TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/8 B416/79

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Veröffentlicht am 08.10.1984
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
StVO 1960 §43 Abs2
StVO 1960 §45 Abs2

Leitsatz

StVO 1960; keine Bedenken gegen ein gemäß §43 Abs2 für einen bestimmten Ortsteil von Bad Hofgastein erlassenes Nachtfahrverbot; keine Verletzung des Gleichheitsrechtes und der Erwerbsausübungsfreiheit durch die Verweigerung einer Ausnahmegenehmigung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I 1. 1. Der Bf. ist nach seiner Darstellung Eigentümer der Liegenschaft Pyrkerstraße ... in Bad Hofgastein und betreibt auf dieser eine Tanzbar mit einem Nachtrestaurant.

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau hat mit V vom 19. Dezember 1975, Z III/3a-13394/28/Ho/75-Ni, für Teile des Ortsgebietes von Bad Hofgastein jahreszeitlich befristete Verkehrsgebote und -beschränkungen angeordnet. Die Befristung ist hinsichtlich des im weiteren Ortskern bestehenden allgemeinen Fahrverbotes mit V derselben Bezirkshauptmannschaft vom 12. November 1976, Z III/3a-13394/33/Ho/76-Ni, aufgehoben worden.

2.2. Am 22. Juni 1977 erließ die genannte Bezirkshauptmannschaft unter der Z III/3a/1339/11/Ho/77-Ni unter Bezugnahme auf §§43, 44 und 94b StVO folgende

"Verordnung

I. 1. a) In Abänderung der ha. Verordnung vom 19. 12. 1975, Z. III/3a-13394/28/Ho/75, wird das lt. dem einen wesentlichen Bestandteil der zit. Verordnung bildenden Lageplan (Anlage A) gem. Punkt Ia und IIc im weiteren Ortskern von Bad Hofgastein (ausgenommen im Bereich der mit Verordnung der Gemeinde Bad Hofgastein vom 6. 5. 1977, Z EAP 142/1/77/Ku eingerichteten Fußgängerzone) bestehende allg. Fahrverbot im Bereich der Pyrkerstraße südl. Richtung bis zur Kreuzung beim Haus Pyrkerstraße Nr. 55 ausgedehnt.

b) Ausgenommen von diesem Fahrverbot sind die Anrainer überhaupt sowie die übrigen Verkehrsteilnehmer von 06.00 bis 22.00 Uhr.

c) Die ha. Verordnung vom 12. 11. 1976 bleibt hiedurch unberührt.

2. An der Einmündung der Bahnhofstraße in die Gasteiner Bundesstraße ist das bestehende Verkehrszeichen "Halt" durch das Verkehrszeichen "Vorrang geben" zu ersetzen.

3. In Abänderung der ha. Verordnung vom 9. 12. 1976, Z III/3a-13394/3/Ho/76, wird für den Bereich des Autobusbahnhofes ein Fahrverbot, von welchem der Linienverkehr ausgenommen ist, verfügt.

II. Diese Verordnung ist gemäß §44 StVO 1960 durch Straßenverkehrszeichen nach §§52 Z1 und 52 Z23 StVO 1960, idgF kundzumachen."

3.1. Der Bf. stellte am 24. Mai 1978 bei der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau den Antrag, entweder das erweiterte Nachtfahrverbot in der Pyrkerstraße in Bad Hofgastein sogleich aufzuheben, damit die allgemeine Zu- und Abfahrt zu seinen beiden Betrieben wieder gewährleistet sei, oder ihm gemäß §45 Abs2 StVO eine in seinem und seiner Angestellten wirtschaftlichen Interesse und zum Wohle des Gasteiner Fremdenverkehres dringend erforderliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen, sodaß seine Gäste auch während der Zeit des Nachtfahrverbotes mit ihren Personenkraftwagen zu seinen Betrieben zu- und abfahren können.

3.2. Am 29. Jänner 1979 richtet die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau an den Vertreter des Bf. folgendes Schreiben:

"Zum Antrag auf Abänderung des mit ha. Verordnung vom 22. 6. 1977, Z III/3a-13394/11/Ho/77, im südlichen Ortsteil von Bad Hofgastein verfügten Nachtfahrverbotes erlaubt sich die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau mitzuteilen, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt, insbesondere im Hinblick auf den Beschluß der Gemeindevertretung Bad Hofgastein vom 10. 8. 1978 eine Einschränkung dieser Verkehrsbeschränkung im Sinne Ihres erwähnten Antrages nicht in Betracht gezogen werden kann."

3.3. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau, ohne Datum, Z 4.08-13394/9/Ho/79-Wi, wurde der Antrag des Bf. auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung von dem im Bereich der Südzufahrt (Pyrkerstraße) von Bad Hofgastein in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr geltenden Fahrverbot (Nachtfahrverbot) gemäß §45 Abs2 StVO abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, durch die Erteilung der Ausnahmegenehmigung solle den Gästen des Bf., sohin einem unbestimmten Personenkreis, während der Zeit des Nachtfahrverbotes das Zu- und Abfahren zu bzw. von seinen Betrieben ermöglicht werden. Aus der Formulierung der angeführten Gesetzesstelle gehe jedoch hervor, daß Ausnahmegenehmigungen nur für Straßenbenützungen des Antragstellers bzw. Straßenbenützungen durch vom Antragsteller unter Nennung der Kennzeichen angeführte Fahrzeuge erteilt werden könnten. Damit stehe fest, daß Ausnahmegenehmigungen gemäß dieser Bestimmung nicht generell erteilt werden dürfen, zumal bei Inanspruchnahme dieser Bewilligung der Lenker des in Betracht kommenden und im Bewilligungsbescheid angeführten Fahrzeuges diesen Bescheid mitführen müsse.

3.4. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die Sbg. Landesregierung mit Bescheid vom 14. August 1979, Z 9.01-14273/1-1979, gemäß §45 Abs2 StVO nicht Folge. In der Begründung des Bescheides verwies die Behörde auf die Begründung des Bescheides der ersten Instanz und fügte hinzu, eine Bewilligung nach §45 Abs2 StVO könne für alle Straßenbenützungen des Antragstellers von der annähernd gleichen Art für die Dauer von höchstens zwei Jahren erteilt werden, wenn eine erhebliche Änderung der Verkehrsverhältnisse nicht zu erwarten sei. §45 StVO 1960 sei ausdrücklich mit "Ausnahme in Einzelfällen" überschrieben. Schon daraus ergebe sich, daß Ausnahmebewilligungen nicht generell erteilt werden dürften. Vielmehr könne eine solche Ausnahme nur einer bestimmten Person auf Antrag erteilt werden, wobei diese das Fahrzeug und das Kennzeichen zu bezeichnen habe. Einem Antrag, den Gästen des Bf., somit einem namentlich unbestimmten Personenkreis, eine Ausnahme vom Nachtfahrverbot gemäß §45 Abs2 StVO zu erteilen, habe von vornherein nicht stattgegeben werden können. Über den Antrag, das Nachtfahrverbot aufzuheben, habe von vornherein nicht bescheidmäßig abgesprochen werden können. Dieses Verbot sei durch V erlassen und könne nur durch V abgeändert oder aufgehoben werden. Eine Abänderung des durch V erlassenen Nachtfahrverbotes sei nicht Gegenstand des mit diesem Bescheid abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens.

4.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemäß Art144 B-VG erhobene Beschwerde, in der der Bf. die Aufhebung des Bescheides wegen Anwendung der gesetzwidrigen V der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 22. Juni 1977 und wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

4.2. Die Sbg. Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Ansicht äußerte, der Bf. sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden, und ein Erk. in diesem Sinn beantragte.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Eine Verletzung des vom Bf. geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Daß die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Gesetzesstellen mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stünden, wurde von der Beschwerde nicht behauptet. Auch beim VfGH sind im Hinblick auf den vorliegenden Beschwerdefall Bedenken in dieser Hinsicht nicht entstanden.

Der Bf. hegt indes das Bedenken, daß die oben angeführte V vom 22. Juni 1977 dem Sinngehalt des §43 StVO "zweifellos" widerspricht. Der VfGH vermag sich aus folgenden Erwägungen diesen Bedenken nicht anzuschließen: Gemäß §43 Abs2 StVO hat die Behörde zur Fernhaltung von Belästigungen, insbesondere auch von Lärmbelästigungen, wenn es zum Schutz der Bevölkerung oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch V zu bestimmen, daß Straßenteile dauernd mit allen Fahrzeugen nicht befahren werden dürfen. Daß durch das Zu- und Abfahren zu und von den Nachtbetrieben des Bf. eine erhebliche Lärmentwicklung gegeben ist, konnte der Verordnungsgeber nach dem zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen. Er räumt damit selbst eine erhebliche Lärmentwicklung durch die Fahrzeuge ein. Die V findet demnach in §43 Abs2 litb StVO ihre Deckung. Daran könnte sich auch nichts ändern, wenn - wie der Bf. behauptet - sich im gleichen Ortsbezirk in einer Entfernung von 100 m von den Betrieben des Bf. ein Hotel mit einer gleichartigen Bar befindet und in diesem Bereich ein Nachtfahrverbot nicht besteht (vgl. in dieser Hinsicht das zu §43 Abs1 StVO ergangene Erk. VfSlg. 7950/1976, S. 448).

1.2. Da im Beschwerdefall auch kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß die bel. Beh. den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte und der Bf. übrigens solches auch nicht behauptet, könnte der Bf. in seinem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

In dieser Hinsicht beschränkte sich der Bf. auf die Behauptung, daß bei der Verweigerung einer Ausnahmegenehmigung davon ausgegangen werden müsse, die einschreitenden Behörden hätten sich bei ihrer Willensbildung von Gründen der Willkür bestimmen lassen; deswegen liege ein eindeutiger Verstoß gegen Art7 B-VG vor. Der Bf. ließ es bei dieser Behauptung bewenden. Es besteht in Anbetracht dieses Sachverhaltes kein Anhaltspunkt dafür, daß sich die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht von sachlichen Gesichtspunkten leiten ließ.

Der Bf. ist daher durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B-VG bzw. Art2 StVO verletzt worden.

2.1. Der Bf. macht weiters geltend, er sei durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG verletzt worden.

2.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird mit Rücksicht auf den in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt nur verletzt, wenn einem Staatsbürger durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit untersagt wird, ohne daß ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist oder wenn bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige V in denkunmöglicher Weise angewendet worden ist (VfSlg. 8492/1979).

2.3. Bereits unter II.1. wurde ausgeführt, es bestehe kein Anhaltspunkt, daß die angewendeten Gesetzesstellen verfassungswidrig seien oder daß die angewendete V gesetzwidrig sei. Im übrigen wird in das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung durch den angefochtenen Bescheid schon deswegen nicht eingegriffen, weil durch ihn weder der Antritt noch die Ausübung einer Erwerbsbetätigung untersagt wird. Der Bf. ist daher durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt worden.

3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist vom Bf. nicht behauptet worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Der Bf. ist demnach durch den angefochtenen Bescheid nicht in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides kann der Bf. auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sein.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Straßenpolizei, Nachtfahrverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B416.1979

Dokumentnummer

JFT_10158992_79B00416_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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