TE Vfgh Erkenntnis 1986/6/19 B714/83

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1986
beobachten
merken

Index

74 Kirchen, Religionsgemeinschaften
74/01 Gesetzliche Anerkennung, äußere Rechtsverhältnisse

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
MRK Art9, Art14
StGG Art14, Art15
OrthodoxenG 1967 §1 Abs1 und Abs2
OrthodoxenG 1967 §2 lita
OrthodoxenG 1967 §3 Abs3
OrthodoxenG 1967 §8 Abs2
StV Wien 1955 Art63, Art67

Leitsatz

OrthodoxenG; Anzeige des Bestehens einer "österreichisch-orthodoxen Kirche der Diözese von Westeuropa" und der Errichtung von vier Kirchengemeinden; Ablehnung der Kenntnisnahme der Anzeige durch den BMUK ohne jedes Ermittlungsverfahren; keine Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens nach §3 Abs3; durch behördliches Verhalten, das die Anerkennung einer Kirche oder Religionsgesellschaft für den staatlichen Bereich iS des Art15 StGG hindert, kein Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art14 StGG und in die Religionsfreiheit nach Art9 MRK; keine Bedenken gegen das OrthodoxenG; griechisch-orientalische Kirche ist eine aus selbständigen (autokephalen) Kirchen in wechselseitiger Anerkennung gewachsene Einheit, der sich auch die Kirchengemeinden einfügen müssen; eine "österreichisch-orthodoxe Kirche" innerhalb der griechisch-orientalischen Gemeinschaft offenkundig nicht als autokephale Kirche anerkannt; ausgehend davon vertretbare Annahme, daß ein Ermittlungsverfahren überflüssig sei; keine Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die griechisch-orientalische Kirche in Österreich ist durch das BG vom 23. Juni 1967, BGBl. 229 (im folgenden: OrthodoxenG), anerkannt (§1 Abs1). Ihr gehören mit Wirkung für den staatlichen Bereich alle Personen griechisch-orientalischen (orthodoxen) Glaubensbekenntnisses zu, die ihren ordentlichen Wohnsitz oder bei Fehlen eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; diese bekenntnismäßige Zugehörigkeit zur griechisch-orientalischen Kirche in Österreich ist von der Mitgliedschaft zu einer staatlich anerkannten Kirchengemeinde nicht abhängig (§1 Abs2). Eine von Personen griechisch-orientalischen Bekenntnisses gebildete griechisch-orientalische Kirchengemeinde erlangt durch Anzeige an das Bundesministerium für Unterricht (später: für Unterricht und Kunst, seit 1. Jänner 1985: für Unterricht, Kunst und Sport) auch für den staatlichen Bereich Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts, wenn ihr künftiger Bestand und die Tradierung griechisch-orientalischen (orthodoxen) Glaubens- und Lehrgutes glaubhaft gemacht wird und ihre Satzung dem Gesetz entspricht (§2): neben ihrem Namen, Sitz und Amtsbereich muß daraus ua. zu ersehen sein, welcher geistlichen Jurisdiktion sie untersteht und wonach sich die Gemeindezugehörigkeit bestimmt (§8 Abs1). Im Zweifelsfall ist außerdem glaubhaft zu machen, daß in die Rechte bestehender anerkannter Kirchengemeinden nicht eingegriffen wird (§8 Abs2). Das Einlangen der gesetzmäßigen Anzeige ist zu beurkunden (§3 Abs2); erfüllt sie die gesetzlichen Voraussetzungen nicht, hat der Bundesminister zur Behebung der Mängel innerhalb angemessener Frist aufzufordern; bei offenbarer Aussichtslosigkeit oder bei fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist ist die Kenntnisnahme der Anzeige mit Bescheid abzulehnen (§3 Abs3).

Die serbische und die rumänische griechisch-orientalische Kirchengemeinde in Wien sowie die dem ökumenischen Patriarchen (von Konstantinopel) unmittelbar unterstehende griechisch-orientalische Metropolis von Austria und die beiden ihrer geistlichen Jurisdiktion unterstellten griechisch-orientalischen Kirchengemeinden in Wien sind schon im Gesetz selbst anerkannt (§§4 - 6). Für alle anerkannten Einrichtungen der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich enthält das Gesetz nähere Bestimmungen (§§7 - 12).

2. Am 11. Oktober 1982 gaben die fünf Bf. dem Bundesminister für Unterricht und Kunst das Bestehen einer griechisch-orientalischen Kirche mit dem Namen "Österreichisch-orthodoxe Kirche der Diözese von Westeuropa" an, beantragten deren Anerkennung und legten die Satzung von vier Kirchengemeinden in Salzburg, Linz, Wien und Villach vor. Die gemäß der Präambel unter einem Regionalbischof mit dem Sitz in Salzburg stehenden Gemeinden sollen sich durch einen dem Namen der Kirche angefügten Namen eines Heiligen (zu Maria Schutz, zum Hl. Erzengel Michael, zur Hl. Brigitta und zum Hl. Alexander von Newsky) von anderen griechisch-orientalischen Kirchengemeinden unterscheiden und zusammen alle Bundesländer umfassen (§1 dS); unterworfen seien sie "der geistlichen Jurisdiktion des orthodoxen Erzbischofs der Diözese von Westeuropa mit dem Sitz in Genf, Antony, welcher seinerseits dem orthodoxen Metropoliten Philaret mit dem Sitz in New York untersteht" (§2 dS), ihr Zweck sei die "Vereinigung der gläubigen orthodoxen Bekenntnisse auf der Grundlage der Lehren, Überlieferungen und Regeln des griechisch-orientalischen (orthodoxen) Glaubensgutes zur Erfüllung der religiösen Bedürfnisse und sittlichen Vervollkommnung ihrer Mitglieder" (§3 dS), und Mitglied könne jede (volljährige) Person orthodoxen Glaubensbekenntnisses werden, die ihren ordentlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, und zwar durch Anerkennung des Aufnahmewerbers seitens des Kirchenrates (§4 dS).

Die Anzeige enthält Namen und Anschriften der vertretungsbefugten Organe der Kirchengemeinden und verweist auf mehrere Beilagen mit den Namen aller in die Organe gewählten Personen und die Übersetzung von Bestätigungen des Erzbischofs von Genf und Westeuropa der EGLISE ORTHODOXE RUSSE A L'ETRANGER, Antony, daß "die Österreichisch-orthodoxe Kirche der Diözese von Westeuropa das orthodoxe Glaubens- und Lehrgut seit dem Jahre 1920 intensiv pflegt" und die RUSSISCH-ORTHODOXE KIRCHE IM AUSLAND, DIÖZESE WESTEUROPA bei der Polizeipräfektur des Seine-Departements in Paris als ausländische kulturelle Vereinigung eingetragen sei.

Ferner ist in der Anzeige ausgeführt:

"Die Russisch-Orthodoxe Kirche außerhalb Rußlands hat sich auf Grund der Verfügung Nr. 362 des damaligen Patriarchen von Moskau Tichon vom 7./20. 11. 1920 gebildet, welche den geänderten politischen Verhältnissen in Rußland Rechnung trug und zum Ziel hatte, die freie Ausübung des orthodoxen Glaubensbekenntnisses von jenen Personen, welche genötigt gewesen waren, Rußland zu verlassen, in der bisherigen traditionellen Form zu ermöglichen. Diese Personen russisch-orthodoxen Glaubensbekenntnisses, die im Ausland lebten, unterstanden einem geistlichen Oberhaupt, welches zunächst seinen Sitz in Europa hatte, wobei die Amtssitze wechselten. Letzten Endes wurde sein Amtssitz nach New York verlegt. Das jetzige Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche im Ausland ist der Metropolit Filaret. Die gesamte Russisch-Orthodoxe Kirche im Ausland ist in 14 Diözesen gegliedert, die sich auf alle Kontinente verteilen. Die westeuropäische Diözese untersteht dem Erzbischof Antony, der seinen Sitz in Genf hat. Die Russisch-Orthodoxe Kirche im Ausland weist gegenwärtig über 500.000 Mitglieder auf."

...

"Für die angeführten 4 russisch-orthodoxen Kirchengemeinden in Österreich wurde die Bezeichnung Österreichisch-Orthodoxe Kirche der Diözese von Westeuropa gewählt. Diese Kirche ist eine solche im Sinne des Bundesgesetzes vom 23. 6. 1967, BGBl. Nr. 229 (in der Folge kurz Orthodoxengesetz genannt). Die Zahl ihrer Angehörigen beträgt gegenwärtig rund 4.200. Zunächst hatten sich in diesen Kirchengemeinden jene Personen zusammengeschlossen, welche infolge der Oktoberrevolution des Jahres 1917 Rußland verlassen mußten. Dazu kamen in der Folge deren Nachkommen. Inzwischen haben diese Personen fast durchwegs die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt. Doch beschränkt sich die Kirche nicht auf diesen Personenkreis, welcher aus Emigranten und deren Nachkommen besteht. Vielmehr kamen auch Personen aus anderen Ländern hinzu, die niemals in Rußland gelebt hatten und zu Rußland keinerlei Beziehung unterhalten."

Die in Rede stehende Kirche unterscheide sich von jener, die vom Ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel geleitet wird. Aber auch gegenüber der orthodoxen Kirche in Rußland bestünden Unterschiede:

"... Den Flüchtlingen aus Rußland und deren Nachkommen kann nicht zugemutet werden, eine Verbindung mit dem Patriarchat in Moskau aufrechtzuerhalten. So wurden im vergangenen Jahr Zar Nikolaus II. von Rußland und seine Familie sowie über 30.000 Gläubige (davon in detaillierten Listen 8000 namentlich angeführte), die während und nach der russischen Oktoberrevolution als Märtyrer den Tod gefunden hatten, durch den orthodoxen Metropoliten von New York Filaret heiliggesprochen. Es ist dies ein Vorgang, den der in Moskau residierende Patriarch niemals vornehmen könnte. Der Patriarch von Moskau ist Bürger eines Staates, dessen tragende Grundlage u. a. der Atheismus ist. Jeder Staatsbürger ist seinem Staat gegenüber zur Treue verpflichtet. Der Patriarch von Moskau könnte daher niemals einen Akt der Heiligsprechung von Personen vornehmen, deren religiöse Einstellung in völligem Widerspruch zu den grundlegenden Prinzipien seines Heimatstaates gestanden war. Den Angehörigen unserer 4 Kirchengemeinden kann niemals der Zwang auferlegt werden, sich dem Moskauer Patriarchen unterzuordnen. Sie würden dadurch in einen unerträglichen Gewissenszwang geraten. Dieser Gewissenszwang wäre ein weitaus stärkerer als jener, der Gegenstand des Verfahrens beim VfGH zu G31/79 gewesen war. In dieser Rechtssache hatte der VfGH ausgesprochen, daß im selben räumlichen Bereich auch mehrere israelitische Religionsgemeinschaften bestehen können. Die völlig verschiedenartige kirchenpolitische Entwicklung hat zur Folge, daß eine kirchliche, ideelle und organisatorische Zusammenarbeit mit der Moskauer Patriarchatskirche für alle Zukunft ausgeschlossen ist."

Nachdem der Bundesminister für Unterricht und Kunst das Einlangen dieser Anzeige zu beurkunden unterließ, erhoben die Anzeiger Säumnisbeschwerde an den VwGH, der den Bundesminister mit Verfügung vom 8. August 1983 zur Vorlage der Akten aufforderte. Innerhalb der vom VwGH gestellten Frist lehnte der Bundesminister jedoch die Kenntnisnahme der Anzeige ohne weiteres Verfahren im wesentlichen mit nachstehender Begründung ab:

"Die Antragsteller bringen im wesentlichen vor, daß sie einer seit 1920 bestehenden 'Österreichisch-Orthodoxen Kirche' angehören. Eine solche Kirche ist völlig unbekannt, sie scheint in keinem Werk über orthodoxe Kirchen auf. Eine diesbezügliche Gründung kann daher nur auf Grund einer Willensentschließung anläßlich der Stellung des gegenständlichen Antrages erfolgt sein. Entsprechend dem Selbstverständnis der orthodoxen Kirche herrscht im wesentlichen das Abstammungsprinzip. Für eine österreichische Orthodoxie haben orthodoxe Christen in Österreich keinerlei Tradition; vielmehr gehören die in Österreich lebenden Orthodoxen hinsichtlich ihrer geistlichen Jurisdiktion zum Ökumenischen, Serbischen, Rumänischen, Bulgarischen oder Moskauer Patriarchat. Eine Neugründung einer 'Österreichisch-Orthodoxen Kirche' widerspricht zunächst der orthodoxen Auffassung, weil eine solche Kirche von den verschiedenen orthodoxen Patriarchaten bisher weder anerkannt wurde noch diesen bekannt ist. Darüber hinaus widerspricht eine solche Vorgangsweise dem §8 Abs1 lita) des Orthodoxengesetzes, da eine Zugehörigkeit einer 'Österreichisch-orthodoxen Kirche' von vornherein zur griechisch-orientalischen Kirche nicht besteht.

Die Anzeige einer 'Österreichisch-Orthodoxen Kirche' könnte weiters als Zugehörigkeit zur 'Russisch-orthodoxen Kirche im Ausland' aufgefaßt werden, wofür die Angaben über die geistliche Jurisdiktion sprechen könnten. Abgesehen davon, daß ein näherer organisatorischer Zusammenhang mit dieser Exilkirche im Antrag nicht zum Ausdruck kommt, wird für die eingeschlagene Vorgangsweise einer Gründung einer 'Österreichisch-Orthodoxen Kirche der Diözese von Westeuropa' im wesentlichen nur auf die Unzumutbarkeit einer Verbindung mit dem Patriarchat in Moskau nach der Oktoberrevolution des Jahres 1917 in Rußland hingewiesen. Hier handelt es sich aber nicht um kirchliche oder religionsgesellschaftliche Gründe, sondern um andere, nicht vom Orthodoxengesetz als relevant erfaßte Gründe.

Für die Zugehörigkeit zu einer solchen 'Österreichisch-Orthodoxen Kirche' mit ihren Kirchengemeinden wird in §4 lita der vorgelegten Satzungen nur auf ein orthodoxes Glaubensbekenntnis, die Volljährigkeit und Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich abgestellt. Hiemit erscheint das in der orthodoxen Kirche geltende Abstammungsprinzip in keiner Weise gewahrt. Vielmehr wird ausdrücklich vorgebracht, daß es sich bei diesen Mitgliedern nicht nur um Exilrussen und deren Nachkommen, sondern auch um Personen aus anderen Ländern handelt, die niemals in Rußland gelebt hatten und zu Rußland keinerlei Beziehung unterhalten. Diese Mitglieder würden nun einerseits weder zur Russisch-orthodoxen Kirche noch zur Russisch-orthodoxen Exilkirche Beziehungen nach orthodoxer Auffassung haben; anderseits würden solche Mitglieder dem jeweiligen orthodoxen Patriarchat angehören, das ihrer nationalen Abstammung entspricht. Hiemit wird aber durch die Gründung einer 'Österreichisch-Orthodoxen Kirche' in die Rechte bestehender Kirchengemeinden im Sinne von §8 Abs2 des Orthodoxengesetzes notwendig eingegriffen. Es war daher eine Aufforderung gemäß §3 Abs3 Orthodoxengesetz offenbar aussichtslos, sodaß nach derselben Bestimmung spruchgemäß zu entscheiden war."

3. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art14 StGG) sowie Religionsfreiheit (Art9 MRK) und Gewährleistung der Rechte und Freiheiten ohne Unterschied der Religion (Art14 MRK).

Der Bundesminister für Unterricht und Kunst wurde mit Verfügung des VfGH vom 1. Dezember 1983 aufgefordert, die Akten vorzulegen. Nach wiederholten Erinnerungen hat er schließlich am 29. Jänner 1986 einen Umschlagbogen mit der an ihn ergangenen Aufforderung des VwGH im Verfahren über die Säumnisbeschwerde, den dieser Aufforderung beigelegten Kopien der Anzeige samt Beilagen und der Urschrift des angefochtenen Bescheides, nicht aber andere Aktenstücke vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

II. Die Beschwerde ist gleichwohl nicht begründet.

Vorweg ist klarzustellen, daß ein behördliches Verhalten, das die Anerkennung einer Kirche oder Religionsgesellschaft für den staatlichen Bereich iS des Art15 StGG hindert, weder die in Art14 StGG gewährleistete Glaubens- und Gewissensfreiheit noch die durch Art9 MRK geschützte Religionsfreiheit berührt. Diese jedermann gewährleisteten Freiheiten - im wesentlichen gleich der Freiheit, öffentlich oder privat einen Glauben, eine Religion oder ein Bekenntnis frei zu üben (Art63 und 67 StV von St. Germain) - hängen nicht davon ab, daß die Gemeinschaft, in welcher der Glaube, die Religion oder das Bekenntnis geübt wird, die Stellung einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft genießt. Die Bf. sind nicht daran gehindert, ihre Religion "in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten oder Beobachtung religiöser Gebräuche auszuüben" (Art9 MRK). Ihre Behauptung, sie wären "gezwungen ..., die öffentliche Ausübung ihres Religionsbekenntnisses im Rahmen einer bestehenden orthodoxen Kirchengemeinde vorzunehmen", ist offenkundig unrichtig. Keine Vorschrift nimmt ihnen die Freiheit, dies im Rahmen der von ihnen gebildeten Gemeinden zu tun. Sie können daher durch den angefochtenen Bescheid in den genannten Rechten nicht verletzt worden sein.

Dementsprechend scheidet auch eine - gar nicht substantiiert behauptete - Verletzung des Art14 MRK aus.

Das Schwergewicht der Beschwerde liegt ohnedies im Vorwurf der Gleichheitsverletzung: Es bestehe kein Grund, den die Anerkennung suchenden Kirchengemeinschaften die Gleichstellung mit anderen orthodoxen Gemeinden zu verweigern, und die Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit, das Ignorieren des Parteivorbringens und ein mehrfaches unbegründetes Abgehen vom Inhalt der Akten reiche in die Verfassungssphäre.

Auch dieser Vorwurf ist aber nicht berechtigt:

1. Der VfGH hat es im Erk. VfSlg. 9185/1981 (G31/79) mit dem Gleichheitssatz für unvereinbar gehalten, einer Personengruppe, für deren religiöse Überzeugung das Bekenntnis als "Israelite" (zum jüdischen Glauben) wesentlich ist, die Möglichkeit zu verwehren, neben der auf einem bestimmten Gebiet einzig bestehenden israelitischen Kultusgemeinde eine andere anerkannte israelitische Religionsgesellschaft zu gründen. Daß §2 IsraelitenG (wonach in demselben Gebiet nur eine Kultusgemeinde bestehen könne) diesen verpönten Inhalt hatte, wurde von der erklärten Absicht des Gesetzgebers bestätigt, das Verbleiben eines Teiles der Judenschaft außer jedem Gemeindeverband auszuschließen, obwohl ihm die Vielfalt von Glaubensformen und religiösen Richtungen innerhalb der Judenschaft (insbesondere der extreme Unterschied zwischen Reformern und Orthodoxen) geläufig war (und die Anerkennung beider Richtungen als "Israeliten" nicht bezweifelt werden konnte).

Das Vorbringen in der Anzeige der Bf. veranlaßt den Gerichtshof daher zu betonen, daß die Gesetzeslage hier nicht vergleichbar ist. Zwar ist der Gesetzgeber auch bei Erlassung des OrthodoxenG von einer Vielfalt von Kirchen innerhalb der griechisch-orientalischen Kirche ausgegangen. So betonen die EB zur RV, 496 BlgNR 11. GP (S 6):

"Die orthodoxe Kirche besitzt unbeschadet der weitgehenden dogmatischen Einheit keine sichtbare äußere organisatorische Einheit unter einem irdischen Oberhaupt. Jesus Christus ist ihr gemeinsames Oberhaupt. Nach dem Grundsatz der Nationalkirchen gibt es eine Mehrzahl von sogenannten autokephalen ('mit eigenem Haupt') Regionalkirchen, zum Beispiel die russische Kirche, die Kirche des Königreiches Griechenland, die serbische Kirche usw. Diese Regionalkirchen besitzen zum Teil verschiedene Riten und verschiedene Kultsprachen. Häufig steht an der Spitze der Hierarchie dieser Kirchen ein Patriarch."

Das Gesetz verzichtet aber darauf, die Angehörigen dieser Religion in eine Einheitsgemeinde zu zwingen. Vielmehr anerkennt es die griechischorientalische Kirche ohne Rücksicht auf ihre fehlende äußere Organisation - was immer das bedeuten mag -, trennt die Zugehörigkeit zu dieser Kirche ausdrücklich von der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Kirchengemeinde (§1 Abs2 letzter Satz) und verbietet auch sonst nirgends die Bildung mehrerer griechisch-orientalischer Kirchengemeinden mit gleichem oder überschneidendem Amtsbereich. Es steht den verschiedenen Kirchen folglich frei, im Rahmen der griechisch-orientalischen Kirche eigene Gemeinden als deren Einrichtungen zu gründen und für den staatlichen Bereich wirksam zu machen, wie dies ja auch wiederholt geschehen ist.

Freilich versteht das Gesetz unter einem "griechisch-orientalischen (orthodoxen) Glaubensbekenntnis" nicht schlechthin jedes Glaubensbekenntnis, das der Bekennende selbst als "griechisch-orientalisch (orthodox)" wertet. Es hat vielmehr eine dem Gesetzgeber erkennbar vorgelegene, geschichtlich gewordene, in bestimmten Gemeinschaften verkörperte und insofern objektiv bestimmbare Kirche anerkannt. Eine Gruppe, für deren religiöse Überzeugung die Bezeichnung als orientalisch oder orthodox wesentlich ist, ohne daß sie einen wie immer gearteten Teil dieser Kirche bildete, ist aber eben deshalb auch durch keine Vorschrift gehindert, ihre Anerkennung nach allgemeinem Recht zu erwirken, also bei Erfüllung der Voraussetzungen nach dem AnerkennungsG, RGBl. 68/1874, staatliche Rechtspersönlichkeit zu erlangen. So sagen die EB zur RV (aaO) ausdrücklich:

"Nicht betroffen durch diesen Gesetzentwurf werden solche morgenländische christliche Gruppen, die wegen bekenntnismäßiger Unterschiede nicht in dogmatischer Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel stehen."

Auch in dieser Hinsicht bestehen also gegen das anzuwendende Gesetz keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Eine Gleichheitswidrigkeit könnte unter diesen Umständen nicht dem Gesetz, sondern allenfalls der Behörde zur Last gelegt werden, wenn sie einer griechisch-orientalischen Kirchengemeinde die Anerkennung willkürlich oder derart verweigerte, daß dem Gesetz damit ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt würde.

2. Die bel. Beh. hat die Kenntnisnahme der Anzeige der Errichtung von Kirchengemeinden ohne jedes Ermittlungsverfahren abgelehnt und das in §3 Abs3 OrthodoxenG vorgesehene Mängelbehebungsverfahren als offenbar aussichtslos angesehen. Ob sie dabei willkürlich gehandelt oder dem Gesetz (fälschlich) einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, hängt davon ab, ob die Anzeige Anlaß für irgendwelche Ermittlungen oder eine Aufforderung zur Mängelbehebung gegeben hat. Der VfGH kann das nicht finden:

a) Geht man davon aus, daß das Gesetz nicht abstrakte Glaubensinhalte oder ein Bekenntnis als individuellen Akt, sondern eine Kirche und daher eine bestehende Glaubensgemeinschaft anerkennt, die nach ihrem Selbstverständnis zwar keine äußere organisatorische Einheit ("unter einem irdischen Oberhaupt"), aber doch eine Gemeinschaft von Kirchen bildet, muß jede Einrichtung der griechisch-orientalischen Kirche in diese Gemeinschaft eingebettet sein. Anders als die israelitische Religionsgemeinschaft, die staatskirchenrechtlich nur in Gestalt einzelner unverbundener Kultusgemeinden erscheint, ist die griechisch-orientalische Kirche eine aus selbständigen (autokephalen) Kirchen in wechselseitiger Anerkennung gewachsene Einheit. Dieser auch von den EB der RV betonten "besonderen Struktur der griechisch-orientalischen Kirche" (S 7) will das Gesetz Rechnung tragen. Ihr müssen sich daher auch die Kirchengemeinden einfügen. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt und ein Eingriff in die inneren Angelegenheiten der griechisch-orientalischen Kirche, wenn ihr auch Kirchen oder - akephale - Kirchengemeinden zugerechnet würden, mit denen die ihr angehörenden Kirchen (wegen bekenntnismäßiger Unterschiede) keine Gemeinschaft pflegen.

Wenn die EB dieses Erfordernis der Einordnung mit der Notwendigkeit einer "dogmatischen Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel" umschreiben, so wegen dessen besonderer Stellung innerhalb der orthodoxen Kirche, über die an anderer Stelle gesagt wird (S 6):

"... Bereits im vierten Jahrhundert erlangte der Patriarch am Sitz des Kaisers im neuen Rom (in Konstantinopel) den Ehrenvorrang vor allen anderen Bischöfen des römischen Reiches nach dem Papst. Seit dem sechsten Jahrhundert bezeichnet sich der Patriarch von Konstantinopel als ökumenisch (oikumene = bewohnter Teil der Erde). Daraus erklärt sich schon geschichtlich die besondere Stellung des Patriarchen von Konstantinopel, der innerhalb der orthodoxen Kirche den Ehrenvorrang vor allen übrigen Patriarchen und Bischöfen genießt. ..."

Ähnlich wird im Neuen Handbuch theologischer Grundbegriffe, hg. von Eicher, München 1985, (III 301) ausgeführt, unter den orthodoxen Kirchen genieße

"... das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel einen Ehrenprimat, da ihm, über seine kirchengeschichtliche Relevanz hinaus, nach kanonischem Recht die letztinstanzliche Anerkennung einer autokephalen Ortskirche vorbehalten ist".

Im Sinne dieser hervorragenden Bedeutung des Ökumenischen Patriarchen ist es auch zu verstehen (und sachlich gerechtfertigt), wenn §2 lita OrthodoxenG vorsieht, daß über das Erfordernis der Tradierung griechisch-orientalischen (orthodoxen) Glaubens- und Lehrgutes im Zweifelsfall ein Gutachten der (diesem Patriarchen unmittelbar unterstehenden) griechisch-orientalischen Metropolis von Austria eingeholt werden könne.

b) Der angefochtene Bescheid hält die Errichtung von Kirchengemeinden einer "Österreichisch-orthodoxen Kirche" als Einrichtung der griechisch-orientalischen Kirche a limine für unzulässig.

Da eine solche Kirche innerhalb der griechisch-orientalischen Gemeinschaft ganz offenkundig nicht als autokephale Kirche anerkannt ist (und nach dem eigenen Vorbringen der Antragsteller eine solche auch gar nicht darstellt, weil die Kirchengemeinden laut Satzung der Jurisdiktion des Genfer Erzbischofs und des New Yorker Metropoliten einer Kirche unterstehen, die sich - ohne daß dies aber in der Satzung zum Ausdruck käme - als Russisch-orthodoxe Kirche im Ausland bezeichnet) und die Kirchengemeinden auch nicht etwa als relativ autonome Kirche einer autokephalen allgemein gleichgestellt werden (wie insbesondere schon der Beisatz "der Diözese von Westeuropa" deutlich zeigt), waren Ermittlungen zu dieser Frage in der Tat überflüssig. Den Vorwürfen der Bf. ist entgegenzuhalten, daß sie eben nicht die Bildung von Kirchengemeinden einer autokephalen (autonomen) orthodoxen Kirche, sondern nur von solchen einer unselbständigen "Österreichisch-orthodoxen Kirche" angezeigt haben. Damit tragen sie übrigens dem Gesetz auch insoweit nicht Rechnung, als dieses (neben der griechisch-orientalischen Kirche als Gesamtheit und der Metropolis von Austria) nur Kirchengemeinden anerkennt, nicht aber (Teil-)Kirchen als solche; vgl. dazu die EB (9/10):

"... Die Bestimmungen des Gesetzentwurfes beziehen sich lediglich auf die Errichtung neuer Kirchengemeinden, nicht aber auf die künftige Errichtung sonstiger kirchlicher Einrichtungen, da allfällige damit im Zusammenhang auftauchende Fragen des innerkirchlichen oder des staatlichen Rechts derzeit nicht beurteilt werden können."

Es reicht nicht in die Verfassungssphäre, wenn die Behörde dem Umstand, daß die Anerkennung von Einrichtungen einer Österreichischorthodoxen Kirche begehrt wurde, nicht als verbesserungsfähigen Mangel angesehen hat.

Insgesamt bewirkt die Ablehnung der Kenntnisnahme der Anzeige somit keine Verfassungsverletzung.

Wie die Angelegenheit zu beurteilen wäre, wenn es um die Errichtung von Kirchengemeinden der Russisch-orthodoxen Kirche im Ausland ginge (und Namen und Satzungen die organisatorische und jurisdiktionelle Zugehörigkeit der Kirchengemeinden zu dieser Kirche auch offen zum Ausdruck brächten), ist hier nicht zu erörtern. Einen solchen Antrag müßte die Behörde aber jedenfalls den im Gesetz vorgesehenen Verfahren unterziehen.

Die Beschwerde ist vielmehr abzuweisen.

Schlagworte

Religionsgesellschaften, Kultusrecht, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B714.1983

Dokumentnummer

JFT_10139381_83B00714_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten