TE Vfgh Beschluss 1986/10/4 A5/85

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Veröffentlicht am 04.10.1986
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / ord Rechtsweg
EO §1 Z13
EO §35 Abs2
EO §45 Abs2
VfGG §19 Abs3 Z2 lita

Leitsatz

Art137 B-VG; Klage gegen den Bund wegen Zustimmung zur Ausfolgung eines infolge eines Sicherstellungsauftrages in einem Abgabeverfahren bei Gericht erliegenden Geldbetrages; Zuständigkeit der Gerichte - keine Zuständigkeit des VfGH

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem beklagten Bund zuhanden der Finanzprokuratur die mit 3088 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

I. Am 21. Juni 1982 erließ das Finanzamt Innsbruck einen Auftrag zur Sicherstellung der Einkommensteuer 1973 bis 1980 in der Höhe von 2971000 S und der Vermögenssteuer 1974 bis 1982 in der Höhe von 318000 S im beweglichen und unbeweglichen Vermögen des Klägers und veranlaßte beim BG Innsbruck die Exekution zur Sicherstellung der insgesamt 3289000 S auf eine pfandrechtlich gesicherte Kaufpreisforderung von (restlichen) 3631723,42 S des Klägers gegen F

K (EZ ... II KG Seefeld, Beschl. vom 6. Juli 1982). Zum 30. September 1984 hatte der Drittschuldner aus dieser Kaufpreisschuld eine Zinsenschuld in der Höhe von 181586,17 S errechnet. Davon brachte er für die Begleichung vorrangig sichergestellter Unterhaltszahlungen 48000 S in Abzug. Die restlichen 133586,17 S hinterlegte er zugunsten des Klägers, anderer Pfandgläubiger und des Finanzamtes (zu 4 Nc 129/84) beim BG Innsbruck, welches mit Zustimmung aller Beteiligten 27000 S und 16200 S an vorrangige Gläubiger ausfolgte. Das Begehren des Klägers auf Auszahlung des restlichen Erlagsbetrages von 90386,17 S mit Zinsen blieb wegen Widerspruchs des Finanzamtes ohne Erfolg.

Die am 15. März 1985 beim VfGH eingelangte Klage begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, der Ausfolgung des Betrages von 90386,17 S samt Zinsen an den Kläger zuzustimmen (wobei wegen einer Exekution zur Hereinbringung offener Eintragungsgebühren samt Kosten vom 5. Feber 1985 ein Teilbetrag von 34080,10 S der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Innsbruck zu überweisen sei). Die Forderung von 3289000 S sei durch die Pfändung der Kaufpreisförderung (gemeint: des Kapitalsbetrages) mehr als abgedeckt. Die Exekution dürfe nicht in weiterem Umfang vollzogen werden, als es zur Verwirklichung des Anspruchs notwendig sei (§27 Abs1 EO); sie sei einzuschränken, wenn sie in größerem Umfang vollzogen wurde, als es zur Erzielung vollständiger Befriedigung des Gläubigers notwendig sei (§41 EO); demgemäß sei der Bund verpflichtet, einer Ausfolgung zuzustimmen. Der VfGH sei zur Entscheidung über das Begehren zuständig, weil der Bund seine Zustimmung aufgrund eines Hoheitsaktes - des Sicherstellungsauftrages - verweigere. Allenfalls möglich gewesene Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe gegen die Exekutionsführung stünden der Klage nicht entgegen (Hinweis auf VfSlg. 8666/1979).

Der beklagte Bund verweist darauf, daß er der teilweisen Ausfolgung an die Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht bereits zugestimmt habe und der entsprechende Teilbetrag vom Gericht am 17. Juni 1985 auch schon überwiesen worden sei, weshalb nur mehr ein Rest von 56306,07 S zur Verteilung stünde. Über Antrag des Finanzamtes vom 20. Feber 1985 sei die sichergestellte Forderung aufgrund der vom 9. März bis 12. März 1984 ausgefertigten (allerdings noch nicht rechtskräftigen) Steuerbescheide am 1. März 1985 dem Bund zur Einziehung überwiesen worden. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des VfGH seien nicht gegeben, weil die Entscheidung über eine Einschränkung der Exekution dem Exekutionsgericht obliege (§45 Abs2 EO). Eine Überdeckung liege erst dann vor, wenn ein Betrag in der Höhe der Steuerschuld hinterlegt worden sei. Solange der Kläger als Verkäufer seiner vertraglichen Pflicht zur Löschung eines Vorpfandrechtes nicht nachkomme, sei übrigens mit weiteren Zahlungen des Drittschuldners gar nicht mehr zu rechnen.

II. Die Klage ist unzulässig. Der VfGH ist zur Entscheidung des vorliegenden Streites nicht zuständig.

Nach Art137 B-VG erkennt der VfGH ua. über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Daß der geltend gemachte Anspruch gegen den Bund vermögensrechtlicher Natur ist, steht außer Zweifel. Über ihn ist jedoch anderweitig zu entscheiden:

Die Abgabenbehörde hat iS des §3 Abs3 AbgabenEO die Vollstreckung der Abgabenschuld im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren erwirkt. Der beklagte Bund und der Kläger stehen einander somit als betreibender Gläubiger und Verpflichteter eines gerichtlichen Exekutionsverfahrens gegenüber. Wohl hat der Drittschuldner den strittigen Betrag noch vor der Überweisung der gepfändeten Forderung an das betreibende Finanzamt bei dem dafür unmittelbar nach §1425 ABGB berufenen Gericht hinterlegt und nicht nach §307 EO beim Exekutionsgericht. Erst die spätere Überweisung hat (allerdings noch vor Klagserhebung) eine dem §307 EO entsprechende Lage hergestellt. Doch ist die Hinterlegung nur im Hinblick auf die gerichtliche Pfändung auch zugunsten des beklagten Bundes erfolgt. Es gäbe ja sonst keinen Grund, die Ausfolgung von der Zustimmung auch des Bundes abhängig zu machen. Selbst die Klage geht davon aus, daß der Bund diese Zustimmung nur wegen der Exekution zur Sicherstellung von Abgabenschulden verweigert.

Ob der Bund einer Ausfolgung zustimmen muß, hängt folglich von seiner vollstreckungsrechtlichen Stellung ab, über die nur in dem nach der Exekutionsordnung hiefür vorgesehenen Verfahren abgesprochen werden kann. Würde etwa ein Dritter das Eigentum am hinterlegten Gegenstand behaupten, so könnte er die Zustimmung nur erreichen, wenn er gegen die laufende Exekution Widerspruch erhebt (§37 EO; vgl. Neumann-Lichtblau, Kommentar zur Exekutionsordnung, 3. Auflage, II 965). Würde der Verpflichtete den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsachen einwenden, dann wären diese Einwendungen - da es sich um

einen Exekutionstitel nach §1 Z13 EO (einen "über ... Steuern ... ausgefertigten ... Zahlungsauftrag") handelt - bei jener Behörde

anzubringen, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen ist (§35 Abs2 EO). Rügt der Verpflichtete aber die Unzulässigkeit der Exekution wie hier nur, weil sie das zur Erzielung der Befriedigung des Gläubigers Notwendige überschreite (§41 Abs2 EO), so ist nach Beginn des Exekutionsvollzuges allein das Exekutionsgericht zur Entscheidung zuständig (§45 Abs2 EO). Das gilt auch für die Exekution zur Sicherstellung, und Verpflichteten übermäßigen - Exekutionshandlungen schon vollzogen sind (§377 EO), und es gilt umso mehr, wenn die Sicherungsexekution in ein Verwertungsverfahren umgewandelt wurde. Da es sich in solchen Fällen nur um eine Frage des Vollzuges handelt, die den Bestand des verwaltungsbehördlichen Exekutionstitels nicht berührt, ist die Zuständigkeit des Gerichtes auch verfassungsrechtlich unbedenklich.

Nichts anderes kann aber gelten, wenn man die Klage dahin versteht, daß nur ein Streit des betreibenden Gläubigers und des Verpflichteten über die Frage behauptet wird, ob der hinterlegte Betrag überhaupt von der Pfändung erfaßt worden sei. Denn auch diese Frage kann füglich nur vom Gericht beantwortet werden. Es besteht nicht der geringste Anlaß, sie abgabenrechtlich einzuordnen (und mangels einer abgabenbehördlichen Zuständigkeit dann vom VfGH beantworten zu lassen).

Die Zuständigkeit der Gerichte schließt eine Zuständigkeit des VfGH aus. Anders als im Fall des vom Kläger angezogenen Erk. VfSlg. 8666/1979 geht es hier um ein laufendes Exekutionsverfahren und um bestehende Zuständigkeiten, nicht aber um die Frage, ob in einem bereits beendeten Exekutionsverfahren (zur Hereinbringung einer Geldstrafe) Rechtsmittel oder andere Rechtsbehelfe zur Verfügung gestanden wären. Aus diesem Erkenntnis läßt sich schon deshalb nichts für den Standpunkt der Klage gewinnen.

Die Klage ist daher wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lita VerfGG).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §41 VerfGG iVm. §41 ZPO (§35 VerfGG).

Schlagworte

Finanzverfahren, Exekutionsrecht, VfGH /Klagen, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:A5.1985

Dokumentnummer

JFT_10138996_85A00005_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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