TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/27 G154/84, G43/85, G72/85, G112/85, G113/85

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Veröffentlicht am 27.06.1985
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Index

L3 Finanzrecht
L3706 Kurzparkzonenabgabe, Parkabgabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
KFG 1967 §103 Abs2
WAO §92
Wr ParkometerG §1a
Wr ParkometerG §4 Abs1

Beachte

Kundmachung LGBl. für Wien 42/1985 am 17. September 1985; Anlaßfälle VfSlg. 10503/1985 und 10504/1985

Leitsatz

Wr. ParkometerG; §1a idF LGBl. 18/1977 (Regelung der Auskunftspflicht) war gleichheitswidrig; §1a idF LGBl. 42/1983 ist gleichheitswidrig; Hinweis auf VfSlg. 10394/1985; Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht in Abgabensachen - keine Rechtfertigung für die in §1a getroffene Regelung der Auskunftspflicht

Spruch

1. §1a des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien 47/1974, idF der Nov. LGBl. für Wien 18/1977 war verfassungswidrig.

2. §1a des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien 47/1974, idF der Nov. LGBl. für Wien 42/1983 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1986 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

3. Der Landeshauptmann ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im LGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Beim VfGH sind zu B387/80, B866/84, B180/85 und B355/85 vier Verfahren über Beschwerden nach Art144 B-VG anhängig, die sich gegen je einen von der Wr. Landesregierung im Instanzenzug erlassenen Bescheid richten, mit dem der jeweilige Bf. wegen des Nichterteilens einer Lenkerauskunft einer Verwaltungsübertretung nach §1a des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien 47/1974 - und zwar zu B387/80 und B866/84 idF der Nov. LGBl. 18/1977, zu B180/85 und zu B355/85 idF der Nov. LGBl. 42/1983 - schuldig erkannt und bestraft wurde.

Der VfGH hat gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, von Amts wegen Verfahren zur Prüfung des §1a des Wr. ParkometerG auf seine Verfassungswidrigkeit einzuleiten, und zwar aus Anlaß der zu B387/80 und B866/84 geführten Beschwerden zur Prüfung des §1a des Wr. ParkometerG idF der Nov. LGBl. 18/1977 (G154/84 und G43/85) und aus Anlaß der zu B180/85 und B355/85 protokollierten Beschwerden zur Prüfung des §1a des Wr. ParkometerG idF der Nov. LGBl. 42/1983 (G112/85 und G113/85).

b) Beim VwGH ist zu Z 84/17/0095 das Verfahren über eine Beschwerde anhängig, die sich gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wr. Landesregierung vom 30. März 1984 wendet. Mit diesem Bescheid wurde der Bf. des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einer dadurch begangenen Verwaltungsübertretung nach §1a iVm. §4 Abs2 des Wr. ParkometerG idF der Nov. LGBl. 18/1977 schuldig erkannt, daß er dem am 21. Jänner 1983 ordnungsgemäß zugestellten Verlangen des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Jänner 1983 nicht entsprochen habe, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu geben, wem er das Lenken des Fahrzeuges mit einem behördlichen Kennzeichen überlassen habe, welches zu einer bestimmten Zeit in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien abgestellt war. Über den Bf. wurden eine Geldstrafe und eine Ersatzarreststrafe verhängt.

2. a) §1a des Wr. ParkometerG idF der Nov. LGBl. 18/1977 lautete:

"§1a. Der Zulassungsbesitzer eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges, für dessen Abstellen Parkometerabgabe zu entrichten war, hat dem Magistrat auf Verlangen Auskunft zu geben, wem er das Lenken dieses Fahrzeuges überlassen hat. Kann der Zulassungsbesitzer die verlangte Auskunft ohne Führung von Aufzeichnungen nicht erteilen, so hat er entsprechende Aufzeichnungen zu führen."

b) Mit Wr. Landesgesetz vom 30. September 1983, LGBl. 42/1983, wurde das Wr. ParkometerG geändert. Dem - mit 29. Dezember 1983 in Kraft getretenen - ArtI Z3 dieser Nov. zufolge hat §1a wie folgt zu lauten:

"§1a. (1) Der Zulassungsbesitzer ..." (wörtlich gleichlautend wie der bisherige §1a - s. die vorstehende lita)

"(2) Abs1 gilt sinngemäß für jeden, der einer dritten Person das Lenken eines Kraftfahrzeuges überläßt."

3. a) Der VfGH umschrieb seine Bedenken in den Einleitungsbeschl. vom 11. Oktober 1984, B387/80, und vom 27. Feber 1985, B866/84, dahin, ein Vergleich des §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. LGBl. 18/1977 mit dem zweiten Satz im §103 Abs2 des Kraftfahrgesetzes 1967 erweise, daß die zitierte landesgesetzliche Vorschrift dieser kraftfahrrechtlichen Bestimmung (abgesehen von deren letzten, mit dem hg. Erk. vom 3. März 1984, G7/80 ua. Z, als verfassungswidrig aufgehobenen Halbsatz) nachgebildet sei und ihr in dem aus der Sicht der beiden erwähnten Beschwerdesachen maßgebenden normativen Bereich entspreche. Wie der VfGH im Beschl. vom 27. Juni 1984, B581/81, näher dargelegt habe, bestünden gegen den zweiten Satz im §103 Abs2 KFG 1967 aus dem Blickpunkt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebotes verfassungsrechtliche Bedenken. Diese Bedenken träfen unter Berücksichtigung der hervorgehobenen inhaltlichen Parallele zwischen §1a ParkometerG idF der Nov. 1977 und §103 Abs2 zweiter Satz KFG 1967 für jene Gesetzesbestimmung entsprechend zu, sodaß es genüge, auf die Begründung des zitierten hg. Beschl. zu verweisen.

b) Das (ua.) mit dem erwähnten Einleitungsbeschl. vom 27. Juni 1984, B581/81, eingeleitete Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §103 Abs2 zweiter Satz KFG 1967 wurde mit hg. Erk. vom 8. März 1985, G149/84 ua. Z, abgeschlossen. Die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung wurde als verfassungswidrig aufgehoben.

Der VfGH begründete dies im wesentlichen wie folgt:

"In den Einleitungsbeschlüssen nahm der VfGH vorläufig an, daß die von der Behörde nach §103 Abs2 KFG verlangte Auskunft im Regelfall auf die Feststellung des einer verwaltungsbehördlich ahndbaren Tat Verdächtigen abzielt. Die Bundesregierung tritt dieser Ansicht zwar nicht ausdrücklich entgegen, trachtet sie aber durch den Hinweis darauf wesentlich zu relativieren, daß mannigfaltige andere Gründe eine Auskunftserteilung notwendig machen könnten, der Lenker zB als Zeuge, zur Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens oder im Zusammenhang mit einem zivilgerichtlichen Verfahren gesucht werde. In einem anderen Kontext räumt die Bundesregierung jedoch die grundlegende Bedeutung der Lenkerauskunft für das Verwaltungsstrafverfahren mittelbar ein; sie legt nämlich dar, daß 'etwa zwei Drittel aller Anzeigen ... bloß nach dem Kennzeichen eines KFZ' (erfolgten).

Der VfGH bleibt bei seiner - schon im Erk. G7/80 vertretenen - Auffassung, daß die praktische Funktion der Lenkerauskunft im Regelfall darin liegt, den einer Verwaltungsübertretung Verdächtigen festzustellen. Dieser Umstand bedarf keiner weiteren Verifizierung, weil er gerichtsbekannt ist. So weist der Gerichtshof lediglich zur Illustration darauf hin, daß die Sachlage in jeder der insgesamt 21 Anlaßbeschwerdesachen diesem Regelfall entspricht.

Sieht man aber die praktische Funktion der Lenkerauskunft in der Ermittlung des Tatverdächtigen und hält weiters an der nicht in Zweifel gezogenen Auffassung fest, daß der Zulassungsbesitzer gegebenenfalls die Frage, ob er das Fahrzeug einem Dritten zum Lenken überlassen hat, zu verneinen hat, so folgt schon daraus die Verfassungswidrigkeit der in Prüfung stehenden Gesetzesstelle. Denn die unter Wahrheitspflicht gegebene Antwort des Zulassungsbesitzers, er habe das Fahrzeug zum betreffenden Zeitpunkt nicht einem Dritten zum Lenken überlassen, zwingt ihn in grundsätzlich gleicher Weise materiell zu einer Selbstbeschuldigung im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung, die aus den im Erk. G7/80 näher dargelegten Gründen verfassungsrechtlich verpönt ist.

Auch im folgenden geht der VfGH vom dargestellten hauptsächlichen Zweck der in Prüfung stehenden Gesetzesvorschrift aus, des weiteren von der - ebenfalls bereits im Erk. G7/80 ausgesprochenen - Ansicht, daß dem Zulassungsbesitzer im Rahmen seiner Auskunftspflicht kein inhaltlich einem Zeugnisverweigerungsrecht entsprechendes Entschlagungsrecht zugute kommt. Die Lage des im Verwaltungsstrafverfahren zeugenschaftlich darüber vernommenen Zulassungsbesitzers, wem er das Lenken seines Fahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hat, unterscheidet sich von der jenes Zulassungsbesitzers, der nach Maßgabe des §103 Abs2 KFG schriftlich oder telefonisch (§123 Abs4 KFG) zur selben Angabe aufgefordert wird, im Tatsächlichen nur die Art und Weise der Befragung, materiell jedoch nicht; der Zulassungsbesitzer ist (wie schon erwähnt wurde) jeweils unter Verwaltungsstrafsanktion (§49 Abs5 AVG bzw. §134 KFG) zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der an ihn gerichteten Frage verhalten. Wie diese Gegenüberstellung erweist, ist die bestehende unterschiedliche Regelung dahin, daß im erstangeführten Fall unter bestimmten Voraussetzungen ein Zeugnisverweigerungsrecht - insbesondere bei einer sonst eintretenden Selbstbeschuldigung wegen einer Verwaltungsübertretung oder Verfahren gegen nahe Angehörige wie den Ehegatten oder Sohn oder Tochter (§49 Abs1 lita AVG iVm. §38 VStG) - eingeräumt ist, im anderen hingegen kein inhaltlich im wesentlichen entsprechendes Entschlagungsrecht, sachlich nicht begründbar. Nicht zielführend ist es, wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang sinngemäß meint, ein Entschlagungsrecht wäre nicht praktikabel, weil es eine dem §49 Abs4 AVG entsprechende Regelung über die Glaubhaftmachung des Weigerungsgrundes erforderte, also in der Regel gerade das aufgedeckt würde, was Gegenstand der Auskunftspflicht sei. Diese Argumentation geht nämlich schon deshalb fehl, weil grundsätzlich die gleiche Problematik bei der zeugenschaftlichen Vernehmung des Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren auftreten kann, und zwar dann, wenn der Täter der Behörde noch unbekannt ist oder wenn sie das Verwaltungsstrafverfahren fälschlich gegen einen Beschuldigten führt, der die Tat nicht begangen hat.

Es liegt somit eine infolge Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrige Regelung vor, das gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 6410/1971) dem Gesetzgeber verwehrt, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zu schaffen."

c) In den Einleitungsbeschl. vom 8. Juni 1985, B180/85 und B355/85, mit denen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. 1983 eingeleitet wurden, bezog sich der VfGH auf sein in der vorstehenden litb zitiertes Erk. vom 8. März 1985. Er nahm vorläufig an, daß §1a Abs1 Wr. ParkometerG in dieser Fassung inhaltlich der als verfassungswidrig aufgehobenen kraftfahrrechtlichen Vorschrift entspreche und daß daher §1a Abs1 Wr. ParkometerG idF der Nov. 1983 mit den gleichen Mängeln wie diese belastet sei. Da der Abs2 mit Abs1 in untrennbarem Zusammenhang stehen dürfte, sei anscheinend auch Abs2 präjudiziell und demnach in die Prüfungsverfahren mit einzubeziehen.

d) Der VwGH bezog sich in seinem Prüfungsantrag (I.1.b) auf den vom VfGH zu B387/80 gefaßten Einleitungsbeschl. (I.3.a). Der VwGH hegt gegen §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. LGBl. 18/1977 die gleichen wie im erwähnten Beschl. geäußerten Bedenken.

4. Die Wr. Landesregierung erstattete zu G154/84 und G43/85 Äußerungen und beantragte, der VfGH wolle die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen nicht als verfassungswidrig aufheben.

a) Sie führt zu G154/84 näher folgendes aus:

"1. Nahezu alle Anzeigen wegen Übertretung nach dem Parkometergesetz erfolgen bloß nach dem Kennzeichen des Kraftfahrzeuges. Für die Behörde ist daher der Zulassungsbesitzer zentrale Bezugsperson zur Ermittlung des Fahrzeugbenützers. Ohne die Regelung des §1a des Parkometergesetzes könnte die Behörde nur den Zulassungsbesitzer in einem Verwaltungsstrafverfahren gegen einen unbekannten Täter als Zeugen befragen.

Während im Regelfall die Zeugenaussage naher Angehöriger zur Klärung des Sachverhaltes nicht unbedingt notwendig ist, ist es durchaus üblich, daß der Zulassungsbesitzer seinen Familienangehörigen das Fahrzeug zur Benützung überläßt. Ohne gesetzlicher Festlegung einer Auskunftspflicht, welche gegenüber einer Zeugenpflicht noch dahingehend eingeschränkt ist, daß keine bekannten Sachverhalte, sondern lediglich der Lenker bekanntzugeben ist, ist ein geordnetes Verwaltungshandeln, welches dem Grundsatz einer sparsamen und zweckmäßigen Verwaltung entspricht, praktisch nicht möglich.

Das Aussageverweigerungsrecht im Zuge einer förmlichen Vernehmung (§38 VStG) dient vor allem dem Schutz des Zeugen vor den strafrechtlichen Folgen einer falschen Zeugenaussage. Die Nichterteilung einer Lenkerauskunft stellt lediglich eine Verwaltungsübertretung dar.

Die dargelegten Erwägungen lassen die Regelung als sachlich gerechtfertigte Differenzierung erscheinen.

2. Nach den Bestimmungen des §1a Parkometergesetz kann sich der Zulassungsbesitzer darauf beschränken zu sagen, er habe das Kraftfahrzeug niemand überlassen. Damit hat er sich noch nicht einer strafbaren Handlung bezichtigt, weil demnach andere Personen das Kraftfahrzeug benützt haben konnten, was von der Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht nachzuweisen wäre.

Jede Auskunft über ein bestimmtes Verhalten des Aussagenden könnte irgendwann und vielleicht in ganz anderem Zusammenhang im Ergebnis als 'Geständnis' ausgelegt werden. Da eine solche Möglichkeit praktisch nie von vornherein ausgeschlossen werden kann, dürfte jede Aussage über eigenes Verhalten abgelehnt und damit die Verwaltung weitgehend lahmgelegt werden.

3. Im Hinblick auf die hervorgehobene inhaltliche Parallele zwischen §1a Parkometergesetz und §103 (2) KFG sei bemerkt, daß - wie der VfGH in seinem Erkenntnis Slg. 4058 ausdrücklich festgelegt hat - der Vergleich von Regelungen des Bundesgesetzgebers mit solchen des Landesgesetzgebers unzulässig ist.

4. Den mit der Verwaltung der Parkometerabgabe betrauten Behörden der Stadt Wien obliegt es, die Abgabenfestsetzung den gesetzlichen Vorschriften entsprechend durchzuführen. Diese Pflicht dient nicht nur fiskalischen Belangen, dh., um dem Abgabengläubiger die Geldmittel zu verschaffen, die er zur Erfüllung seiner im §5 des Parkometergesetzes normierten Aufgabe benötigt. Sie dient auch der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Steuergerechtigkeit und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Zur Durchführung dieser Aufgabe trifft die Abgabenbehörde der Stadt Wien gemäß §89 f der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien 21/1962, eine grundsätzlich unbeschränkte Ermittlungspflicht, deren Korrelat die Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen sind (§92 WAO).

Diese allgemein anerkannte Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht wurde durch die in Prüfung gezogene Bestimmung des Parkometergesetzes dahingehend eingeschränkt, daß der Zulassungsbesitzer nichts zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen muß, sondern lediglich darzutun hat, wem von ihm das Kraftfahrzeug überlassen wurde."

b) Zu G43/85 verweist die Wr. Landesregierung auf die vorstehenden Ausführungen und ergänzt diese wie folgt:

"Der VfGH leitet die Gleichheitswidrigkeit der im §103 Abs2 zweiter Satz KFG 1967 enthaltenen Regelung aus einem Vergleich dieser Bestimmung mit den in den Verwaltungsverfahrensgesetzen enthaltenen Regelungen über das Entschlagungsrecht von Zeugen ab, indem er die verschiedenen bundesgesetzlichen Regelungen miteinander verglich und auf die Sachlichkeit der Differenzierung untersuchte. Beim Wiener Parkometergesetz handelt es sich aber um ein Landesgesetz und kann nach der bisherigen Judikatur des VfGH nicht aus einer Ungleichheit zwischen bundesgesetzlichen und landesgesetzlichen Regelungen auf die Gleichheitswidrigkeit eines Landesgesetzes geschlossen werden, in welchem Fall die Gesetzgebungskompetenz der Länder ausgehöhlt würde.

Wollte man aber doch die Bestimmung des §1a Parkometergesetz durch Vergleich mit bundesgesetzlichen Regelungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen, müßte dies wohl durch Vergleich mit den die Auskunftspflicht in Abgabensachen regelnden §§143 ff. BAO, statt durch Vergleich mit §49 AVG 1950 und §38 VStG 1950 geschehen, da das Wiener Parkometergesetz eine Abgabenvorschrift ist und sein §1a eine Sonderregelung der Auskunftspflicht bildet. Die Auskunftspflicht der §§143 ff. BAO ist aber durch deren §§170 bis 173 für den Abgabenpflichtigen nicht beschränkt und ist der Zulassungsbesitzer gemäß §1 Abs3 Wiener Parkometergesetz selbst Abgabepflichtiger.

Bei einem Entschlagungsrecht im Sinne des §38 VStG könnte der Zulassungsbesitzer bei Angehörigen unter Hinweis auf diese Bestimmung sich der Aussage entschlagen. Den Angehörigen stünde das gleiche Recht zu, womit es der Behörde nicht mehr möglich ist, den Täter zu ermitteln und der Strafanspruch des Staates nicht mehr durchsetzbar ist. De facto wäre der Täter somit nur ermittelbar, wenn der Zulassungsbesitzer keine Angehörigen hat. Aus dem Blickwinkel dieses Personenkreises betrachtet, muß ein solches Ergebnis in Ansehung des Gleichheitsgrundsatzes als kaum tragbar erachtet werden."

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig:

a) Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die Annahme sprechen, daß der VfGH in den Anlaßbeschwerdeverfahren B387/80 und B866/84 §1a des Wr. ParkometerG idF der Nov. 1977 anzuwenden hätte; die zu beurteilenden Sachverhalte haben sich vor dem Inkrafttreten der Nov. 1983 ereignet.

Im Anlaßbeschwerdefall B180/85 wurden die behördlichen Verlangen auf Lenkerauskunft, denen der Bf. als Zulassungsbesitzer nicht nachkam, am 14. Jänner, 3. Feber und 16. März 1984 gestellt. Sein Verhalten ist also nach §1a Abs1 Wr. ParkometerG idF der Nov. 1983 zu beurteilen; diese Neufassung trat mit 29. Dezember 1983 in Kraft.

Im Anlaßbeschwerdeverfahren B355/85 wurde das behördliche Verlangen, eine Lenkerauskunft zu erteilen, mit einem dem Bf. am 16. Dezember 1983 zugestellten Schreiben vom 13. Dezember 1983 gestellt. Die von der Behörde für die Beantwortung der Anfrage dem Bf. gesetzte zweiwöchige Frist ist sohin am 30. Dezember 1983 abgelaufen, also erst nach dem Inkrafttreten der Nov. 1983. Jedenfalls unter diesen Umständen ist auch sein Verhalten nach der neuen Rechtslage zu beurteilen.

Der Abs2 des §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. 1983 steht mit dem vorangehenden Abs1 in untrennbarem Zusammenhang. Er ist ohne Abs1 sinnentleert. Auch Abs2 ist also präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1 B-VG.

b) Der VfGH findet keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß der VwGH in dem bei ihm anhängigen Verfahren (s. oben I.1.b) §1a des Wr. ParkometerG idF der Nov. LGBl. 18/1977 anzuwenden hat und daß damit die zur Aufhebung beantragte landesgesetzliche Bestimmung präjudiziell ist.

c) Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen liegen in allen Fällen offenkundig vor. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind sohin insgesamt zulässig.

2. Die in den Prüfungsbeschl. geäußerten Bedenken treffen zu:

a) §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. 1977 und §1a Abs1 Wr. ParkometerG idF der Nov. 1983 sind dem §103 Abs2 zweiter Satz KFG 1967 idF der Kundmachung BGBl. 237/1984 inhaltlich völlig gleich. Sie sind daher mit den gleichen verfassungsrechtlichen Mängeln behaftet wie die erwähnte kraftfahrrechtliche Vorschrift, die mit hg. Erk. VfSlg. 10394/1985 (s. oben I.3.b) wegen Widerspruches zum Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufgehoben wurde.

b) Die Äußerung der Wr. Landesregierung zu G154/84 (s. oben I.4.a) ist zum Großteil durch die Entscheidungsgründe des hg. Erk. vom 8. März 1985 widerlegt.

Der unter Punkt 3 dieser Äußerung gegebene Hinweis auf das Erk. VfSlg. 4058/1961 ist verfehlt. Damals wurde nämlich nur ausgedrückt, daß der Landesgesetzgeber nicht verpflichtet sei, gleiche Regelungen wie der Bundesgesetzgeber zu treffen (vgl. auch VfSlg. 8556/1979). Ist eine Norm aber für sich betrachtet inhaltlich gleichheitswidrig, so ist es gleichgültig, ob sie vom Bundes- oder vom Landesgesetzgeber erlassen wurde.

Die im Punkt 4 dieser Äußerung der Wr. Landesregierung erwähnte Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht in Abgabensachen rechtfertigt die getroffene Regelung im Wr. ParkometerG sachlich nicht. Die im hg. Erk. vom 8. März 1985 dargelegten Gründe gelten für alle Regelungen, gleichgültig, ob sie aus fiskalischen oder verkehrspolitischen Erwägungen getroffen wurden. §1a des Wr. ParkomterG dient - in gleicher Weise wie §103 Abs2 KFG 1967 - dazu, den Lenker eines bestimmten KFZ zu dem Zweck festzustellen, um gegen ihn ein Verwaltungsstrafverfahren führen zu können (s. §4 Abs1 Wr. ParkometerG).

Damit sind auch die zu G43/85 vorgebrachten zusätzlichen Einwände der Wr. Landesregierung (s. oben I.4.b) widerlegt.

c) §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. 1977 ist sohin mit Gleichheitswidrigkeit belastet. Da diese Vorschrift durch die mit ArtI Z3 der Nov. 1983 verfügte vollständige Neufassung mit 29. Dezember 1983 außer Kraft getreten ist, war gemäß Art140 Abs4 B-VG auszusprechen, daß diese Bestimmung verfassungswidrig war.

Auch den Abs1 des §1a Wr. ParkometerG idF der Nov. 1983 (der dem bisherigen §1a wörtlich gleicht) trifft der Vorwurf, er verletze den Gleichheitsgrundsatz. Er war daher - ebenso wie Abs2, der mit ihm in untrennbarem Zusammenhang steht und auf ihn verweist - als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 B-VG.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Wien zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des Ausspruches gemäß Art140 Abs4 B-VG erfließt aus Art140 Abs5 erster und zweiter Satz B-VG sowie aus §64 Abs2 VerfGG.

Schlagworte

Auskunftspflicht, Kraftfahrrecht, Parkometerabgabe, VfGH / Prüfungsmaßstab, Finanzverfahren, VfGH / Präjudizialität, Bescheiderlassung, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:G154.1984

Dokumentnummer

JFT_10149373_84G00154_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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