TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/14 G66/83, G67/83, G74/83

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Veröffentlicht am 14.06.1985
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10 Abs1 Z4
B-VG Art13
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-KUVG-Nov 11., BGBl 592/1981 ArtIII
B-KUVG-Nov 12., BGBl 78/1983 ArtIII
ASVG-Nov 38., BGBl 647/1982 ArtIX Abs7
ASVG §32 Abs1
ASVG §447g
VfGG §62 Abs1, §62 Abs2

Beachte

Kundmachung am 14. Juni 1985, BGBl. 412/1985 und am 22. Oktober 1985, AÖFV 246/1985

Leitsatz

Art140 Abs1 B-VG; Antrag 1. der BVA und 2. von 76 NR-Abgeordneten auf Aufhebung der ArtIII der 11. und 12. B-KUVG-Nov., BGBl. 592/1981 und BGBl. 78/1983, mit denen die BVA jeweils zur Leistung bestimmter Beträge an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger verpflichtet wurde; Zulässigkeit des Antrages der BVA; Zulässigkeit des Antrages der NR-Abgeordneten im Hinblick auf §62 Abs1 und 2 VerfGG 11. und 12. B-KUVG-Nov. ArtIII; Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger ein Sondervermögen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger; Geldleistungen an diesen keine Abgaben iS des F-VG; kein persönlicher und kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Sozialversicherung nach dem B-KUVG und der Pensionsversicherung nach dem ASVG; Versicherungsgemeinschaft in der Sozialversicherung reicht nur so weit, als einer Beitragsverpflichtung im Prinzip ein Leistungsanspruch gegenübersteht; in den ArtIII getroffene gesetzliche Anordnung der Überweisung von Geldbeträgen durch die BVA an den Ausgleichsfonds mit Rücksicht auf §447g ASVG sachlich nicht gerechtfertigt

Spruch

ArtIII des BG vom 9. Dezember 1981, BGBl. 592, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird, und ArtIII des BG vom 3. Feber 1983, BGBl. 78, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (im folgenden "BVA" genannt) stellte gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG die Anträge, a) ArtIII des BG vom 9. Dezember 1981, BGBl. 592/1981, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wurde (im folgenden "11. B-KUVG-Nov." genannt), und b) ArtIII des BG vom 3. Feber 1983, BGBl. 78/1983, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wurde (im folgenden "12. B-KUVG-Nov." genannt), zur Gänze kostenpflichtig als verfassungswidrig aufzuheben (G66, 67/83).

Die Anträge sind hinsichtlich ihrer Zulässigkeit wie folgt begründet:

Die BVA werde durch ArtIII der 11. B-KUVG-Nov. und ArtIII der 12. B-KUVG-Nov. unmittelbar kraft Gesetzes verpflichtet, bestimmte Beträge an einen unselbständigen Fonds (des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger) zu überweisen. Das Gesetz selbst regle die Beträge und die Fälligkeit eindeutig und sehe keine Ausnahmen und Befreiungsmöglichkeiten vor. Daher seien die genannten Bestimmungen "ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden". Die Antragstellerin sei aktuell und unmittelbar durch die beiden gesetzlichen Bestimmungen in ihrem Recht auf Nichtentzug ihres Vermögens beeinträchtigt. Ein für die Antragstellerin iS der Rechtsprechung des VfGH "zumutbarer Umweg" zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit der sie in ihren Rechten beeinträchtigenden gesetzlichen Bestimmungen sei nicht gegeben. Weder das B-VG noch die Bestimmungen über den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger (§447g ASVG) ermächtigten zu behördlichen Entscheidungen in Angelegenheiten der vorliegenden Art.

2. Die Antragstellerin erhob gegen den Bund gemäß Art137 B-VG beim VfGH auch Klage auf Rückersatz der durch die beiden angefochtenen Gesetzesstellen ihr zur Überweisung an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger vorgeschriebenen 623 Millionen Schilling (A33/83). Diese Klage wurde vom VfGH mit Erk. VfSlg. 10279/1984 abgewiesen.

3. In einem auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehren 76 Abgeordnete zum NR, ArtIII der 11. B-KUVG-Nov. und ArtIII der 12. B-KUVG-Nov. als verfassungswidrig aufzuheben.

4. In der Begründung wird ausgeführt, nach den angefochtenen Gesetzesbestimmungen habe die BVA an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger (§447g ASVG) aus den Mitteln der von ihr durchgeführten Krankenversicherung Beträge zu überweisen, und zwar

im Jahre 1982 gemäß ArtIII der 11. B-KUVG-Nov. einen Betrag von 23 Millionen Schilling, der am 20. September 1982 fällig geworden sei, und

im Jahre 1983 gemäß ArtIII der 12. B-KUVG-Nov. einen Betrag von 200 Millionen Schilling, der am 20. April 1983 fällig geworden sei, und einen Betrag von 400 Millionen Schilling, der am 20. September 1983 fällig geworden sei.

Aus den Mitteln der BVA als Träger der Krankenversicherung, die aus den Zwangsbeiträgen der nach dem B-KUVG Krankenversicherten gebildet würden, seien insgesamt 623 Millionen Schilling an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger der nach dem ASVG Pensionsversicherten zu überweisen. Ein besonderer materieller Rechtsgrund für diese gesetzlichen Anordnungen bestehe nicht. Als Motiv sei in der RV zur 12. B-KUVG-Nov. lediglich die Entlastung des Bundeshaushaltes angegeben. Dazu sei folgendes in Erinnerung zu rufen: Gemäß §80 Abs1 ASVG habe der Bund jährlich in einem bestimmten - in den letzten Jahren stets verringerten - Maße den Abgang der Pensionsversicherung nach dem ASVG zu finanzieren. §447g Abs7 ASVG bestimme jedoch, daß bei der Ermittlung des Bundesbeitrages nach §80 ASVG die Überweisungen an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger (§447g ASVG) als Erträge gelten. Dies bedeute, daß die Leistungspflicht des Bundes umso geringer sei, je größer die im Rahmen des Ausgleichsfonds, aus welchen Quellen auch immer, verteilten Mittel seien. Damit habe der Bund durch "Abzweigung" von Mitteln der BVA seine eigene Leistungspflicht gegenüber den Pensionsversicherungsträgern nach dem ASVG um insgesamt 623 Millionen Schilling vermindert.

5. Im übrigen sind die Begründungen der beiden Anträge der BVA und der 76 Abgeordneten nahezu wörtlich gleich. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird im folgenden die Begründung des Antrages der BVA wiedergegeben:

"1. Die Finanzen der BVA

A. Aufbringung

Die Mittel zur Bestreitung der Aufwendungen in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG werden nach seinen §§18 und 22 grundsätzlich je zur Hälfte von den Pflichtversicherten und von deren Dienstgebern geleistet.

Darüber hinaus hat der Dienstgeber gemäß §22 Abs3 B-KUVG einen Zuschlag zu diesen Beiträgen zur Bestreitung von Auslagen der erweiterten Heilbehandlung zu entrichten.

Pflichtversicherte sind gemäß §1 Abs1 B-KUVG in erster Linie 'die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, einem Bundesland, einem Gemeindeverband oder einer Gemeinde stehenden Dienstnehmer'. Als Dienstgeber gilt gemäß §13 Abs1 B-KUVG vor allem 'die Körperschaft, die den Bediensteten angestellt hat'.

Über die Dienstgeberbeiträge hinausgehende Zuschüsse oder Beiträge von seiten des Bundes erhält die BVA nicht.

B. Verwendung

Die auf diese Weise aufgebrachten Mittel dürfen gemäß §27 Satz 1 B-KUVG 'nur für die gesetzlich vorgeschriebenen oder zulässigen Zwecke verwendet werden'.

Dabei handelt es sich um folgendes:

a) Im Vordergrund der Verwendung der Mittel der Krankenversicherung stehen die Leistungen der Krankenversicherung gemäß §52 B-KUVG:

Gesundenuntersuchungen

Ärztliche Hilfe

Heilmittel

Heilbehelfe

Zahnbehandlung

Zahnersatz

Anstaltspflege

Mutterschaftsleistungen

Bestattungskostenbeitrag

Fahrtspesen und Transportkosten

b) Weiters kann die BVA gemäß §79 B-KUVG, unter Bedachtnahme auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und die ihr im Rahmen der erweiterten Heilbehandlung zur Verfügung stehenden Mittel gemäß den §§70a und 70b Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit und Maßnahmen der Rehabilitation gewähren'.

Diese und weitere Bestimmungen des Gesetzes (zB §§51 Abs2, 54 Abs2, 72 B-KUVG) ermächtigen zur Erbringung bestimmter 'freiwilliger Leistungen'.

c) Überdies ist die BVA ermächtigt, bestimmte gemeinnützige Einrichtungen zu fördern und zu unterstützen, soweit dadurch ihre Aufgabenerfüllung nicht gefährdet wird (§51 Abs3 B-KUVG).

d) Durch die Verweisung auf die einschlägigen Bestimmungen des ASVG erwachsen Rechte und Pflichten zur Abdeckung des Verwaltungsaufwandes (einschließlich des Personalaufwandes, der satzungsmäßigen Beiträge an den Hauptverband, der Aufsichtskosten, der schiedsgerichtlichen Verfahrenskosten udgl.) und des Kontroll- und Verrechnungsaufwandes.

e) Zu den zulässigen Zwecken gehören gemäß §27 Satz 2 B-KUVG 'auch die Aufklärung und Information im Rahmen der Zuständigkeit der Versicherungsanstalt'.

f) Weiters darf die BVA einen Unterstützungsfonds für Notfälle anlegen (§§28 und 29 B-KUVG).

g) Aufgrund der §§447 f und 322a ASVG ist die BVA schließlich verpflichtet, zur Krankenanstaltenfinanzierung beizutragen.

C. Verwendung von Gebarungsüberschüssen

Soweit sich im Rahmen dieser Gebarung Überschüsse ergeben, regelt das Gesetz ihre Verwendung:

a) Überschüsse bei den Mitteln der erweiterten Heilbehandlung sind gemäß §151 Abs3 B-KUVG einer 'gesonderten Rücklage' zuzuführen. (FN 1)

b) Aus §29 Abs1 B-KUVG ist zu erschließen, daß aus dem Gebarungsüberschuß im Bereich der Krankenversicherung nur ein begrenzter Betrag dem Unterstützungsfonds zugewiesen werden darf.

c) Im übrigen fließen Überschüsse in die 'allgemeine Rücklage', deren Mittel nach den näheren Bestimmungen des §152 B-KUVG anzulegen sind.

Da es in diesem Zweig der Sozialversicherung keine den §§80 Abs1 ASVG, 34 Abs2 GSVG und 31 Abs4 BSVG vergleichbare 'Ausfallhaftung' des Bundes gibt und da sich der Kreis der satzungsmäßigen Leistungen (§54 Abs2 B-KUVG) nach dem finanziellen Spielraum bestimmt, ist die BVA verpflichtet, nach Möglichkeit solche Reserven zu halten (vgl. zu den 'Grundsätzen einer rationellen und vorsorgenden Gebarung' bereits VfSlg. 4072/1961).

Über diese Gebarung ist ein Jahresvoranschlag aufzustellen. Die Rechnungsabschlüsse sind dem Bundesminister für soziale Verwaltung vorzulegen (§§150, 151 B-KUVG).

Für die derzeitige finanzielle Situation der BVA im Bereich der Krankenversicherung ist die Entwicklung seit dem Jahr 1977 maßgebend. Der Gesetzgeber hat die Beiträge in der Krankenversicherung mit der Novelle BGBl. 707/1976 mit Wirkung vom 1. März 1977 von 5,7 vH auf 6 vH angehoben und mit Wirkung vom 1. Jänner 1978 mit 6,4 vH der Beitragsgrundlage festgesetzt. Gleichzeitig wurden damals weitere für eine Erhöhung des Beitragsaufkommens wirksame Maßnahmen ergriffen. Grund für diese Novelle war die Notwendigkeit einer Sanierung der finanziellen Situation der BVA (vgl. 285 BlgNR XIV. GP), da es in den Jahren 1975 und 1976 im Bereich der Krankenversicherung zu Ausgabenüberhängen gekommen war. Diese - von den Beitragspflichtigen getragenen - Sanierungsmaßnahmen wurden als erster Schritt verstanden, da es 'deutlich erkennbar' schien, 'daß die vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen für spätere Jahre nicht mehr ausreichen werden'. Dennoch erreichte die BVA infolge äußerst sparsamer Gebarung in der Folge positive Jahresabschlüsse, obgleich sie durch die Novelle BGBl. 648/1977 zur Beitragsleistung für die Krankenanstaltenfinanzierung verpflichtet wurde.

In einer späteren Novelle ergriff der Gesetzgeber weitere gebarungswirksame Maßnahmen (zB mehrmalige Erhöhung der Rezeptgebühr, Verringerung des Aufwandes für Heilbehelfe, Verringerung des Aufwandes an Bestattungskostenbeiträgen).

Aus alledem ergaben sich in den Jahren nach 1977 bei der BVA Überschüsse (vgl. dazu 1313 BlgNR XV. GP S 5).

Diese haben nicht zuletzt für das derzeit im Bau befindliche neue Amtsgebäude der Hauptgeschäftsstelle sowie für den Neubau eines Rehabilitationszentrums Bedeutung - für Projekte, für die bereits gemäß §153 Abs1 B-KUVG die Genehmigung des Bundesministers für soziale Verwaltung vorliegt.

Erstmals in ArtIII der 11. B-KUVG Novelle, BGBl. 592/1981, sah sich der Bundesgesetzgeber veranlaßt, Mittel aus diesen gesetzmäßigen und zweckgewidmeten Rücklagen (FN 2) für die Zwecke der Pensionsversicherung nach dem ASVG 'abzuzweigen'. Die Regierungsvorlage (911 BlgNR XV. GP S 4 ff.) begründete dies mit der 'Entlastung des Bundeshaushaltes' und wies darauf hin, daß diese 'finanzielle Maßnahme eine Begleitmaßnahme zum Bundesvoranschlag 1982 darstellt'.

War der damals zweckentfremdete Betrag von 23 Millionen Schilling für die BVA als einmalige Leistung noch verkraftbar gewesen, so hat der Gesetzgeber mit der nunmehr vorgeschriebenen 'Abzweigung' von 600 Millionen Schilling (ArtIII der 12. B-KUVG Novelle, BGBl. 78/1983) jede eigenständige Gebarung und längerfristige Finanzplanung der BVA unmöglich gemacht und gleichzeitig die Geschäftsstellen der BVA für ihre sparsame Gebarung, für die Sorgfalt bei der Prüfung von Anspruchsvoraussetzungen und für die Zähigkeit bei der Eintreibung von Außenständen 'bestraft'. Die verfassungsrechtlich verankerte Selbstverwaltung der BVA, die auch ein Minimum an autonomer Finanzplanung umfaßt, ist dadurch essentiell beeinträchtigt.

Für die Pflichtversicherten bedeuten diese Maßnahmen, daß mit ihren - sanierungsbedingt hoch festgesetzten - Krankenversicherungsbeiträgen Pensionsleistungen anderer Personen finanziert werden. Es ist wohl sachlich gerechtfertigt, wenn Pensionsleistungen aus allgemeinen Budgetmitteln - und damit nach gleichen Maßstäben von der Allgemeinheit der Steuerzahler - mitfinanziert werden. Es ist aber nicht einzusehen, warum gerade der Kreis der nach dem B-KUVG krankenversicherten Personen im Jahre 1983 knapp 1000 S pro Beitragspflichtigem für die ASVG-Pensionen zahlen soll.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß die Mittel der Krankenversicherung der BVA zur Gänze auf Beiträge der Dienstnehmer und der Dienstgeber zurückgehen. (FN 3)

Von den zirka 300000 bei der BVA krankenversicherten Personen sind nur zirka 60 vH Bundesbeamte, während knapp 40 vH Landes- und Gemeindebedienstete sind. Da der Dienstgeber, wie gezeigt, die um einen Zuschlag vermehrte Hälfte der Beitragspflicht zu tragen hat, stammen somit 20 vH dieser Mittel der Krankenversicherung aus den Haushalten der Länder und der Gemeinden. Für die Länder und Gemeinden bedeutet dies, daß aus ihren 'Lohnnebenkosten' Leistungen des Bundes für Personen finanziert werden, zu denen sie in keinem Beitragspflichtverhältnis stehen.

2. Die kompetenzrechtliche Beurteilung

A. 'Sozialversicherungswesen' (Art10 Abs1 Z11 B-VG)

Der VfGH hat bereits im Erkenntnis VfSlg. 2841/55 festgestellt, daß 'es schon im Wesen der Sozialversicherung selbst liegt, daß zur Beitragsleistung ein bestimmter Personenkreis, der sich nach generellen und objektiven Merkmalen bestimmt, herangezogen wird, und daß zumindest theoretisch, wiederum auch jeder aus diesem Personenkreis unter bestimmten objektiven Voraussetzungen auch in den Genuß dieser Versicherungsprämie ... kommen kann. Nun ist selbstverständlich auch der Gesetzgeber bei der Abgrenzung des versicherungspflichtigen Personenkreises wie auch bei der Festsetzung der Bedingungen, bei deren Zutreffen die Versicherungsprämie zu gewähren ist, an die im Art7 B-VG normierten Grundsätze gebunden'.

Im Erkenntnis VfSlg. 3721/1960 betont der Gerichtshof, 'daß alle Pflichtversicherten eine Riskengemeinschaft darstellen', so daß innerhalb des jeweiligen Versicherungssystems zu prüfen sei, ob Beitragsdifferenzierungen sachlich gerechtfertigt sind (vgl. auch VfSlg. 3723/1960). Diese Berufsgruppenbezogenheit rechtfertigt allein die Unterschiede im Beitrags- und Leistungsrecht zwischen den einzelnen Versicherungssystemen (VfSlg. 3721/1960, 4238/1962, 4714/1964, G25, 75/81 vom 12. März 1982 ua.). Im Erkenntnis VfSlg. 4714/1964 stellt der Gerichtshof fest, 'daß die Sozialversicherung von dem Grundgedanken getragen wird, daß die Angehörigen eines Berufsstandes eine Riskengemeinschaft bilden, in der der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht, der den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückdrängt ... Über den individuellen Sonderinteressen stehen die gemeinsamen Interessen der in der Pflichtversicherung zusammengeschlossenen Personen. Die Riskengemeinschaft ist eine Solidaritätsgemeinschaft. Dieser Gemeinschaftsgedanke ist für die Sozialversicherung typisch und wesentlich' (vgl. auch VfSlg. 6947/1972, 7047/1973).

Auch in weiteren Erkenntnissen betont der VfGH (VfSlg. 5241/1966, 6015/1969), daß die Angehörigen der einzelnen Sozialversicherungsgemeinschaften jeweils eine Riskengemeinschaft bilden.

Aus dieser Judikatur wird deutlich, daß zum ersten das Sozialversicherungsrecht durch eine Pluralität von Riskengemeinschaften charakterisiert ist, und daß zum zweiten der Kreis der Pflichtversicherten jeweils im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe sachlich (Art7 B-VG) umschrieben sein muß.

Dementsprechend hält auch der vom Hauptverband herausgegebene 'Schulungsbehelf für die Verwaltungsangestellten bei den Sozialversicherungsträgern', Band 1, Seite 25 f., fest: 'Das Wesen der Sozialversicherung besteht in der Schaffung von Riskengemeinschaften, die die gegenseitige Verbundenheit des einzelnen und der Gemeinschaft und ihr Eintreten füreinander in den Wechselfällen des Lebens bezwecken ... Die Sozialversicherung ... ist eine Sicherung besonderer Art, bei der neben dem Riskenausgleich von entscheidender Bedeutung der soziale Ausgleich ist. Beiträge und Leistungen werden nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt. Die Höhe der Beiträge richtet sich in der Regel nicht nach dem zu versichernden Risiko, sondern nach der Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherten ... Ein für die Sozialversicherung typisches Merkmal ist der Versicherungszwang. Die Riskengemeinschaft kommt erst durch einen Akt des Gesetzgebers zustande, in dem dieser die von gleichartigen Gefahren bedrohten Personen zu einer organisierten Versichertengemeinschaft zusammenschließt und den hiefür zuständigen Versicherungsträger bestimmt.'

Tatsächlich erweist eine Analyse der Rechtslage zum Versteinerungszeitpunkt (1. Oktober 1925) das Nebeneinanderbestehen jeweils eigener Versicherungen für die einzelnen Berufsgruppen. Die Rechtslage des Jahres 1925 (vgl. die Rechtsquellenübersicht bei Ladislav 1. ÖJT, S 13 f.) regelte die einzelnen Versicherungsgemeinschaften als je und je finanziell autonome Einrichtungen, die jeweils eigene Rücklagen zu halten hatten. Hinsichtlich der gebotenen Reservenbildung bestand nur insofern ein Unterschied, 'als die Träger der Krankenversicherung zwar über ein ihre laufenden Ausgaben deckendes Einnahmenbudget verfügen müssen, im übrigen aber mangels festübernommener Zukunftsverpflichtungen auf eine stärkere Reservenbildung verzichten können. Wenn einzelne gut geführte Kassen dennoch Rücklagen vornehmen, so geschieht dies nur vorsichtsweise, um Krisenzuständen gegenüber einen Rückhalt zu gewinnen. Anders steht es bei der Rentenversicherung, wo auch beim Aufwandsdeckungsverfahren Schwankungsreserven gebildet werden müssen, die dazu bestimmt sind, das Ansteigen der Beiträge zu mildern' (Lederer, Grundriß des österreichischen Sozialrechtes, Wien 1929, S 511).

Nach dem ein Jahr später erlassenen AngVG waren die Überschüsse aus der Jahresgebarung aus der Krankenversicherung dem Reservefonds, die Überschüsse aus der Jahresgebarung der Unfall- und Pensionsversicherung dem Fonds zur Sicherstellung der Reserven und Anwartschaften (Deckungsreserven) zuzuweisen. Lederer (aaO S 575) bemerkte dazu: 'Durch diese Reservenbildung werden solide Unterlagen für die Vermögensgebarung der Versicherungsträger geschaffen, ohne daß, wie dies beim früheren Kapitaldeckungsverfahren der Fall war, der Volkswirtschaft allzu bedeutende Geldmittel entzogen werden'.

Es ist hier festzuhalten, daß das am 1. Oktober 1925 geltende Sozialversicherungsrecht keinen Finanzausgleich zwischen den berufsgruppenspezifischen Versicherungssystemen, insbesondere keine Überweisungen aus Reservemitteln einer Solidaritätsgemeinschaft zugunsten einer anderen Solidaritätsgemeinschaft kannte.

Finanzielle Transaktionen waren in dem vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundenen Sozialversicherungsrecht nur in den folgenden Zusammenhängen vorgesehen:

a) Die Krankenkassen erhielten aus der Arbeitslosenversicherung eine Entschädigung für den Verwaltungsaufwand, der ihnen aus der Einhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge erwuchs.

b) 'Überweisungen' waren nach dem damals geltenden Recht lediglich im Zusammenhang mit dem Wechsel eines Versicherungsträgers durch einen Versicherten bekannt.

c) Letztlich sahen die Gesetze auch die Möglichkeit vor, daß sich mehrere Kassen zu Verbänden für die einheitliche und zweckmäßige Besorgung gemeinsamer Angelegenheiten (zB Heilmittelankauf, Betrieb gemeinsamer Anstalten und Heime, Anstellung gemeinsamer Beamter und Kontrollorgane ua.) zusammenschließen.

d) Gemeinsame finanzielle Einrichtungen, wie die Unterstützungsfonds der Träger der Angestelltenversicherung zu Sozialhilfezwecken, wurden erstmals 1929 geschaffen. Sie waren allerdings noch immer berufsgruppenspezifisch umschrieben.

Es ist in diesem Zusammenhang auch interessant festzuhalten, welche Bedeutung der Gesetzgeber der berufsgruppenspezifischen Riskentrennung beimaß. Als sich nämlich aufgrund von Berechnungen über die gemeinsame Stellenlosenversicherung der Arbeiter und der Angestellten ergab, daß die Angestellten benachteiligt würden, faßte der Nationalrat anläßlich der Beratungen über die II. Novelle zum AngVG einstimmig eine Resolution, in der die Bundesregierung aufgefordert wurde, für eine vollständige Riskentrennung zwischen der Stellenlosenversicherung der Angestellten und der Arbeitslosenversicherung der Arbeiter vorzusorgen (Text bei Kerber,

Das Angestelltenversicherungsgesetz, Wien 1929, S 102; vgl. dazu Lederer aaO S 513 sowie Kerber aaO S 97 f.).

Im Hinblick auf die Sonderstellung der Krankenversicherung der öffentlich-rechtlich Bediensteten ist noch erwähnenswert, daß ArtVII der Novelle BGBl. 429/1923 zum Krankenversicherungsgesetz der Staatsbediensteten ausdrücklich anordnete, daß eine gegenseitige Vergütung für gewährte Versicherungsleistungen zwischen der Krankenversicherungsanstalt der Bundesangestellten, den nach dem Krankenversicherungsgesetz eingerichteten Kassen und den Krankenfürsorgeinstituten nicht stattfinden soll.

Aus alledem ist ersichtlich, daß die vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundene Rechtslage des 'Sozialversicherungswesens' auf je und je gesondert umschriebenen und betriebenen berufsgruppenspezifischen Risken- und Solidaritätsgemeinschaften aufbaut, zwischen denen ein die Berufsgruppen übergreifender Finanzausgleich nicht stattfinden sollte. Der Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' (Art10 Abs1 Z11 B-VG) ermächtigt daher den Bundesgesetzgeber nicht zu Finanztransaktionen, die die Riskengemeinschaften als Solidaritätsgemeinschaften nachgerade zerstören.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß der VfGH ua. gerade anhand dieses Kompetenztatbestandes betont hat, daß die Anwendung der 'Versteinerungstheorie' bei der Auslegung der Kompetenztatbestände die 'intrasystematische Fortentwicklung' der gesetzlichen Materien nicht ausschließen. In diesem Sinn kann zB die Einbeziehung neuer Personengruppen in die Systeme der Sozialversicherung (VfSlg. 3670/1960, 4072/1961) oder die inhaltliche Ausgestaltung des Leistungsrechtes eine zulässige Neugestaltung des Sozialversicherungsrechtes sein (vgl. dazu Winkler in Tomandl (Hg), Sozialversicherung: Grenzen des Leistungsrechts, Wien 1975, S 8 ff.). Es kann aber die 'Abzweigung' von Mitteln eines Krankenversicherungsträgers zugunsten der Pensionsversicherung anderer Berufsgruppen keinesfalls als eine 'intrasystematische Fortentwicklung' des vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundenen Sozialversicherungsrechtes gedeutet werden; vielmehr ist eine solche Maßnahme systemzerstörend.

Dazu kommt noch ein weiteres: In seinem Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 (bestätigt in VfSlg. 7047/1973) hat der VfGH ausdrücklich festgehalten, daß sich eine Bestimmung, die zur Folge hat, 'daß Personen, die außerhalb der Pflichtversicherung stehen, verpflichtet sind, an der Aufbringung der Mittel für (eine andere Sozialversicherung) teilzunehmen,' nicht auf den Kompetenztatbestand des Art10 Abs1 Z11 B-VG stützen könne. Genau dieser Sachverhalt ist jedoch im vorliegenden Zusammenhang gegeben: Ein Versicherungsträger und die darin zusammengefaßte Personengemeinschaft werden durch die vorliegende Bestimmung verpflichtet, zur Finanzierung der Leistungen an Angehörige einer anderen Versicherungsgemeinschaft beizutragen, ohne daß sie auch nur theoretisch (vgl. dazu VfSlg. 2841/1955, 3723/1960, 6015/1969, 7047/1973) in den Genuß einer Gegenleistung kommen können. Die vorliegenden Bestimmungen können sich daher nicht auf den Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' in Art10 Abs1 Z11 B-VG stützen.

Diesem Ergebnis können auch nicht die Erkenntnisse VfSlg. 3846/1960 und 4072/1961 entgegengehalten werden, in denen der VfGH ausgesprochen hat, daß Vorschriften, die 'die Deckung des Aufwandes eines Sozialversicherungsträgers zum Gegenstand haben,' unter den Kompetenztatbestand 'Sozialversicherungswesen' einzuordnen seien.

Diese Aussagen können wohl nicht schlechthin gelten, unabhängig davon, wie und von wo die fraglichen Mittel herkommen. In der Tat ging es in den genannten Erkenntnissen um Vorschriften über die Beitragspflicht der Versicherten zur Unfallversicherung. Und 'dieser Beitragsleistung steht die für die Unfallversicherung typische Gegenleistung gegenüber, nämlich die Abnahme des Risikos ... Dieser Umstand macht den entscheidenden Unterschied (gegenüber dem Erkenntnis VfSlg. 3670/1960) aus'! Im vorliegenden Zusammenhang wird der BVA und dem in ihr zusammengeschlossenen Personenkreis jedoch keinerlei Risiko abgenommen. Daher gilt in Übereinstimmung mit dem Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 der Befund, daß sich die vorliegenden Bestimmungen der jüngsten Novellen zum B-KUVG nicht auf Art10 Abs1 Z11 B-VG stützen können.

Schließlich könnte gegen dieses Ergebnis noch vorgebracht werden, daß der VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 6039/1969 eine Bestimmung, derzufolge Mittel der Unfallversicherung an andere, auf Grund desselben Gesetzes errichtete Versicherungsträger zu überweisen waren, nicht als verfassungswidrig aufgehoben hat. Dem Erkenntnis lag allerdings eine Beschwerde eines Dienstgebers zugrunde, der die vorgeschriebenen Versicherungsbeiträge als überhöht rügte. Der Gerichtshof erachtete die gesetzliche Regelung über die Beitragshöhe als nicht unsachlich, auch wenn sich dadurch Überschüsse ergaben, die aufgrund einer anderen Gesetzesbestimmung zum Teil an andere Versicherungsträger nach dem ASVG zu überweisen waren. Da das ASVG verschiedene Beitragspflichten kenne, 'wäre ja auch eine andere Aufteilung der Beiträge auf den Versicherten und den Dienstgeber möglich,' um den gebotenen finanziellen Ausgleich zu bewirken.

Im vorliegenden Zusammenhang braucht zu diesem Erkenntnis nur festgehalten zu werden, daß der VfGH darin wohl auch einige andere Fälle von Finanztransaktionen nach dem Jahre 1948 erwähnte, gewissermaßen um darzutun, daß es sich um keinen isolierten Fall handle, daß er aber die Vereinbarkeit der Regelung mit der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung nicht geprüft hat und nach dem Beschwerdevorbringen auch nicht zu prüfen brauchte. Zum zweiten lag diesem Erkenntnis, wie noch im einzelnen darzulegen ist, ein gänzlich anders gearteter Fall zugrunde, nämlich ein berufsgruppeninternes Inkassomandat. Und zum dritten ist gerade das zentrale Argument, die Möglichkeit einer anderen Regelung der Beitragssätze, im Verhältnis zwischen den B-KUVG-Versicherten einerseits und den ASVG-Versicherten andererseits ebensowenig anwendbar wie im Falle einer Überweisungspflicht von der Pensionsversicherung der Notare an die Krankenversicherung der Bauern. Selbst wenn man also - wie in den vom VfGH aufgezählten Fällen - von der Zulässigkeit einer Überweisungspflicht zwischen verschiedenen Versicherungsträgern für Angehörige derselben Berufsgruppe ausgehen wollte, fände die vorliegende Überweisungspflicht zugunsten anderer Personengemeinschaften doch keine kompetenzrechtliche Deckung im Art10 Abs1 Z11 B-VG, da sie als eine die Berufsgruppenspezifität der Versicherungsgemeinschaften zerstörende Regelung mit dem vom VfGH rekonstruierten 'Wesen der Sozialversicherung' schlechthin unvereinbar wäre.

B. 'Öffentliche Abgaben' (Art10 Abs1 Z4 iVm. Art13 B-VG)

Bedenkt man, daß die Regierungsvorlagen zu den vorliegenden Bestimmungen expressis verbis von einer 'Entlastung des Bundeshaushaltes' sprechen, so liegt die Annahme nahe, daß es sich bei den vorliegenden Bestimmungen um Abgabenregelungen handelt. Tatsächlich liegt in wirtschaftlicher Betrachtungsweise folgender Sachverhalt vor:

1. aus den Krankenversicherungsbeiträgen jedes einzelnen B-KUVG-Versicherten erhält der Bund im Jahre 1983 jeweils knapp 1000 S;

2. aufgrund des §80 Abs1 ASVG hat der Bund den Abgang der Pensionsversicherungsträger nach ASVG abzudecken;

3. angesichts der Sondervorschrift des §447g Abs7 ASVG hat der Bundesgesetzgeber nunmehr diesen Kreislauf kurzgeschlossen, indem die BVA zur Entlastung des Bundeshaushaltes die fraglichen Teile der Krankenversicherungsbeiträge unmittelbar an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger überweisen soll.

Dieser 'Kurzschluß' ändert aber nichts daran, daß die fraglichen Mittel 'für den Bund' geleistet werden. Geldleistungen der vorliegenden Art sind jedenfalls, wie der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 betont hat, 'in Wahrheit Abgaben im wirtschaftlichen Sinn'.

Diese Aussage beinhaltet allerdings noch keine kompetenzrechtliche Qualifikation. Wie der VfGH im selben Erkenntnis ausgesprochen hat, sind solche 'Abgaben im wirtschaftlichen Sinn' keine sozialversicherungsrechtlichen Beiträge aufgrund des Art10 Abs1 Z11 B-VG, denn 'diese Beiträge haben ihre Wurzel in Mitgliedschaftsrechten'; sie sind aber auch keine 'Abgaben' im Sinne des F-VG. Denn der Gerichtshof hat bereits im Erkenntnis VfSlg. 3670/1960 betont, daß Geldleistungspflichten, die einem Sozialversicherungsträger, und damit einer von einer Gebietskörperschaft verschiedenen Körperschaft des öffentlichen Rechtes mit eigener Rechtspersönlichkeit zugute kommen, sich nicht auf das F-VG stützen können. Dementsprechend erklärte er die Geldleistungspflicht für unzuständigerweise erlassen und damit für verfassungswidrig. Im Erkenntnis VfSlg. 6039/1969 hat der Gerichtshof - angesichts einer Geldleistungspflicht der AUVA an andere Versicherungsträger - ebenfalls die Betrachtung in den Vordergrund gestellt, daß 'nicht Mittel der Unfallversicherung für Verpflichtungen des Bundes verwendet' würden, sondern 'daß Mittel der Unfallversicherung an andere Sozialversicherungsträger zu überweisen sind'. Dementsprechend hätten diese Bestimmungen 'keinen Inhalt, der die Annahme rechtfertigen ließe, daß Sozialversicherungsbeiträge in Wahrheit einer Gebietskörperschaft zufließen'. Der behauptete 'Verstoß gegen die Finanzverfassung (sei) daher nicht gegeben'.

Freilich ging es damals um eine direkte Leistung an bestimmte Versicherungsträger, während nunmehr die Leistung an einen Ausgleichsfonds vorgeschrieben ist, dessen Aufkommen nach der zwischenzeitlich erlassenen ausdrücklichen Bestimmung des §447g Abs7 ASVG die Beitragspflicht des Bundes entsprechend mindert. Angesichts dieses Umstandes und angesichts der unmißverständlichen Formulierungen in den Regierungsvorlagen zur 11. und zur 12. B-KUVG-Novelle ('Entlastung des Bundeshaushaltes') ist daher bei den nunmehr vorliegenden Bestimmungen die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß die Beiträge doch 'in Wahrheit einer Gebietskörperschaft zufließen'.

Deutet man daher die vorliegenden Bestimmungen als Abgabenregelungen im Sinne des F-VG, so sind sie verfassungswidrig: zum einen fehlt die Einordnung nach den §§6 und 7 Abs2 F-VG, zum anderen fehlt die bundesfinanzgesetzliche Verfügung gemäß Art51 B-VG. Dazu träte die Gleichheitswidrigkeit einer konfiskatorischen Individualbesteuerung.

C. 'Enteignung' (Art10 Abs1 Z6 B-VG)

Will man dagegen die vorliegenden Geldleistungspflichten aus formalen Erwägungen, die allerdings einer Umgehung der Finanzverfassung Tür und Tor öffnen würden, (FN 4) nicht als Abgaben im Sinne des F-VG deuten, so käme letztlich nur mehr der Kompetenztatbestand der Enteigung in Betracht. Auch eine solche Deutung stößt allerdings auf große Probleme. Zunächst stünde einer solchen Deutung nach der Judikatur wohl nicht entgegen, daß die Abtretungspflicht die BVA als juristische Person des öffentlichen Rechts trifft, da auch Körperschaften des öffentlichen Rechts von Enteignungen betroffen sein können (VfSlg. 1853/1949, 4570/1963, 7720/1975). Dieser Deutung stünde wohl auch nicht entgegen, daß die enteigneten Mittel letztlich einem Dritten (einer Nicht-Gebietskörperschaft) zugute kommen, da unter dem historisch zu verstehenden Enteignungsbegriff gegebenenfalls auch solche Fälle mitzubegreifen sind.

Als Vorschriften einer Legalenteignung gedeutet, wären die vorliegenden beiden Bestimmungen der 11. und der 12. B-KUVG Novelle allerdings verfassungswidrige 'Sonderopfer' (vgl. VfSlg. 6884/1972, 7234/1973, 7278/1974).

In Wahrheit ist aber mit dem Erkenntnis VfSlg. 4086/1961 festzuhalten, 'daß unter dem historisch auszulegenden Enteignungsbegriff nach §365 ABGB, Art5 StGG und Art10 Abs1 Z6 B-VG niemals Geldleistungen an die öffentliche Hand, wie Steuern, öffentlich-rechtliche Mitgliedsbeiträge und Sozialversicherungsbeiträge verstanden worden sind und demnach auch nicht zu verstehen sind'. Dagegen könnte nach dem oben Ausgeführten eingewendet werden, daß die vorliegenden Geldleistungspflichten gerade nicht dem traditionellen Begriff der Sozialversicherungsbeiträge entsprechen, sodaß das zitierte Erkenntnis darauf nicht anwendbar ist. Der VfGH hat aber in seinem Erkenntnis VfSlg. 5369/1966 noch deutlicher dargetan, daß 'von einer Enteignung nicht gesprochen werden kann, wenn die Maßnahme keinem bekannten Enteignungsfall in der österreichischen Rechtsordnung rechtsähnlich ist'.

Der österreichischen Rechtsordnung des Jahres 1925 waren aber Verpflichtungen von Selbstverwaltungskörpern zur Überweisung von Teilen ihres Verwaltungsvermögens an andere Selbstverwaltungskörper, soweit ersichtlich, gänzlich unbekannt.

Insgesamt gesehen ist daher der Auffassung der Vorzug zu geben, daß sich die beiden vorliegenden Bestimmungen nicht auf den Kompetenztatbestand des Art10 Abs1 Z6 B-VG ('Enteignung zum Zwecke der Sozialversicherung') stützen können. Da auch kein anderer einschlägiger Kompetenztatbestand in Frage kommt, bedeutet dies, daß der Bundesgesetzgeber überhaupt nicht zuständig ist, Bestimmungen der vorliegenden Art zu erlassen (vgl. auch VfSlg. 3670/1960).

Die beiden vorliegenden Bestimmungen sind daher schon aus diesem Grund verfassungswidrig.

3. Die Bestimmungen als diskriminierende Individual- und Maßnahmegesetze

Unabhängig von der Frage der kompetenzrechtlichen Beurteilung erweisen sich die vorliegenden Bestimmungen auch inhaltlich als unsachlich und damit als dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatz widersprechend. Diese Unsachlichkeit zeigt sich aus verschiedenen Blickrichtungen, die im folgenden in jeweils eigenen Abschnitten beleuchtet werden sollen.

Die vorliegenden beiden Bestimmungen der 11. und der 12. B-KUVG Novelle verpflichten einen Selbstverwaltungskörper, an einen Ausgleichsfonds anderer Versicherungsträger bestimmte einmalige Geldleistungen zu erbringen. Es handelt sich somit um Individual- und Maßnahmegesetze. Der VfGH hat zwar betont, daß im österreichischen Verfassungsrecht der Begriff des 'Gesetzes' nicht expressis verbis in der Bedeutung des 'allgemeinen Gesetzes' verankert sei. Dies schließt jedoch nicht aus, daß Individualgesetze grundsätzlich mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz unvereinbar sind.

Beispielsweise hat der VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 7720/1975 festgestellt, daß eine Sonderbestimmung damals 'lediglich mit Rücksicht auf die Person des Betroffenen' erlassen wurde und daß dies schon für sich 'sachlich nicht gerechtfertigt ist'. Der Gerichtshof hat auch schon früh hervorgehoben, daß es ebensowenig verfassungswidrig ist, wenn der Gesetzgeber einen konkreten Fall zum 'Anlaß' für eine gesetzliche Regelung nimmt, wie wenn diese gesetzliche Regelung 'zunächst und in erster Linie diesen Einzelfall treffen sollte, solange das Gesetz auch alle gleichen Fälle treffen kann und will'. Verfassungswidrig ist es aber, 'wenn die Formulierung des Gesetzes ausschließlich auf den Einzelfall abgestellt ist' (VfSlg. 2470/1953). Schließlich hat der Gerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 5854/1968 eine Individualregelung mit den Worten für verfassungswidrig erklärt: 'Das Unterscheidungsmerkmal ist also rein subjektiv; daher ist es unsachlich'.

Diese Judikatur ist gerade auch für die vorliegenden Bestimmungen von Bedeutung. Der Gesetzgeber hat nicht einmal den Versuch unternommen, das angestrebte finanzpolitische Ziel einer Entlastung des Bundeshaushaltes mittels eines allgemeinen Programms, das Leistungspflichten nach allgemeinen und dem Gleichheitssatz entsprechenden Gesichtspunkten umschreibt, zu erreichen. Statt dessen hat er isolierte konfiskatorische Maßnahmen ergriffen, die einen einzelnen Selbstverwaltungskörper diskriminieren. Weder die Notarversicherung noch - außer der BVA - ein anderer Krankenversicherungsträger sind verhalten, einen Beitrag zum Ausgleichsfonds der ASVG-Pensionsversicherung zu leisten. Eine derartige punktuelle Konfiskation von Mitteln eines Selbstverwaltungskörpers ist Willkür.

4. Die Unsachlichkeit der Regelung aus dem Blickwinkel des B-KUVG

Das B-KUVG regelt die Kranken- und Unfallversicherung von bestimmten öffentlich-rechtlichen Bediensteten.

Bei der Umschreibung des Kreises der pflichtversicherten Personen merkt der zitierte Schulungsbehelf (Band 2 S 69) an:

'Vorweg ist zu beachten, daß die nach dem B-KUVG Versicherten von der Vollversicherung nach dem ASVG ausgenommen sind.

Im allgemeinen handelt es sich um einen Personenkreis, dem drei dienstrechtliche Merkmale gemeinsam sind:

a) die Unkündbarkeit des Dienstverhältnisses (pragmatisches Dienstverhältnis);

b) die Anwartschaft auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse (Pensionsanspruch);

c) der Anspruch auf Weiterzahlung der Dienstbezüge im Erkrankungsfalle durch mindestens 6 Monate'.

Die von den Dienstgebern und Dienstnehmern aufzubringenden Mittel sind für die in diesem Gesetz geregelten Leistungen zu erbringen. Bundesmittel erhält die BVA daher nur insoweit, als der Bund für seine Beamten wie jeder Dienstgeber Dienstgeberbeiträge zu leisten hat. Bundesbeiträge nach der Art des §80 Abs1 ASVG oder des §447a ASVG erhält die BVA nicht.

Wenn der Bund daher nunmehr durch die Konzeption der Ausfallshaftung für einen anderen Zweig der Sozialversicherung, nämlich für die Pensionsversicherung eines anderen Personenkreises in finanzielle Schwierigkeiten kommt, so liefert dies keinerlei sachliche Begründung dafür, die Mittel eines beliebigen Selbstverwaltungskörpers zu seiner eigenen Entlastung zu konfiszieren.

Dazu kommt noch ein weiteres:

Die im B-KUVG zusammengefaßte Berufsgruppe ist nur zum Teil in das Sozialversicherungssystem eingebunden: der Ruhegenuß ist bei diesen Personen im öffentlich-rechtlichen Dienstrecht geregelt. Diese Vorsorgungssysteme stützen sich kompetenzrechtlich auf Art10 Abs1 Z16 B-VG und Art21 B-VG; sie sind historisch und strukturell mit dem Sozialversicherungsrecht nicht vergleichbar.

Der VfGH hat daher zu Recht jeden Vergleich zwischen diesen Systemen abgelehnt: 'Beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und bei der Materie des Sozialversicherungswesens handelt es sich um tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete. Dies gilt auch für die Pensionen (Renten)' (VfSlg. 5241/1966).

Das bedeutet, daß die im B-KUVG zusammengeschlossenen Personen von vornherein nicht in die Sozialversicherung einbezogen sind. Aus diesem Grund kommen zB wechselseitige 'vertikale Finanzhilfen' zwischen der Kranken- und Unfallversicherung einerseits und der Pensionsvorsorge andererseits - wie dies zB bei der Sozialversicherung der Bauern geschieht - bei diesem Personenkreis nicht in Betracht. Daher entfällt auch das in VfSlg. 6039/1969 ausschlaggebende Argument, daß es nur eine Frage des rechtspolitischen Ermessens des Gesetzgebers sei, ob er in den einzelnen Versicherungen die Beitragspflichten entsprechend modifiziert oder ob er einen direkten Finanztransfer vorsieht. Vielmehr sind die Beitragssätze nach dem B-KUVG ausschließlich auf die Bedürfnisse der Kranken- und Unfallversicherung dieser Personengruppen hin bemessen. Sollten Veränderungen im Leistungsrecht und Erhöhungen bei anderen Einnahmen (zB Rezeptgebühren) die Zwangsbeiträge als überhöht erscheinen lassen, so wird es im Sinne der 'Prognose'-Judikatur des VfGH (VfSlg. 8212/1977) Aufgabe des diese Beitragshöhen festsetzenden Gesetzgebers sein, sie aufgrund neuer Erfahrungen sachgemäß zu modifizieren. Da eine 'Umschichtung' von Mitteln der Krankenversicherung zugunsten der Pensionsvorsorge derselben Personengruppe aber von vornherein ausgeschlossen ist, ist eine Umschichtung dieser Mittel zugunsten der Pensionsversicherung anderer Personengruppen grob unsachlich.

Für die Versicherten bedeutet die vorliegende Transaktion eine rechtsgrundlose Zweckentfremdung ihrer Krankenversicherungsbeiträge, die im Ergebnis eine Zusatzsteuer für öffentlich-rechtliche Bedienstete bedeutet, da ihnen diese einmal geleisteten Mittel bei keiner denkmöglichen Betrachtung wieder zugute kommen können.

Für die Länder und Gemeinden bedeutet die Verpflichtung zu einer überhöhten Beitragsleistung bei faktischer Weiterverweisung eines Teiles des Aufkommens eine verschleierte Veränderung des Finanzausgleiches, da sie nunmehr insofern nicht in ihrer Eigenschaft als Dienstgeber für ihre Dienstnehmer Leistungen erbringen, sondern Aufgaben des Bundes (Art10 Abs1 Z11 B-VG) mitfinanzieren. Da allerdings ihre Beitragspflicht in dieser Hinsicht nach der Zahl ihrer Beamten bemessen ist - ein Kriterium, das zum bundesstaatlichen Finanzausgleich in keinerlei sachlichem Zusammenhang steht - widerspricht auch diese Inpflichtnahme der Länder und Gemeinden dem Gleichheitssatz.

5. Die Gleichheitswidrigkeit aus dem Blickwinkel des ASVG

Im Vordergrund der Bestimmungen des ASVG steht die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung der unselbständig Erwerbstätigen. Mit der Vollziehung dieses Gesetzes sind mehrere Versicherungsträger betraut (§§26 ff. ASVG):

-

die Gebietskrankenkassen, die Betriebskrankenkassen, die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und die Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues im Rahmen der Krankenversicherung;

-

die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, die Sozialversicherungsanstalt der Bauern und die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen im Rahmen der Unfallversicherung;

-

die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und die Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues im Rahmen der Pensionsversicherung.

Mit dem ASVG hat die BVA, sieht man von einigen lückenfüllenden Verweisungen vor allem in organisatorischen Fragen ab, dagegen nichts zu tun.

Die nach dem ASVG eingerichteten Versicherungsträger sind in einzelnen Fonds zusammengefaßt. Es ist festzuhalten, daß die BVA in keinen einzigen dieser Fonds einbezogen ist.

Im Jahre 1961 wurde ein Krankenkassenausgleichsfonds errichtet, der die strukturellen Einkommensunterschiede in der Krankenversicherung zwischen den Gebietskrankenkassen, der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ausgleichen soll. An

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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