TE Vfgh Erkenntnis 1985/10/16 G44/85, G132/85, G133/85, G134/85, G135/85, G136/85, G137/85, G138/85,

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Veröffentlicht am 16.10.1985
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
F-VG 1948 §2
F-VG 1948 §4
F-VG 1948 §12 Abs1 letzter Satz
FAG 1948-1985
FAG 1948 §4
FAG 1950 §4
FAG 1953 §4
FAG 1956 §4
FAG 1959 §4
FAG 1973 §8
FAG 1979 §8
FAG 1985 §8
FAG 1967 §9
FAG 1979 §10
FAG 1985 §10
FAG 1953 §13 Abs4
FAG 1956 §13 Abs4
FAG 1959 §13 Abs4
FAG 1967 §17
FAG 1973 §17
FAG 1967 §18
FAG 1973 §18
FAG 1979 §20
FAG 1979 §21
Kundmachung des Statistischen Zentralamtes gemäß* §7 Abs2 VolkszählungsG 1980
VfGG §38
VolkszählungsG 1980 §7 Abs2

Beachte

Kundmachung am 6. Dezember 1985, BGBl. 501/1985; Anlaßfälle VfSlg. 10677/1985, 10685/1985

Leitsatz

F-AG; die FinanzausgleichsGe 1948 bis 1985 berücksichtigen entgegen dem Gebot des §4 F-VG 1948 nicht die besonderen Belastungen, die den Städten mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörde (Krems und Waidhofen an der Ybbs) durch die von ihnen zu tragenden Kosten für die Besorgung der dem Bund obliegenden Aufgaben auf dem Gebiete des öffentlichen Sicherheitswesens (Art10 Abs1 Z7 B-VG) und der Angelegenheiten des Kraftfahrwesens (Art10 Abs1 Z9 B-VG) erwachsen; Bedachtnahme auf diese Sachverhalte in Form einer unmittelbar anwendbaren, spezifischen gesetzlichen Regelung ist geboten

Spruch

1. Verfassungwidrig waren:

§4 Finanzausgleichsgesetz 1948, BGBl. 46/1948,

§4 Finanzausgleichsgesetz 1950, BGBl. 36/1950 sowohl in der

Stammfassung als auch idF der Finanzausgleichsnov. 1952, BGBl. 18/1952,

§4 Finanzausgleichsgesetz 1953, BGBl. 225/1952 in der Stammfassung

sowie §4 und §13 Abs4 dieses Gesetzes idF der Finanzausgleichsnov.

1955, BGBl. 9/1955,

§4 und §13 Abs4 Finanzausgleichsgesetz 1956, BGBl. 153/1955,

§4 und §13 Abs4 und 5 Finanzausgleichsgesetz 1959, BGBl. 97/1959

sowohl in der Stammfassung als auch idF der Finanzausgleichsnov.

1964, BGBl. 263/1963,

§§9, 17 und 18 Finanzausgleichsgesetz 1967, BGBl. 2/1967,

§§8, 17 und 18 Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl. 445/1972, und schließlich

§§8, 20 und 21 Finanzausgleichsgesetz 1979, BGBl. 673/1978, in der Stammfassung sowie §8 dieses Gesetzes idF der Finanzausgleichsgesetznov. 1981, BGBl. 569/1981.

2. §8 Finanzausgleichsgesetz 1985, BGBl. 544/1984, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 1986 in Kraft.

3. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Beim VfGH ist zu A5/83 eine Klage der Stadtgemeinde Krems anhängig.

Die Stadtgemeinde Krems besorgt als Stadt mit eigenem Statut (Art116 Abs3 B-VG und §1 Abs1 Kremser Stadtrecht 1977, Nö. LGBl. 1010-4) neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch jene der Bezirksverwaltung (Art116 Abs3 letzter Satz B-VG und §1 Abs2 Kremser Stadtrecht 1977). Da in der Stadtgemeinde Krems eine Bundespolizeibehörde nicht errichtet (V der Bundesregierung BGBl. 690/1976) ist, vollziehen ihre Organe daher ua. auch die im §3 der V BGBl.74/1946 angeführten, nach Art10 Abs1 Z7 B-VG dem Bund obliegenden Aufgaben auf dem Gebiete des öffentlichen Sicherheitswesens (s. §15 Abs2 BehÜG) sowie die Angelegenheiten des Kraftfahrwesens (Art10 Abs1 Z9 B-VG).

Die Stadtgemeinde Krems enthält vom Bund neben den Zuwendungen aus dem Finanzausgleich keine gesonderten Geldleistungen für diese Tätigkeiten. Mit der erwähnten Klage wird der Ersatz der durch diese Tätigkeiten erwachsenden Aufwendungen für den Zeitraum vom 1. Jänner 1948 bis 31. Dezember 1981 begehrt.

Die klagende Partei regt der Sache nach an, von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §8 Abs3 dritter Satz des FAG 1979 einzuleiten.

b) Bei der Beurteilung des VfGH über die vorliegende Klage sind Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der §§8, 20 und 21 FAG 1979, BGBl. 673/1978, sowie der Vorgänger dieser Bestimmung entstanden.

Der VfGH beschloß aus Anlaß dieser Klage, gemäß Art140 Abs1 B-VG von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit

des §4 Finanzausgleichsgesetz 1948, BGBl. 46/1948,

des §4 Finanzausgleichsgesetz 1950, BGBl. 36/1950 in der Stammfassung und idF der Finanzausgleichsnov. 1952, BGBl. 18/1952,

des §4 Finanzausgleichsgesetz 1953, BGBl. 225/1952 in der Stammfassung sowie des §4 und des §13 Abs4 dieses Gesetzes idF der Finanzausgleichsnov. 1955, BGBl. 9/1955,

des §4 und des §13 Abs4 Finanzausgleichsgesetz 1956, BGBl. 153/1955,

des §4 und des §13 Abs4 und 5 Finanzausgleichsgesetz 1959, BGBl. 97/1959 in der Stammfassung und idF der Finanzausgleichsnov. 1964, BGBl. 263/1963,

des §9 sowie der §§17 und 18 Finanzausgleichsgesetz 1967, BGBl. 2/1967,

des §8 sowie der §§17 und 18 Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl. 445/1972, und

des §8 sowie der §§20 und 21 Finanzausgleichsgesetz 1979, BGBl. 673/1978,

einzuleiten (G44/85).

2. a) Weiters sind beim VfGH zu A15/83, A59/83, A6/84, A7/84, A8/84 (Klagebegehren ab 1. Jänner 1982), A54/83 (Klagebegehren ab 1. Jänner 1983), A19/83, A22/83, A23/83, A30/83, A36/83 (Klagebegehren vom 1. 1. 1983 bis 31. 12. 1983) elf Klagen mit folgenden Vorbringen anhängig:

Die klagenden Parteien erhalten jährliche Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach dem sogenannten abgestuften Bevölkerungsschlüssel (§8 Abs3, §10 Abs2 FAG 1979), der von der "Volkszahl" ausgehe. Diese "Volkszahl" bestimme sich nach dem vom Statistischen Zentralamt aufgrund der letzten Volkszählung (1981) festgestellten Ergebnis, das mit dem Beginn des dem Zählungsstichtag nächstfolgenden Kalenderjahres (das ist 1982) wirke. In einer Kundmachung des Statistischen Zentralamtes (zur Volkszählung 1981) vom Feber 1983 seien die "Volkszahlen" der klagenden Gemeinden mit einer zu niedrigen Zahl genannt. Unter Zugrundelegung der richtigen "Volkszahlen" hätten sich für die klagenden Gemeinden Ertragsanteile ergeben, welche höher seien als die tatsächlich berechneten und überwiesenen.

Die klagenden Gemeinden begehren entweder, die beklagten Parteien seien schuldig, die Ertragsanteile der klagenden Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben ab einem gewissen Zeitpunkt (1. 1. 1982 bzw. 1. 1. 1983) unter Zugrundelegung der richtigen "Volkszahlen" zu berechnen oder die beklagten Parteien seien schuldig, die Ertragsanteile der klagenden Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für das Jahr 1983 unter Zugrundelegung einer bestimmten Gemeindezahl, welche sich gemäß §8 FAG 1979 durch Vervielfältigung der Volkszahlen mit einem bestimmten Vervielfältigungsfaktor ergeben, zu berechnen und den nach Abzug der bereits überwiesenen Ertragsanteile verbleibenden Restbetrag zu bezahlen.

b) Aus Anlaß dieser Klagen beschloß der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von amtswegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit

aa) des §8 FAG 1979, BGBl. 673/1978, sowohl in der Stammfassung als auch idF des BG vom 9. Dezember 1981, BGBl. 569/1981, sowie des §8 Finanzausgleichsgesetz 1985, BGBl. 544/1984, (A15/83 (G159/85), A50/83 (G158/85), A6/84 (G132/85), A7/84 (G133/85), A8/84 (G135/85))

bb) des §8 FAG 1979, BGBl. 673/1978, idF des BG vom 9. Dezember 1981, BGBl. 569/1981, sowie des §8 Finanzausgleichsgesetz 1985, BGBl. 544/1984, (A54/83 (G136/85))

cc) des §8 FAG 1979, BGBl. 673/1978, idF BGBl. 569/1981, (A19/83 (G162/85), A22/83 (G138/85), A23/83 (G150/85), A30/83 (G137/85), A36/83 (G145/85))

einzuleiten.

3. a) Schließlich sind beim VfGH zu den Zahlen A16/83 und A8/85 Klagen der Gemeinden G bzw. W gegen die Bundesländer NÖ bzw. Vbg. mit folgendem Inhalt anhängig:

Die klagenden Parteien erhalten jährliche Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach dem sogenannten abgestuften Bevölkerungsschlüssel, der von der "Volkszahl" ausgehe. Die klagenden Gemeinden machen geltend, der im §8 Abs3 FAG 1979 bzw. FAG 1985 vorgesehene abgestufte Bevölkerungsschlüssel sei verfassungswidrig.

aa) Zu A16/83 wird folgendes Urteil begehrt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin für die Jahre 1980, 1981 und 1982 den Differenzbetrag zwischen den auf der Grundlage des abgestuften Bevölkerungsschlüssels (§8 Abs3 Satz 3 FAG 1979) der Klägerin ausbezahlten Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben einerseits und jenen Beträgen, die sich bei Zugrundelegung der einfachen Volkszahl ergeben würden, andererseits zu bezahlen."

bb) Zu A8/85 wird folgendes Urteil begehrt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, die Ertragsanteile der klagenden Partei aus dem FAG 1985, mit Wirkung vom 1. Jänner 1985 (also rückwirkend), so zu berechnen, wie sie sich nach Wegfall des Satzes 'Für die Gemeinden, die auf Grund des Gebietsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 110/1954, an das Bundesland Niederösterreich rückgegliedert worden sind, ist in jedem Falle der für die Stadt Wien geltende Vervielfältiger anzuwenden' im §8 Abs3 FAG 1985 ergeben und den Differenzbetrag gegenüber den Ertragsanteilsberechnungen für vergangene Zeiträume binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang samt 4% Zinsen an die Klägerin zu bezahlen, zu Handen des Klagsvertreters, und die hinkünftig fälligen Beträge jeweils am 10. des Folgemonats."

b) Der VfGH hat aus Anlaß dieser Klagen gemäß Art140 B-VG amtswegige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit

aa) des §8 FAG 1979, BGBl. 673/1978 sowohl in der Stammfassung als auch idF des BG vom 9. Dezember 1981, BGBl. 569/1981 (A16/83 (G134/85)) und

bb) des §8 FAG 1985, BGBl. 544/1984, (A8/85 (G161/85)) eingeleitet.

II. 1. Der VfGH begründet den zu A5/83 gefaßten Einleitungsbeschluß (s. oben I.1.b) - nach einer Darstellung des Sachverhaltes - wie folgt:

"1. Der VfGH geht vorläufig davon aus, daß die vorliegende Klage zulässig ist (vgl. hiezu VfSlg. 9507/1982).

Es scheint, daß die Klage nicht etwa wegen entschiedener Sache deshalb zurückzuweisen ist, weil über eine ähnliche Klage der Stadtgemeinde Krems mit dem soeben zitierten hg. Erkenntnis (ablehnend) entschieden wurde. Damals war die Klage nämlich auf §2 F-VG 1948 gestützt, während die nun vorliegende Klage auf einen anderen Rechtsgrund, nämlich auf §4 F-VG 1948 gegründet wird.

Der VfGH wird daher - wie er vorläufig annimmt - über die Klage in der Sache zu entscheiden und dabei die in Betracht kommenden finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden haben. Welche hievon präjudiziell sind, wird unter Z3 erörtert werden.

2. a) Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 9280/1981 (S 327) dargetan, daß die Gemeinde iS des Art118 Abs2 und 3 B-VG nicht die konkrete, im Einzelfall zuständige Gemeinde, sondern die abstrakte Gemeinde, also die Gemeinde schlechthin ist. Die für alle Gemeinden geltende gleiche Umschreibung des Wirkungsbereiches sagt aber nichts über den tatsächlichen Umfang der zu besorgenden Aufgaben aus. Dies gilt sowohl für die behördlichen wie für die nichtbehördlichen Aufgaben. Wie sich aus Art118 Abs7 B-VG ergibt, rechnet der Verfassungsgesetzgeber damit, daß sogar die den Gemeinden gesetzlich zugewiesenen behörlichen Aufgaben für eine kleine Gemeinde zu große sein können, weshalb er die Möglichkeit vorsieht, die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auf staatliche Behörden zu übertragen. Andererseits haben dem Art116 Abs3 B-VG zufolge Städte mit eigenem Statut neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen. Der Umfang der von den Gemeinden iS des Art116 Abs2 B-VG als selbständiger Wirkungskörper zu besorgenden Aufgaben ist überhaupt nicht näher umschrieben.

Den Unterschieden im Umfang der tatsächlich zu besorgenden Aufgaben trägt §4 F-VG 1948 insofern Rechnung, als danach der zuständige Gesetzgeber, bei Regelung des von den Gebietskörperschaften zu tragenden Aufwandes und der Bundesgesetzgeber bei der Regelung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge sowie bei der Gewährung von Finanzzuweisungen und Zuschüssen in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung und unter Bedachtnahme darauf, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden, vorzugehen hat. Der für alle Gemeinden gleich umschriebene Wirkungsbereich bildet zwar die Grundlage für die von den Gemeinden zu besorgenden Aufgaben, die in dieser Weise umschriebene abstrakte Gemeinde kann aber keinen Maßstab für die zur Besorgung dieser Aufgaben zu erschließenden Mittel bieten. Es darf auch nicht übersehen werden, daß die Erschließung finanzieller Mittel für die Gemeinden ihrerseits eine Rückwirkung auf den Umfang der von den Gemeinden tatsächlich besorgten Aufgaben hat und insofern auch dem Gesetzgeber - im Rahmen der Verfassungsordnung - ein Instrument zu rechtspolitischen Gestaltungen in die Hand gegeben ist.

Die Regelung des Finanzausgleiches stellt - wie der VfGH im selbsen Erkenntnis (S 334) dargetan hat - das Ergebnis rechtspolitischer - hier finanzpolitischer - Überlegungen dar, bei denen der Gesetzgeber zwar an die Bestimmungen des F-VG 1948 gebunden ist, die ihm aber durch das verfassungsgesetzliche Gleichheitsgebot nicht verwehrt sind, solange er sich im Rahmen vertretbarer Zielsetzungen bewegt und keinen Exzeß begeht.

Der VfGH nahm unter dem Gesichtspunkt des damaligen Falles nicht an, daß §8 Abs3 FAG 1973 (diese Bestimmung gleicht dem §8 Abs3 FAG 1979) gegen dieses Verfassungsgebot verstieße.

b) Ausgehend von der im Erk. VfSlg. 9507/1982 vertretenen Ansicht - von der abzurücken der VfGH vorerst keinen Anlaß findet - ergibt sich, daß die klagende Stadtgemeinde Krems bestimmte Verwaltungsaufgaben aus dem Bereich der Bundesvollziehung im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen hat und daß der dadurch entstehende Personal- und Amtssachaufwand dem §2 F-VG zufolge endgültig von ihr getragen werden muß, da hier gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

Nun scheint aber der den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz konkretisierende §4 F-VG 1948 insbesondere zu gebieten, bei Regelung des Finanzausgleiches in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung unter der Bedachtnahme darauf, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden, vorzugehen, also etwa darauf Bedacht zu nehmen, ob bestimmte Gruppen von Gemeinden im Durchschnitt höhere Lasten zu tragen haben als andere Gruppen von Gemeinden; dies insbesondere dann, wenn es sich bei diesen Aufgaben um solche handelt, deren Umfang nicht vom Belieben der Gemeinde abhängt, sondern die ihr als behördliche Aufgaben von Gesetzes wegen als zwingend zu besorgen übertragen sind.

Jene Verwaltungsaufgaben aus dem Bereich der Bundesvollziehung, für deren Besorgung die klagende Stadtgemeinde Krems Ersatz begehrt, sind ihr von Gesetzes wegen überantwortet. Sie ist verpflichtet, sie zu erfüllen, wobei es unerheblich ist, ob es die Stadt Krems angestrebt hat, ein eigenes Statut zu bekommen und damit verpflichtet zu sein, auch die Aufgaben der Bezirksverwaltung zu übernehmen.

Die Besorgung der Aufgaben der Bezirksverwaltung neben jenen der Gemeindeverwaltung bewirkt zwar offenbar zusätzliche Kosten. Da aber die Gemeinden mit eigenem Statut - unabhängig von ihrer Einwohnerzahl - bei der Bildung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels iS des §8 Abs3 FAG 1979 (und der vergleichbaren vorangegangenen finanzausgleichsrechtlichen Vorschriften) begünstigt werden (die Volkszahl ist bei ihnen mindestens mit 2 zu vervielfachen), findet im Durchschnitt ein gewisser Ausgleich statt. Vor allem aber ist zu beachten, daß ein beträchtlicher Teil der bezirksverwaltungsbehördlichen Agenden in Gemeinden, in denen eine Bundespolizeibehörde besteht, von dieser geführt wird, sodaß dort die Kosten nicht die Gemeinde, sondern den Bund belasten. Unter all diesen Voraussetzungen scheint im gegebenen Zusammenhang die finanzausgleichsrechtliche Regelung für jene Städte mit eigenem Statut, in denen Bundespolizeibehörden bestehen, verfassungsrechtlich unbedenklich zu sein.

Von dieser Gruppe der Städte mit eigenem Statut scheint sich jedoch deutlich und typisch jene der Gruppe von Städten mit eigenem Statut abzuheben, die über keine Bundespolizeibehörde verfügen. Daß dies nicht der Fall ist, ist vom Willen der Gemeinde nicht beeinflußbar. Die letztgenannte Gruppe - die zwar zahlenmäßig klein ist (es handelt sich nur um die klagende Stadtgemeinde Krems und um die Stadtgemeinde Waidhofen an der Ybbs) - ist anscheinend gegenüber den anderen Städten mit eigenem Statut typischerweise mit wesentlich höheren Kosten belastet. Der VfGH nimmt vorläufig an, daß das - bisher unwidersprochen gebliebene - als konkretes Beispiel für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes allenfalls relevante Zahlenmaterial über die Kostenbelastung der Stadtgemeinde Krems und anderer vergleichbarer Städte, wie es in der Replik der Klägerin dargestellt wird, zutrifft und die in dieser Hinsicht anders lautende Schilderung des Bundesministers für Finanzen ins rechte Licht rückt.

Der Finanzausgleichsgesetzgeber hat aber bei der generellen Regelung der Besteuerungsrechte, Abgabenerträge, Finanzzuweisungen und Finanzzuschüsse die offenbar typische höhere Belastung der zuletzt erwähnten Gruppe von Städten mit eigenem Statut nicht berücksichtigt. Damit scheint der Finanzausgleichsgesetzgeber nicht mehr im Rahmen seiner rechtspolitischen Überlegungen gehandelt, sondern einen Exzeß begangen und gegen das - nur eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes für das Gebiet des Finanzausgleiches darstellende - Gebot des §4 F-VG 1948 verstoßen zu haben, wonach die in den vorangehenden §§2 und 3 vorgesehene Regelung in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen hat.

Anders als bei zweifellos (auch) sonst bestehenden Unterschieden in der faktischen Belastung der einzelnen Gemeinden scheint es sich hier um Lasten zu handeln, die typisch und unvermeidlich aufgrund gesetzlicher, die Aufgaben zwischen Gebietskörperschaften festlegender Bestimmungen (die also unmittelbar die Lasten der öffentlichen Verwaltung verteilen) entstehen und die daher jedenfalls gemäß §4 F-VG bei Regelung des Finanzausgleiches berücksichtigt werden müssen.

Im Gesetzesprüfungsverfahren wird auch zu untersuchen sein, ob etwa die in den FAG 1947 bis 1967 enthaltenen Regelungen über den 'Polizeikostenbeitrag' (den die Gemeinden, in denen eine Bundespolizeibehörde bestand, für die Besorgung der örtlichen Sicherheitspolizei an den Bund zu leisten hatten), den zu bezahlen sich die Gemeinde Krems mangels Bestehens einer solchen Behörde ersparte, einen Ausgleich der in Rede stehenden Belastungen mit sich gebracht haben.

3. Diese vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit scheint ihren Sitz im §8 und in den §§20, 21 FAG 1979 sowie in deren Vorgängern zu haben, die für den vom Klagebegehren erfaßten Zeitraum (jenen seit 1. Jänner 1948) gegolten haben. Dem §4 iVm §3 F-VG zufolge steht es nämlich anscheinend dem Finanzausgleichsgesetzgeber frei, ob er seiner Pflicht, auf die Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung Rücksicht zu nehmen, dadurch nachkommt, daß er etwa die Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden (zB §8 FAG 1979) oder etwa die Finanzzuweisungen (zB §20 FAG 1979) oder etwa die Finanzzuschüsse (zB §21 FAG 1979) entsprechend regelt. Alle derartigen finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen hätten daher Gelegenheit geboten, auf die besondere Belastung der Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden Bedacht zu nehmen."

2. In den weiteren Einleitungsbeschl. (s. oben I.2. und 3.) führte der VfGH aus, daß die damit in Prüfung gezogenen finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen (nämlich des §8 FAG 1979 in der Stammfassung, des §8 FAG 1979 idF der Nov. BGBl. 569/1981 oder auch des §8 FAG 1985) deshalb jeweils präjudiziell sein dürften, weil sie die hauptsächliche Grundlage der einzelnen - auf verschiedene Zeiträume bezogenen - Klagsansprüche zu sein schienen.

Die Bedenken des VfGH waren - soweit sie sich gegen §8 FAG 1979 in der Stammfassung wendeten - dieselben, und - soweit sie sich gegen dessen Nachfolgebestimmungen richteten - sinngemäß die gleichen, die der Gerichtshof im zitierten, zu A5/83 gefaßten Prüfungsbeschl. gegen diese Vorschrift geäußert hatte.

III. 1. a) Die Bundesregierung erstattete in dem zu G44/85 (Anlaßfall: A5/83) protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren folgende Äußerung:

"I.

A. Zur Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen

Nach Auffassung des VfGH hat es der Verfassungsgesetzgeber gemäß §4 F-VG 1948 dem einfachen Gesetzgeber freigestellt, ob er seiner Pflicht, auf die Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung Rücksicht zu nehmen, dadurch nachkommt, daß er etwa die Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden (z.B. §8 FAG 1979) oder etwa die Finanzzuweisungen (z.B. §20 FAG 1979) oder etwa die Finanzzuschüsse (z.B. §21 FAG 1979) entsprechend regelt.

Auf dem Boden dieser Auffassung ergibt sich jedoch die Notwendigkeit zu untersuchen, ob alle Bestandteile der vom VfGH in Prüfung gezogenen Bestimmungen im Hinblick auf die von ihm geäußerten Bedenken auch tatsächlich als präjudiziell angesehen werden können. Nach Auffassung der Bundesregierung wird im gegenständlichen Verfahren etwa nur eine Präjudizialität des §8 Abs3 FAG 1979 (sowie entsprechender Vorgängerbestimmungen) anzunehmen sein, da nur diese Bestimmung - nämlich im Zusammenhang mit dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel - Städte mit eigenem Statut besonders berücksichtigt.

Hinsichtlich der Finanzzuweisungen und Zuschüsse erscheint es gleichfalls geboten, den für das Anlaßverfahren präjudiziellen Regelungsbereich näher einzugrenzen. Als präjudiziell in diesem Sinne stellen sich daher nach Ansicht der Bundesregierung

-

beispielsweise bezogen auf das Finanzausgleichsgesetz 1979

-

hinsichtlich der Finanzzuweisungen nur der (auf Gemeinden Bezug nehmende) §20 Abs2 und 3, hinsichtlich der Gewährung von Zuschüssen nur der (auf Gemeinden Bezug nehmende) §21 Abs1 dar.

B. Zur Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen im Lichte des §4 F-VG 1948

1. Die Bedenken des VfGH

Der VfGH meint, der den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz konkretisierende §4 F-VG 1948 scheine insbesondere zu gebieten, bei Regelung des Finanzausgleiches in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung unter Bedachtnahme darauf, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden, vorzugehen, also etwa darauf Bedacht zu nehmen, ob bestimmte Gruppen von Gemeinden im Durchschnitt höhere Lasten zu tragen haben, als andere Gruppen von Gemeinden; dies insbesondere dann, wenn es sich bei diesen Aufgaben um solche handle, deren Umfang nicht vom Belieben der Gemeinde abhänge, sondern die ihr als behördliche Aufgaben von Gesetzes wegen als zwingend zu besorgen übertragen seien. Jene Gruppen von Städten mit eigenem Statut, die über keine Bundespolizeibehörde verfügen, sei anscheinend gegenüber den anderen Städten mit eigenen Statut typischerweise mit wesentlich höheren Kosten belastet. Der Finanzausgleichsgesetzgeber habe aber bei der generellen Regelung der Besteuerungsrechte, Abgabenerträge, Finanzzuweisungen und Finanzzuschüsse die offenbar typische höhere Belastung der zuletzt erwähnten Gruppe von Städten mit eigenem Statut nicht berücksichtigt. Damit scheine der Finanzausgleichsgesetzgeber nicht mehr im Rahmen seiner rechtspolitischen Überlegungen gehandelt, sondern einen Exzeß begangen und gegen das - nur eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes für das Gebiet des Finanzausgleiches darstellende - Gebot des §4 F-VG 1948 verstoßen zu haben, wonach die in den vorangehenden §§2 und 3 vorgesehene Regelung in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen hat. Anders als bei zweifellos (auch) sonst bestehenden Unterschieden in der faktischen Belastung der einzelnen Gemeinden scheine es sich hier um Lasten zu handeln, die typisch und unvermeidlich auf Grund gesetzlicher, die Aufgaben zwischen Gebietskörperschaften festlegender Bestimmungen (die also unmittelbar die Lasten der öffentlichen Verwaltung verteilen) entstünden und die daher jedenfalls gemäß §4 F-VG bei Regelung des Finanzausgleiches berücksichtigt werden müßten.

2. Zum Regelungsgehalt des §4 F-VG 1948

2.1. §4 F-VG 1948 als spezieller Gleichheitssatz

§4 F-VG 1948 lautet: 'Die in den §§2 und 3 vorgesehene Regelung hat in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden.'

§4 F-VG 1948 stellt als 'spezieller Gleichheitssatz' - wie der VfGH bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 9280/1981 und auch im gegenständlichen Unterbrechungsbeschluß festgestellt hat - 'nur eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes für das Gebiet des Finanzausgleiches' dar. §4 F-VG 1948 ist insoferne - ebenso wie hinsichtlich des Verhältnisses von Ländern und Gemeinden §8 Abs2 zweiter Satz F-VG 1948 - Ausdruck eines allgemeinen Sachlichkeitsgebotes (Gerechtigkeitsgebotes) im Bereich des finanzausgleichsrechtlichen Regelungssystems.

Wie der VfGH ebenso bereits in seinem oz Erkenntnis festgestellt hat, stellt 'die Regelung des Finanzausgleichs ... das Ergebnis rechtspolitischer - hier finanzpolitischer - Überlegungen dar, bei denen der Gesetzgeber zwar an die Bestimmungen des F-VG 1948 gebunden ist, die ihm aber durch das verfassungsgesetzliche Gleichheitsgebot nicht verwehrt sind, solange er sich im Rahmen vertretbarer Zielsetzungen bewegt und keinen Exzeß begeht'. Gerade hinsichtlich der von der Stadtgemeinde Waidhofen an der Thaya im damaligen Verfahren relevierten Frage, inwieweit im Rahmen des Systems des abgestuften Bevölkerungsschlüssels das Fixieren des Verteilungskriteriums (Volkszahl) auf ein Jahrzehnt bzw. die mehrjährige Geltungsdauer des FAG 1973 dem Sinn des §4 F-VG 1948 widersprächen, hat der VfGH festgestellt, daß der Gesetzgeber diesbezüglich bei der Regelung des §8 Abs3 erster und zweiter Satz FAG 1973 im Rahmen rechtspolitischer Überlegungen gehandelt habe, die - außer im Falle eines im gegebenen Zusammenhang tatsächlich nicht vorliegenden Exzesses - nicht am Gleichheitssatz gemessen werden könnten und nicht der Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof unterlägen.

Es stellt sich somit nunmehr die Frage, ob der vom VfGH im gegenständlichen Verfahren G44/85 aufgezeigte, am Anlaßfall orientierte Prüfungsgesichtspunkt die Gleichheitswidrigkeit der in Prüfung gezogenen finanzausgleichsgesetzlichen Bestimmungen im Lichte des §4 F-VG 1948 zur Folge hat. Dabei hat der VfGH - wie bereits erwähnt - vorläufig den Umstand als maßgeblich angenommen, daß es sich im vorliegenden Zusammenhang um Kostenbelastungen von Gemeinden handelt, die typisch und unvermeidlich aufgrund gesetzlicher, die Aufgaben zwischen Gebietskörperschaften festlegender Bestimmungen (die also unmittelbar die Lasten der öffentlichen Verwaltung verteilen) entstehen und daher jedenfalls gemäß §4 F-VG 1948 berücksichtigt werden müssen.

2.2. Spezielle Sachlichkeitskriterien des §4 F-VG 1948

Nach §4 F-VG 1948 bestimmt sich die Sachlichkeit der in den §§2 und 3 F-VG 1948 vorgesehenen Regelung nach zwei verschiedenen Sachlichkeitskriterien: Einerseits hat sie 'in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung' zu erfolgen (Lastenadäquanz), andererseits hat sie 'darauf Bedacht zu nehmen, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden' (Leistungsfähigkeit). Bezugspunkt dieser speziellen Sachlichkeitskriterien ist das gesamte finanzausgleichsrechtliche Regelungssystem (arg.: 'die in den §§2 und 3 vorgesehene Regelung'), soweit es von den §§2 und 3 des Finanzverfassungsgesetzes erfaßt wird. Nicht nur im Verhältnis zwischen dem Bund und den übrigen Gebietskörperschaften, sondern auch im Verhältnis zwischen Ländern und Gemeinden, das auch hinsichtlich der Landesumlage in §3 Abs2 F-VG 1948 ausdrücklich angesprochen wird, haben daher diese speziellen Sachlichkeitskriterien des §4 F-VG 1948 - Lastenadäquanz und Leistungsfähigkeit - Anwendung zu finden.

Nun kann aber das Kriterium 'Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung' angesichts der Komplexität des vom Finanzverfassungsgesetzgeber vorgegebenen Finanzausgleichssystems wohl keineswegs so verstanden werden, daß jede einzelne Verwaltungsagende durch den Finanzausgleichsgesetzgeber jeder zu beteilenden Gebietskörperschaft jeweils ausdrücklich abgegolten werden müßte. Zwar werden gesetzliche Pflichtaufgaben regelmäßig im Rahmen des Finanzausgleichs zu berücksichtigen sein, aus §4 F-VG 1948 wird aber nicht hinsichtlich jeder einzelnen im Bereich gesetzlicher Pflichtaufgaben wahrzunehmenden Verwaltungsagende ein Gebot zur exakten finanzausgleichsmäßigen Aufwandsvergütung abgeleitet werden können. Vielmehr muß auch hier - durchaus im Sinne der Judikatur des VfGH - davon ausgegangen werden, daß der Finanzverfassungsgesetzgeber - unter Beachtung des allgemeinen Exzeßverbotes - ein an rechtspolitischen, nämlich finanzpolitischen Gesichtspunkten orientiertes und entsprechend flexibles Finanzausgleichssystem zwischen den Gebietskörperschaften zu erstellen hat, da starre, kasuistische Detail- bzw. Einzelfallbestimmungen nach der Konzeption des F-VG 1948 auch hinsichtlich einer Regelung 'in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung' dem finanzverfassungsrechtlich angelegten System des Finanzausgleichs fremd sind.' Dies wird im übrigen insbesondere dadurch unterstrichen, daß durch §12 F-VG 1948 der Finanzverfassungsgesetzgeber selbst den einfachen Bundesgesetzgeber zu einer - andernfalls gänzlich systemwidrigen und überflüssigen - generell-abstrakten 'Härteausgleichsregelung' ermächtigt und dadurch dem speziellen Gleichheitsgehalt des §4 F-VG 1948 eine besondere Prägung verliehen hat (zum Verhältnis des §12 zu §4 F-VG 1948 vgl. die Ausführungen unter Pkt. 4).

3. Gleichheitskonformität der finanzausgleichsrechtlichen Verteilung von Erträgen der gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die Gemeinden

3.1. Zur Sonderstellung der Städte mit eigenem Statut im Rahmen der Ertragsverteilung

Im vorliegenden Zusammenhang stellt sich vorerst die allgemeine Frage nach der sachlichen Rechtfertigung jener in Prüfung stehenden Regelungen, welche die Städte mit eigenem Statut betreffen, gegenüber den vergleichbaren, für andere Gemeinden geltenden Regelungen. Somit ist zunächst zu prüfen, ob und inwieweit überhaupt die rechtliche Notwendigkeit besteht, Städten mit eigenem Statut im Rahmen der Regelung des Finanzausgleiches zusätzliche Mittel zur Bewältigung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben (Art116 Abs3 letzter Satz B-VG) zur Verfügung zu stellen.

Zunächst zu den Städten mit eigenem Statut mit weniger als 20.000 Einwohnern: Hier sei beispielsweise auf Waidhofen an der Ybbs verwiesen. Die Stadtgemeinde Waidhofen/Ybbs wies zum Zeitpunkt der Volkszählung 1981 einen Bevölkerungsstand von 11. 325 Einwohnern auf (Statistisches Handbuch für die Republik Österreich, 1984, Seite 24). Die Sonderstellung dieser Gemeinde gemäß Art116 Abs3 letzter Satz B-VG, nämlich der Umstand, daß diese Gemeinde neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der Bezirksverwaltung zu besorgen hat, erscheint bereits durch die Regelung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels (§8 Abs3 FAG 1979 sowie die entsprechenden Bestimmungen früherer Finanzausgleichsgesetze) abgegolten. Denn die genannte Stadtgemeinde gerät allein wegen ihrer besonderen Rechtsstellung als Stadt mit eigenem Statut in den Genuß eines höheren Bevölkerungsschlüssels als er ansonsten nach den jeweils einschlägigen Finanzausgleichsregelungen den Gemeinden bis zu 20.000 Einwohner zustünde. Bereits durch diese außerordentliche Vergünstigung kann der aus ihrer Sonderstellung erwachsende Mehraufwand der Gemeinde Waidhofen/Ybbs grundsätzlich als abgegolten angesehen werden.

Für jene Städte mit eigenem Statut, die zwischen 20.000 und 50.000 Einwohner aufweisen, sei hier als Beispiel die Stadtgemeinde Wiener Neustadt (35.006 Einwohner nach der Volkszählung 1981, Statistisches Handbuch für die Republik Österreich 1984, Seite 24). Bei den Städten mit eigenem Statut dieser Größenordnung geht der Finanzausgleichsgesetzgeber offenbar davon aus, daß bereits allein aufgrund der allgemeinen Einstufung von Gemeinden dieser Größenordnung nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel auch dem aufgrund dieser Bevölkerungszahl und ihrer Sonderstellung gemäß Art116 Abs3 letzter Satz B-VG erhöhten Aufgabenfall grundsätzlich in ausreichendem Ausmaß Rechnung getragen ist.

Hinsichtlich der Städte mit eigenem Statut mit über 50.000 Einwohnern (zB die Stadtgemeinde Salzburg mit 139.426 Einwohnern nach der Volkszählung 1981, Statistisches Handbuch für die Republik Österreich, 1984, Seite 24) ließ sich der Finanzausgleichsgesetzgeber offenbar seit jeher von der Überlegung leiten, daß diese Gruppe von Städten mit eigenem Statut ohnedies durch den abgestuften Bevölkerungsschlüssel am stärksten begünstigt wird, sich also daher eine besondere Berücksichtigung bei der Verteilung der Erträge der gemeinschaftlichen Bundesabgaben schon allein wegen dieser besonderen Begünstigung erübrige.

3.2. Zur Frage der Gleichbehandlung der Städte mit eigenem Statut im Rahmen der Ertragsverteilung

3.2.1. Allgemeines

Die Bundesregierung verkennt nicht, daß die Verteilung der Abgabenerträge der gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüsseln (§8 Abs3 FAG 1979 und gleichartige Regelungen früherer Finanzausgleichsgesetze) insoferne zu einer Ungleichgewichtigkeit bei der Tragung der Lasten der öffentlichen Verwaltung führen könnte, als die finanzielle Belastung innerhalb der Gruppe der Städte mit eigenem Statut je nachdem unterschiedlich sein kann, ob in diesen Städten eine Bundespolizeibehörde besteht, die jene Agenden, welche ansonsten durch eine Bezirksverwaltungsbehörde zu besorgen sind, wahrnimmt.

Nun könnte zunächst behauptet werden, die in diesem Zusammenhang in Prüfung gezogenen finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen seien alleine insoferne wegen Verstoßes gegen §4 F-VG 1948 verfassungswidrig, als sie nicht ausdrücklich auf die abstrakte Gruppe der Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden durch Abgeltung der für sie dadurch erwachsenden Mehrbelastungen Bedacht nehmen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß diese Behauptung in Wahrheit nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die in Rede stehende finanzausgleichsgesetzliche Regelung auch zu einer tatsächlichen Ungleichbehandlung dieser Gruppe von Städten mit eigenem Statut, die seit jeher lediglich zwei Gemeinden, nämlich die Stadtgemeinde Krems und die Stadtgemeinde Waidhofen/Ybbs umfaßt, führen würde. Dabei muß für die Feststellung einer tatsächlichen Ungleichbehandlung im vorliegenden Zusammenhang von jenen Sachverhalten ausgegangen werden, die durch die in Prüfung gezogenen Regelungen unter dem Aspekt mangelnder Berücksichtigung von 'Polizeiverwaltungskosten' überhaupt betroffen werden konnten.

3.2.2. Der Fall Waidhofen/Ybbs

Von den beiden genannten Gemeinden weist Waidhofen an der Ybbs eine Bevölkerung von weniger als 20.000 Einwohnern auf. Diese Stadtgemeinde gerät damit allein wegen ihrer besonderen Rechtsstellung als Stadt mit eigenem Statut in den Genuß eines höheren Bevölkerungsschlüssels, als er ansonsten nach den einschlägigen Finanzausgleichsbestimmungen, wie etwa §8 Abs3 FAG 1979, den Gemeinden bis 20.000 Einwohnern zustünde. Nach Ansicht der Bundesregierung kann aber allein durch diese außerordentliche Vergünstigung der aus ihrer Sonderstellung gemäß Art116 Abs3 letzter Satz B-VG bedingte Mehraufwand einschließlich des aus dem Fehlen einer Bundespolizeibehörde erwachsenden Mehraufwandes der Gemeinde Waidhofen/Ybbs als tatsächlich abgegolten angesehen werden, so daß keinesfalls von einer finanzausgleichsgesetzlichen Nichtberücksichtigung und auch nicht von einer dadurch bedingten tatsächlichen Ungleichbehandlung dieser Stadt mit eigenem Statut gesprochen werden kann.

3.2.3. Der Fall Krems an der Donau

Eine 'abstrakte Gruppe' von Städten mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden, die über 20.000 Einwohner aufweisen, hat der Finanzausgleichsgesetzgeber nicht durch eine gleichartige Regelung berücksichtigt. Eine genaue Betrachtung zeigt allerdings, daß während des gesamten prüfungsgegenständlichen Zeitraumes lediglich die Stadtgemeinde Krems die besonderen Merkmale dieser 'Gruppe' erfüllt.

Vorausgeschickt sei, daß den folgenden Überlegungen der Einfachheit halber die von der Stadt Krems an der Donau geltend gemachten Polizeikosten - ohne daß dies ihre berechnungsmäßige Anerkennung in der behaupteten Höhe bedeuten würde - zugrundegelegt werden. Zur vorläufigen Annahme des VfGH, der Bund habe durch die Nichtberücksichtigung der höheren Belastung der Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden einen Exzeß begangen und damit gegen das Gebot des §4 F-VG 1948 verstoßen, wird zunächst auf die angeschlossenen Tabellen verwiesen. Daraus ist nämlich ersichtlich, daß die von der Stadt Krems an der Donau eingeklagten Polizeikosten im Verhältnis zu den Abgabeneinnahmen allein bzw. den Abgabeneinnahmen unter Einbeziehung der Bedarfszuweisungen eine marginale Größe ausmachen und sich zwischen 1,96% und 2,27% bewegen. Durch den Umstand allein, daß die Polizeikosten im Verhältnis zu den Abgabeneinnahmen unter Einbeziehung der Bedarfszuweisungen im Schnitt der von der Bundesregierung untersuchten Jahre 1972 bis 1978 2,09% betragen, kann wohl die Annahme einer finanzausgleichsgesetzlich bedingten tatsächlichen Ungleichbehandlung der Stadt Krems an der Donau als widerlegt angesehen werden, da bei diesen Größenordnungen wohl nicht von einem 'Exzeß' gesprochen werden kann (Tabelle I).

Aus der Darstellung der Abgabeneinnahmen (ohne Gebühren für die Benützung der Gemeindeeinrichtungen und -anlagen und ohne Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern) der Stadt Krems an der Donau und der nach der jeweiligen Einwohnerzahl nächsten 15 Gemeinden - jedoch ohne die betreffenden Gemeinden des Landes Vorarlberg (Dornbirn, Bregenz und Feldkirch), die wegen des erheblichen West-Ost-Gefälles in bezug auf die Finanzkraft der Gemeinden für einen Vergleich mit der Stadt Krems nicht geeignet erscheinen - zeigt sich, daß Krems unter Berücksichtigung der Finanzzuweisungen und Zweckzuschüsse des Bundes sowie der Bedarfszuweisungen des Landes Niederösterreich im Jahre 1978 (Grundlage: FAG 1973) über eine Finanzkraft von 5.643,60 S je Einwohner verfügte. Krems lag damit über dem Durchschnitt (5.528 S) der genannten vergleichbaren Gemeinden und wurde nur von den drei wesentlich größeren Industriestädten St. Pölten, Wels und Steyr sowie von der Kurstadt Baden übertroffen (Tabelle II). Läßt man jedoch bei Baden die Spielbankabgabe wegen ihres besonderen Charakters unberücksichtigt, liegt Krems mit Baden nahezu gleich.

In der Tabelle III wird die Finanzkraft der gleichen Gemeinden je Einwohner für das Jahr 1979 (Grundlage: FAG 1979) dargestellt, wobei sich ein ähnliches Bild zeigt: Die Stadtgemeinde Krems liegt über dem Durchschnitt der vergleichbaren Gemeinden und wird nur von Wels, Steyr und Baden (hier nur bei Berücksichtigung der Spielbankabgabe) sowie Traun überholt.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden:

Die Kosten der Stadt Krems an der Donau für die Besorgung polizeilicher Angelegenheiten machen unter Berücksichtigung der Finanzzuweisungen und Zweckzuschüsse des Bundes und der Bedarfszuweisungen des Landes rund 2% der Abgabeneinnahmen aus.

Die Stadtgemeinde Krems war in den Jahren 1978 und 1979 hinsichtlich ihrer Finanzkraft je Einwohner günstiger gestellt, als der Großteil der Gemeinden vergleichbarer Größenordnung.

3.2.4. Gleichheitskonformität der finanzausgleichsgesetzlichen Regelung der Besteuerungsrechte oder der Abgabenerträge

Die Bundesregierung geht davon aus, daß bei der gleichheitsrechtlichen Beurteilung der in Prüfung gezogenen finanzausgleichsrechtlichen Bestimmungen dem Umstand eine besondere Bedeutung zukommt, daß die Stadt Krems aufgrund des geschilderten, seit 1948 unveränderten Sachverhaltes als Stadt mit eigenem Statut mit mehr als 20.000 Einwohnern und ohne Bundespolizeibehörde einen besonderen Einzelfall darstellt und nicht etwa einen Unterfall einer nach abstrakt typisierenden Merkmalen zu unterscheidenden Gruppe bildet. Daher meint die Bundesregierung, daß es auch nicht Aufgabe der notwendigerweise generellen Regelung der Besteuerungsrechte oder der Abgabenerträge sein kann und konnte, diesen Sonderfall einer ausdrücklichen generellen Regelung zu unterwerfen. Eine allein auf diesen Umstand gegründete Verfassungswidrigkeit etwa des §8 Abs3 FAG 1979 (oder vergleichbarer Vorläuferbestimmungen) scheidet somit nach Ansicht der Bundesregierung und wohl auch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB das Erkenntnis vom 14. Dezember 1983, G34/83-10) aus.

Angesichts des dargestellten einzelfallspezifischen Sachverhaltes erschiene auch ein allfälliger Vorwurf verfehlt, der Finanzausgleichsgesetzgeber hätte die besondere abstrakte Merkmalskonstellation der Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden in einer dem §4 F-VG 1948 widersprechenden Weise systematisch so vernachlässigt, daß in vorhersehbarer Weise eine dem Gebot des §4 F-VG 1948 entsprechende Regelung gemäß den §§2 und 3 F-VG 1948 in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung unterblieben

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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