil, der auf die (freiwillige) Höherversicherung zurückzuführen ist, schon von Anfang an voll der Einkommenbesteuerung, also bereits dann, wenn der Gegenwert der zur Höherversicherung einbezahlten (versteuerten) Beiträge nicht einmal annäherungsweise erreicht ist. Im übrigen ist festzuhalten, daß das Vorbringen der Bundesregierung, es sei eine bestimmte Steuerleistung miteinkalkuliert, ohne Nachweis geblieben ist.

6. §25 Abs1 Z3 EStG 1972 war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz

B-VG.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 B-VG.

Schlagworte

Einkommensteuer, VfGH / Präjudizialität, Einkommensteuer, Einkunftsarten Arbeit nichtselbständige, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:G101.1984

Dokumentnummer

JFT_10159370_84G00101_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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